Limmattal

Meine allmorgendliche Arbeit beginnt erst im Bareggtunnel. Vorher leiste ich mir den Luxus, nichts zu tun, nur gerade zum Fenster hinaus zu träumen. Und während das Limmattal an mir vorbei rast, denke ich zurück:

An die Zeiten als die beiden Hochhäuser von Spreitenbach bis in den Kanton Zürich als progressive Hochburgen leuchteten, weil sie verkündeten, dass bei ihnen kein Konkubinatsverbot herrschte. Das war damals eine bedeutende Neuerung gegenüber den Verhältnissen in Zürich, der Ost- und Zentralschweiz.
Als junger Vater regelmässiger Besucher von IKEA (mit dem Auto natürlich) und empfand dieses Einkaufshaus und auch die anderen Shoppincenter als eine bedeutende Erneuerung, die das Limmattal der übrigen Schweiz voraushatte.
Als RR weihte ich 1992 eine weitere Neuerung im Limmattal ein: das Stadthaus Dietikon
Die bedeutendste Erneuerung war dann die Gründung des Bezirks Dietikon. Ich durfte sie als damaliger RR einleiten.
Dieser Bezirk wird jetzt aktiv und sucht mich heim: "Bitterernst und mit aller Vehemenz", wie sich der "Limmattaler Bote" ausdrückt, will er für eine Überdeckung beim Gubrist-Tunnel kämpfen. Einstweilen nur so viel:
Die Petition stellt uns vor sehr grosse Probleme. Es geht vor allem um Boden, der knapp ist, aber auch um Geld und vor allem die Zeit, die verloren geht, wenn wir mit den Planungen wieder beginnen müssten. Boden, Geld, Zeit, das sind knappe Güter und immer wenn es um knappe Güter geht, gehen die Wellen der Empörung besonders hoch. Bei UKW-Frequenzen zum Beispiel, aber auch bei der Energie, insbesondere beim Strom der Fall, beim Thema Ihrer Tagung.

Stromknappheit

Das Schreckensgespenst Stromlücke: sie ist nicht einfach eines Tages da. Sie kommt schleichend. Kündet sich z.B. mit hohen Strompreisen an und das ist schon jetzt der Fall.

Strompreise

Strompreise haben sich nicht nur wegen der Liberalisierung erhöht:

a.      Was will das Stromversorgungsgesetz?

Sicherheit: Das Gesetz garantiert eine sichere Grundversorgung.
Gerechtigkeit: Das Gesetz gewährleistet ein Anschlussrecht der Konsumenten in allen Regionen zu einem angemessenen Preis. Diese sichere und erschwingliche Versorgung wird durch die Elektrizitätskommission (ElCom) überwacht.
Liberalisierung: (Öffnung in Etappen)
Einspeisevergütung: Der Strom soll nicht nur sicher, sondern auch sauber fliessen. Mit dieser Vergütung wird die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien entschädigt und gefördert.

b.      Wie setzen sich Strompreise zusammen:

Transport (StVG): Es stellt sich z.Z. Frage der korrekten Bewertung bzw. Abschreibung der Netze. Müssen die Konsumenten die Netze ein zweites Mal bezahlen? Dieser Preisbestandteil wird derzeit durch ElCom eingehend überprüft. Zu den Aufgaben der Netzgesellschaft "swissgrid" gehört auch das Bereithalten von Reserve-Strom, um Blackouts zu vermeiden. Auch diese Kosten werden auf den Konsumenten überwälzt.
Einspeisevergütung (StVG): (45 Rappen bzw. rund 2%)
Energiepreis (teilweise ausserhalb StVG): (erhöhte Nachfrage, nicht nur beim Strom)
Konzession (ausserhalb StVG): (Kantone und Gemeinden / z.B. Stadt Bern 2 Mio. / Verdacht der Trittbrettfahrer)

c.      Stand der Dinge

Zurzeit werden die Tarife durch die ElCom mit Hochdruck überprüft. Auf welche Tarifanteile hat sie überhaupt Einfluss?

Prüfen, allenfalls senken bzw. eine Preiserhöhung verbieten kann die ElCom:
- Energiepreise für die Haushalte und das Kleingewerbe (also die Preise für den eigentlichen Strom) (40-50 %) und die Tarife zur Nutzung des Stromnetzes (40-50 %).
Keinen Einfluss hat die ElCom:
- Auf die Abgaben an die Gemeinden und die Einspeisevergütung für erneuerbare Energien.

Geplante Änderung der Stromversorgungsverordnung:

1.      Abschreibungen der Netze: Viele Netzbetreiber haben ihre Netze auf den gesetzlich erlaubten Höchstwert - den Anschaffungsrestwert - aufgewertet. Dies trägt wesentlich zu den angekündigten Strompreiserhöhungen bei. Wir wollen nun eine neue Übergangsbestimmung in der Stromversorgungsverordnung einfügen: Sie verbietet eine Aufwertung der Netze über den Buchwert 2006. Erst ab 2011 kann dieser Buchwert dann linear über 8 Jahre verteilt auf den Anschaffungsrestwert aufgewertet werden. Dadurch wird das abrupte Ansteigen der Strompreise verhindert und langfristig abgeflacht.

2.      Kosten für Reserveenergie: Hier soll eine neue Übergangsbestimmung dafür sorgen, dass die Reserveenergie kostengünstiger eingekauft werden kann (Gestehungskosten statt Marktpreise).

Das Bewusstsein der Preisgestalter über die (ungünstigen) Entwicklungen der letzten Wochen ist gross. Das zeigte sich an der Aussprache vom 24. Oktober in Bern. Nicht nur die Elektrizitätswirtschaft hat zugesichert, bei der Suche nach Lösungen Hand zu bieten. Auch die Kantone und Gemeinden sind bereit, Höhe und Notwendigkeit von Abgaben, Gebühren und Gewinnablieferungen ihrer Werke noch einmal zu überdenken und bei notwendigen Erhöhungen massvoll vorzugehen.

Wie begegnen wie der Stromknappheit?

Die Energiepolitik des Bundesrates beruht auf vier Säulen:

Energieeffizienz
Erneuerbare Energien
Grosskraftwerke
Energieaussenpolitik

Gas- und Dampfkraftwerke

Sie sind eines der Mittel gegen die Stromlücke. Im Sinne einer Übergangslösung, bis allenfalls ein neues Kernkraftwerk gebaut wird.

Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Versorgungssicherheit. Deshalb 100 % Kompensation der Emissionen.
Parlament wollte 70 % Ausland // 30 %  Inland (Motive/Folgen).
BR hat deshalb vor zwei Wochen Neuverteilung beschlossen: 50 %: 50%. Dies aus zwei Überlegungen:
- Wirtschaftliche Rentabilität bzw. Planung ermöglichen.
- Klimapolitisch: In Deutschland gibt es keinen Zwang zur CO2-         Kompensation.

Das letzte Wort hat das Parlament. Ausgang ungewiss.

Zeigt, dass die Energiepolitik mit der globalen Klimapolitik verhängt ist.

Wo steht die Schweiz in der Klimapolitik?

a.      Laufende Kyotoperiode

Schweiz erreicht Ziel: knapp, dank wachsendem Wald.

Österreich nicht - wird deshalb zur Kasse gebeten. Selbstgesetzte Kyotoziele verfehlt. Muss deshalb für über 1 Mia. Euro Zertifikate kaufen.

b.      Künftige Klimapolitik

Für das neue CO2-Gesetz schlägt BR zwei Varianten vor:

Hauptsächlich Reduktion im Inland (Ziel 20 - 30 %, verbunden mit CO2 Abgabe)
Nur Zertifikatehandel im Ausland (Ziel zunächst 100 % ,klimaneutral, jetzt 50 %, verbunden mit Klimarappen)

Gründe gegen Auslandkompensation

Solidarität: Reiches Land mit Technologievorsprung muss mit Beispiel vorangehen. "Ablasshandel" ist unglaubwürdig.
Wirtschaftliche Argumente: 100 % Ausland kommt teuer. Gemäss Experten 1.6 Mia. Fr.. Preise steigen, je beliebter die Zertifikate. Risikoreicher Weg. Deshalb nachhaltiger in unsere Wirtschaft zu investieren.
Internationale Abkommen: Kyotoprotokoll: substantieller Teil im eigenen Land reduzieren. Widerstand der Schwellenländer. Rechnung geht ethisch und mathematisch nicht auf.

Schutz vor Folgen der Klimaänderung

Hochwasserschutz: Wir werden in den nächsten Jahrzehnten Milliarden von Franken für den Schutz von Naturereignissen - insbesondere Hochwasserschutz - ausgeben müssen.

Finanzierung noch offen.
Nicht Handeln bedeutet immer grössere Schadenssummen.
1 Mio. Investition in Schutzbauten verhindert mindestens 5 Mio. Schäden.
Zur Finanzierung denke ich an Förderabgaben auf Treibstoffen. Wer die Klimaveränderung verursacht, soll diese durch eine CO2-Abgabe bezahlen.

Investition in CO2 Reduktion

Eine weitere Baustelle der Energie- und Klimapolitik ist das Gebäudesanierungsprogramm. Finden fast alle gut. Nur dessen Finanzierung führt ebenfalls beinnahe zu Glaubenskriegen. 

Finanziert werden soll es über eine Teilzweckbindung der CO2-Abgabe.

200 Mio. für die Energieeffizienz bzw. das Klima. Davon profitieren Hausbesitzer/Mieter.
Nach der Freude machen sich die ersten Befürchtungen breit. Die Energiedirektoren fürchten zu grossen Einfluss des Bundes. Die Finanzdirektoren wittern eine neue Steuer.
Die Erdölvereinigung nutzte das Zaudern der Kantone und schlägt vor, das Gebäudesanierungsprogramm über einen erhöhten Klimarappen zu finanzieren. Die Hoheit der Mittel bleibt bei einer privaten Vereinigung und nicht beim Bund.
Das Motiv der Erdölvereinigung: Sie hat kein Interesse an Lenkungsabgaben, welche den Verbrauch fossiler Brennstoffe ernsthaft reduzieren könnte. Im Zentrum der Klimapolitik stehen jedoch nicht Partikularinteressen, sondern das Wohlergehen aller Bewohner dieses Planeten.

Fossile Energien neigen sich zu Ende.

Die Zukunft gehört deshalb den erneuerbaren Energien.

Erneuerbare Energien boomen

Milliarden von Franken werden in erneuerbare Energien gesteckt.
Banken und Investoren stehen bereit. Weltweit und in der Schweiz.
Schweizer Konzerne sind mit ihren Solartechnologien führend.

Beispiele von erfolgreich eingeleiteten Massnahmen:

Heute werden die meisten neuen Gebäude ohne Ölheizung gebaut. 20 % der neuen Gebäude werden in "Minergie" gebaut. Die neuen  kantonalen Vorschriften schreiben Halbierung des Energieverbrauchs in neuen Gebäuden vor, das entspricht in etwa dem bisherigen Minergie-Standard.
Mit einer entsprechenden Sanierungspolitik im Gebäudebereich sind wir in der Lage, den Energieverbrauch bis 2035 zu halbieren und einen grossen Teil davon mit erneuerbaren Energien abzudecken.
70-80 % unseres Stroms kann mit Wasserkraft und neuen Erneuerbaren Energien hergestellt werden. (Ziel Aktionspläne BR: Verdoppelung der Erneuerbaren bis 2020 von 16 % auf 24 %)

Die Potenziale der erneuerbaren Energien sind noch nicht ausgeschöpft. Einspeisevergütung beim Strom ist nur erster Anstoss.

Wir haben noch mehr Möglichkeiten und wir sollten sie auch nutzen:

Heizungen (Wärmepumpen / Holz)
Warmwasser (Solarkollektoren auf dem Dach)

(Österreich hat zehn Mal mehr Warmwasser-Kollektoren auf dem Dach als wir. Potential und Ansporn für die Schweiz)

Meine allmorgendliche Arbeit beginnt im Bareggtunnel. Vorher träume ich aus dem Fenster und sehe jeden Tag, dass die Zeit im Limmattal nicht stehen bleibt. War es einst Avantgarde beim Konkubinat und in der Shoppingwelt, so ist es heute Pionier der Nachhaltigkeit:

Spreitenbach ist auch eine Energiestadt: Nirgends in der Schweiz gibt es so viele Quadratmeter Minergie-Wohnfläche. Mit der Abwärme der Zweifel-Chips-Produktion wird geheizt. Wer abends auf dem IKEA-Sofa Chips isst, tut also Gutes fürs Klima. Vor drei Wochen durfte ich Spreitenbach für seine Bemühungen als Energiestadt auszeichnen.
Das Limmattal ist auch ein Naherholungsraum: Das Projekt "Agglomerationspark Limmattal" will Wiesen, Wälder und Wasser von Baden bis Zürich, von Waldegg bis Baregg vernetzen. Ein wichtiges Kontrastprogramm zu Schienen, Strassen und Beton. Es ist ein Modellvorhaben, das vom Bund unterstützt wird.
Das Limmattal ist auch eine Stadt: Das Agglomerationsprojekt die "Stadtbahn Limmattal" will die Gemeinden zwischen Zürich und Baden ähnlich wie die Glattalbahn zu einem "urbanen Grossraum" verbinden. Nicht nur Feinverteilung zwischen S-Bahn und Ortsbus, sondern nachhaltiges Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Kultur.

Der Erneuerungswille ist im Limmattal ungebrochen. Er wird sich auszahlen, gerade in der Energie. Ich gratuliere Ihnen dazu.

Das Limmattal mein Traumtal