Mesdames, Messieurs
Gentili signore e signori
Werte Anwesende
Allegra

Jeu selegrel d' astgar referir oz cheu egl "Institut da Prulinguitad" a caschun dall'inauguraziun da quei institut.

Mit Freiburg verknüpfen sich für mich nur beste Erinnerungen, verbrachte ich hier doch von 1977 - 1982 meine Studienjahre. Nach der Matura war ich eher unschlüssig, wusste nicht, was studieren und auch nicht wo. Da der Vater einer Freundin hier an der Uni einen Lehrauftrag für Romanisch hatte, entschloss ich mich, mit ihr nach Freiburg zu gehen. Und nach einigem Schnuppern entschied ich mich für ein Jus-Studium. Nebenbei besuchte ich die romanischen Vorlesungen der Professoren Alexi Decurtins und Iso Camartin. Fixpunkt stellte im Übrigen während der ganzen Zeit die WG im Pérolles dar.

Dass ich in Freiburg studiert habe, ist übrigens doch nicht ganz zufällig, ist Freiburg doch schon seit Jahrhunderten für Bündner ein beliebter Studienort. Die ersten Bündner besuchten bereits 1582 das Jesuitenkollegium in Freiburg (Kollegium Sankt Michael), in welchem bekanntlich Wurzeln der heutigen Universität Freiburg zu finden sind. Und  bei der Gründung der katholischen Universität Freiburg im Jahre 1889 war ein Bündner - Nationalrat Casper Decurtins aus Trun - sogar massgeblich beteiligt; er lehrte an dieser Universität zudem von 1905 - 1913 Kulturgeschichte (istorgia culturala). Ihm folgten mit Giusep Huonder, Pieder Tuor, Eduard Montalta, Oscar Vasella, Alexi Decurtins, Walter Wittmann und Georges Darms noch weitere Bündner Professoren sowie unzählige Bündner Studenten - und natürlich zunehmend auch Bündner Studentinnen, vorwiegend aus dem Bündner Oberland - dalla Surselva. Und kennzeichnete anfangs noch der „Katholizismus" die Ausbildungsstätte Freiburg, prägt diese seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehr und mehr die Zweisprachigkeit. Das Institut für Mehrsprachigkeit, das heute eingeweiht wird, wird ja ebenfalls zweisprachig (deutsch/französisch) geführt. Es knüpft damit an diese Erfahrungen an und dient insbesondere der Förderung und Lehre sowie der wissenschaftlichen Forschung im Bereich der Mehrsprachigkeit und Multikulturalität.

Was bedeutet nun Mehrsprachigkeit für mich persönlich,
was bedeutet die Mehrsprachigkeit für unser Land, für die Schweiz und
was bedeutet Mehrsprachigkeit in meinem Umfeld als Bundeskanzlerin?

Für mich persönlich ist Mehrsprachigkeit normal; ich kenne nichts anderes. Es ist in allererster Linie eine Bereicherung. Getreu dem Motto von „Radio e Televisiun Rumantscha" aus dem Jahr 2002 „Tgi che sa rumantsch sa dapli" (was in etwa heisst: „Wer Romanisch spricht, weiss mehr") bin ich vom grossen Nutzen, vom Gewinn der Mehrsprachigkeit überzeugt. Gute Sprachkenntnisse bereichern einen, bringen einen persönlich weiter und sind heute angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtungen auch in der Arbeitswelt gefragter denn je. Symbolisch dargestellt wird dieser Slogan von der Lia Rumantscha - dem Dachverband zur Förderung der romanischen Sprache und Kultur - schon seit vielen Jahren mit der "clavina rumantscha" (= romanisch), also mit dem „Schlüssel" zur romanischen und damit auch zu anderen Sprachen.

Cresciuta con il romancio, mi sono resa ben presto conto che volevo imparare altre lingue. Se non intendiamo intraprendere un'attività solo nella nostra terra natia - i romanci per esempio nella Surselva o in Engadina -  gli italofoni nelle valli di Poschiavo, Mesolcina, Bregaglia o in Ticino - noi che facciamo parte di una comunità che parla una lingua minoritaria siamo tenuti a imparare una o più lingue. Ce ne accorgiamo sin da piccoli, cresciamo con questa consapevolezza, ci adattiamo sapendo che solo la padronanza di altre lingue ci permette di avanzare. Per questo motivo chi appartiene a una minoranza linguistica è almeno bilingue. È la sua chiave per il mondo.

Die Bedeutung der Sprache und der Sprachkenntnisse für das wirtschaftliche Fortkommen ist bei Angehörigen von Sprachminderheiten somit sehr präsent. In meiner Familie war das nicht anders, zumal das Familieneinkommen vom Tourismus her kam. Meine Eltern haben meine Brüder und mich nicht nur, aber vor allem in Bezug auf die Sprachen, sehr gefördert. Früh merkte ich, wie wichtig Sprachkenntnisse sind. So konnte ich mich mit meinen Cousins und Cousinen und mit den Gästen, die bei uns Ruhe und Erholung suchten, schnell verständigen. Das hat auch mein Interesse geweckt, weitere Sprachen zu lernen. Zuerst die Sprachen der umliegenden Länder, dann andere Sprachen lateinischen Ursprungs. Es bereitete mir ausserordentlich Freude, Cassola, Buzzati, Ginzburg oder Camus und Gide in der Originalsprache zu lesen. Aufenthalte in Italien und Frankreich förderten die Sprachfertigkeiten weiter. Dann hatte ich das Ziel, als IKRK-Delegierte zu arbeiten. Dafür habe ich meine Englischkenntnisse aufgefrischt und in Mexiko Spanisch gelernt. Zwar war es nicht einfach, jeweils in einer Fremdsprache zu kommunizieren, und zwar sowohl mündlich als auch schriftlich, aber es hat Spass gemacht, und die Fortschritte liessen nicht auf sich warten.

Les connaissances linguistiques sont ainsi aussi un atout du point de vue économique. Nous sommes en effet habitués à trouver des indications en trois langues sur les produits quotidiens tels que le beurre et les produits de lessive, ainsi que sur les notices d'emballage des médicaments. Est-ce que cela ne représente pas un avantage ces temps-ci? Maintenant que nous pratiquons de plus en plus le libre marché?

Im Rahmen der Mehrsprachigkeit in der Schweiz möchte ich nun zunächst auf die Viersprachigkeit eingehen.

Die Ansicht von Peter Bichsel,  wonach „wir glauben, dass Viersprachigkeit so etwas wie ein Kollektivbesitz ist" im Sinne von: „ ich Schweizer spreche die vier Sprachen zwar nicht, aber wir Schweizer schon", teile ich grundsätzlich, im Wissen aber, dass es zum Glück auch hier gewisse Ausnahmen von dieser Regel gibt.

Wie steht es nun tatsächlich mit der Viersprachigkeit in der Schweiz? Deutsch sprechen rund 64%, Französisch 20%, Italienisch 6% und Romanisch ein halbes Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner. Die Schweiz anerkennt diese vier Sprachen als „Landessprachen". Damit wird den vier Sprachen Rechnung getragen, die in der Schweiz seit alters her gesprochenen werden. Diese Viersprachigkeit bedeutet ferner, dass die entsprechenden vier Sprachgemeinschaften kulturell und formell gleich berechtigt sind. Das Bekenntnis zur Viersprachigkeit ist aber nicht nur eine Absichtserklärung, sondern enthält auch eine grundsätzliche Verpflichtung zum Erhalt dieser vier Sprachen. Folglich zielt die schweizerische Sprachenpolitik auch darauf ab, die Viersprachigkeit zu stärken, den inneren Zusammenhalt zu festigen, die Mehrsprachigkeit zu fördern und insbesondere die beiden kleineren Sprachgruppen Italienisch und Rätoromanisch zu erhalten und zu untersützen. Die mehrsprachigen Kantone der Schweiz - Graubünden, Freiburg, Wallis und Bern - werden vom Bund für die Erfüllung ihrer besonderen, aus der Mehrsprachigkeit resultierenden Aufgaben, unterstützt.

Nebst den vier Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Romanisch werden in der Schweiz natürlich noch weitere Sprachen gesprochen. Diese gelten aber nicht als „Landessprachen". Die traditionelle Viersprachigkeit der Schweiz ist somit zur Vielsprachigkeit geworden und stellt uns damit vor zusätzlichen Herausforderungen. So sprechen inzwischen in der Schweiz gemäss Volkszählung aus dem Jahre 2000 jeweils mehr als 1 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner Serbisch oder Kroatisch, Albanisch, Portugiesisch oder Spanisch, rund 1% spricht Englisch und mehr als ein halbes Prozent Türkisch. Damit scheint insbesondere dem Romanischen mit einem Sprachanteil von einem halben Prozent auf den ersten Blick betrachtet Konkurrenz erwachsen zu sein. Kann man Sprache aber lediglich arithmetisch betrachten? Nur nach statistischen Gesichtspunkten?

Eine solche Sichtweise würde verkennen, dass die viersprachige Schweiz an die seit Jahrhunderten gemeinsame Geschichte und an die tradierte kollektive Sprachenlage der Schweiz anknüpft. Darin liegt für die Schweiz der grosse Unterschied zwischen Romanisch und Serbisch bzw. Kroatisch sowie Albanisch, Portugiesisch, Spanisch, Englisch und Türkisch - also all jenen Sprachen, die in der Schweiz von mehr Personen gesprochen werden als Romanisch.

Trotzdem kann es zu Situationen kommen, wo wir Romanischsprechenden nicht als solche wahrgenommen werden. Situationen, wo man uns sogar für Staatsangehörige anderer Länder hält. Solche Episoden zeigen, dass in der Schweiz an der Verständigung über die verschiedenen Regionen hinaus weiterhin zu arbeiten ist. Der Austausch über die Sprachgrenzen hinaus ist zu fördern, und Sensibilisierung für die anderen Amts- und Landessprachen tut offenbar Not.

Keine Hilfe leistet dabei, Englisch als Teilamtssprache in Betracht ziehen zu wollen, wie das neulich in einer Studie des Nationalfonds empfohlen worden ist. Eine solche Forderung - so sexy und verlockend sie auch sein mag - blendet aus, dass Sprache mehr ist als ein blosses Kommunikationsmittel oder pure Nostalgie. Sprache ist auch Heimat, und Heimat ist da, wo ich verstehe und verstanden werde. Heimat bedeutet damit auch Identität, Verbundenheit und ein sich-Auseinandersetzen mit dem Lokalen und mit den Menschen, die da leben. Die Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil der Forscherinnen, Banker oder IT-Spezialisten, die englisch sprechen und hier wohnen und arbeiten, offenbar nicht gewillt ist, eine Landessprache zu lernen, berechtigt nicht dazu, von unseren Gemeinwesen derart gewichtige Konzessionen im Bereich der Sprachen einzufordern. Denn so bedeutet etwa die Anerkennung einer Sprache als Landessprache, dass die entsprechende Sprachgemeinschaft den anderen Gemeinschaften kulturell und formell gleichberechtigt ist. Und als Angehörige einer Teilamtssprache habe ich Anspruch darauf, mich in dieser Sprache an die Behörden zu wenden und von diesen in meiner Sprache angesprochen und informiert zu werden. Würde die Forderung nach Englisch als Teilamtssprache noch quantitativ, mit der zunehmenden Verbreitung dieser Sprache begründet, kämen im Übrigen auch die Sprachen Serbisch/Kroatisch, Albanisch, Portugiesisch und Spanisch als Teilamtssprachen in Frage, werden sie in der Schweiz doch von mehr Personen gesprochen als Englisch. Diese Hinweise zeigen, dass solche Forderungen nicht vorschnell aufgestellt werden dürfen.

Selbstverständlich heisst das aber nicht, dass das Englische in der Schweiz nicht von Bedeutung ist. Englisch ist zwar nicht die weltweit meist gesprochene Sprache, aber es ist die weltweit am meisten verwendete Zweitsprache. Englisch ist damit zweifellos zur globalen Sprache geworden und ist die weltweit wichtigste Sprache im internationalen Geschäftsleben, in Wissenschaft und Forschung. Englisch prägt auch unseren Alltag. Dieser Bedeutung ist Rechnung zu tragen, sei dies im Schulwesen, an den Universitäten oder im Alltag. Dazu gehört zweifellos auch, dass wichtige Texte, wie schon bis anhin, ins Englische übersetzt werden. Wer weiss aber, vielleicht bringen die derzeitige Finanzkrise und die Rückbesinnung auf alte Tugenden es auch mit sich, dass im Geschäftsleben wieder vermehrt Deutsch und Französisch anstatt Englisch verwendet wird.

Was bedeutet nun noch die Mehrsprachigkeit in meinem Umfeld als Bundeskanzlerin?

La Cancelleria federale è l'organo di stato maggiore del Governo e funge da tramite tra il Governo, l'Amministrazione, l'Assemblea federale e il pubblico. In questo ruolo assiste in primo luogo il Consiglio federale e il Presidente della Confederazione nelle funzioni governative.

L'administration fédérale compte environ 72% de germanophones, 20% de francophones, 6% d'italophones et 0,3% de romanches. Ces chiffres correspondent peu ou prou à la répartition des communautés linguistiques au sein de la population résidante de notre pays (soit environ 72,5% de germanophones, 21% de francophones, 4% d'italophones et 0,5% de romanches). Deux conseillers fédéraux sont francophones, tandis que la chancelière est de langue maternelle romanche. Pendant les séances du collège, les membres du Conseil fédéral s'expriment généralement dans leur langue maternelle. Et, croyez-le ou non, leurs collègues les comprennent! Le plurilinguisme fonctionne ainsi bel et bien dans ce microcosme.

Parmi les missions qui lui incombent dans le domaine des langues, la Chancellerie fédérale est notamment chargée de veiller à la qualité de la législation et de la communication. Il nous tient particulièrement à cœur que les textes publiés - très souvent des actes législatifs, mais aussi d'autres textes officiels tels que rapports et communiqués de presse - soient formulés dans une langue claire et compréhensible: les citoyens doivent les comprendre sans peine. La Chancellerie fédérale pourchasse donc sans pitié toutes les manifestations du « français fédéral ». Elle édicte à cet effet, entre autres instruments, des directives et des guides et elle prend régulièrement contact avec les départements.

Die Kommunikation zwischen dem Bund und den Bürgerinnen und Bürgern erfolgt im Übrigen in einer Amtssprache, das heisst auf Deutsch, Französisch oder Italienisch, sowie im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache in der Teilamtssprache Rätoromanisch. Bundesbehörden sind verpflichtet, im amtlichen Verkehr Eingaben oder Anfragen, die in einer der genannten Sprachen gemacht werden, in dieser Sprache weiter zu behandeln. Die Bundeskanzlei setzt sich nachhaltig für die Gleichbehandlung der Amtssprachen in allen Bereichen der Staatstätigkeit ein sowie dafür, dass die Texte in den verschiedenen Sprachen übereinstimmen und in allen Sprachen gleichzeitig publiziert werden. Die Bundeskanzlei ist sozusagen die Hüterin der Landes- und Amtssprachen. Alle Dokumente, die in einem amtlichen Publikationsorgan, das heisst in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts oder im Bundesblatt, veröffentlicht werden, müssen in deutscher, französischer und italienischer Sprache vorliegen. Besonders wichtige Texte, wie beispielsweise die Bundesverfassung oder das Bundesbüchlein (Abstimmungserläuterungen) werden zusätzlich auf Romanisch übersetzt. Je nach Adressatenkreis und Bedeutung der Texte werden ferner weitere amtliche Dokumente (z.B. Merkblätter oder Info-Broschüren) in die verschiedenen Amtssprachen oder auf Englisch übersetzt. Somit darf ich mit Freude festhalten, dass die Mehrsprachigkeit auf Bundesebene funktioniert und - mehr noch - tagtäglich gelebt und somit auch getragen wird.

Damit das auch in Zukunft so bleibt, sind die bisherigen Anstrengungen weiterzuführen. Wir alle sind gefordert, uns zu engagieren. Die Bereitschaft dazu ist zum Glück grösstenteils da, sei es bei uns Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, den Unternehmen sowie den Behörden in Bund, Kanton und Gemeinden. Das ist nicht selbstverständlich. Letztlich geht es aber um nichts Geringeres als um den Zusammenhalt in unserem Land, um ein Miteinander - und nicht Nebeneinander - kurzum um unsere Identität. Und genau das, der Wille nämlich, den Weg trotz der Verschiedenheiten in Sprache und Kultur gemeinsam gehen zu wollen, macht das Wesensmerkmal der Schweiz aus. Mehrsprachigkeit ist damit zum Glück noch schweizerische Realität. Tragen wir Sorge zu diesem wertvollen Gut. Und erinnern wir uns daran, dass nicht nur mehr weiss, wer Romanisch spricht, sondern dass überhaupt gilt: „Tgi che sa linguatgs sa dapli" (wer [mehrere] Sprachen spricht, weiss mehr)!

Engraziel fetg per Voss'attenziun e tut il bien per Vies institut da prulinguitad.