Sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrte Botschafterinnen und Botschafter,
sehr geehrte Gäste aus unseren Partnerländern und der Schweiz,
sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich, Sie an der Jahreskonferenz der Entwicklungszusammenarbeit von DEZA und SECO begrüssen zu dürfen. Gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist es wichtig, dass die für die Entwicklungszusammenarbeit und für die Wirtschafts- und Umweltpolitik zuständigen Ämter eng zusammenarbeiten. Nur dann kann Entwicklungs-, Klima- und Handelspolitik nachhaltig ausgestaltet und erfolgreich umgesetzt werden. Denn:

Entwicklungszusammenarbeit ohne Einbezug von klima- und wirtschaftspolitischen Aspekten verkommt zur milden Gabe der Reichen an die Armen.
Klimapolitik ohne Berücksichtigung der entwicklungspolitischen Rahmenbedingungen und der handelspolitischen Möglichkeiten wird zum Null-Summen-Spiel.
Handelspolitik ohne Rücksicht auf die Wirtschaftskraft der Bevölkerung und den Zustand der Umwelt droht zur Ausbeutung zu werden.

Heute verhalten wir uns wie Gäste im Raumschiff „Erde“ – wir konsumieren hemmungslos, als ob wir noch zwei Raumschiffe Namens „Erde“ in Reserve hätten. Dabei sind wir die Crew auf diesem Raumschiff. Eine Crew, die verantwortungsvoll die knappen Ressourcen – und dazu gehört auch das Klima – nutzen muss. Deshalb sind Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung grosse Herausforderungen und eng miteinander verbunden. Die Frage stellt sich daher: Was geschieht, wenn man wenig bis gar nichts tut? Die Antwort liegt auf der Hand: Wo sich Umweltbedingungen verschlechtern, wo der Meeresspiegel steigt, Hänge abrutschen, Böden verdorren oder versalzen, da werden Lebens- und Standortqualität eingeschränkt, langfristiges wirtschaftliches Wachstum wird gebremst, der Migrationsdruck steigt. Daher sind alle zum Handeln verpflichtet: Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer; Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.

Im letzten Dezember hat das Parlament eine wichtige Entscheidung für die Zukunft der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, und zwar gerade auch im Bereich Klima, getroffen: Es hat die beiden Botschaften von EDA und EVD über die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern verabschiedet. Damit verfügt die Schweiz erstmals über eine Strategie der Entwicklungszusammenarbeit, die für alle Stellen des Bundes gilt. In dieser Entwicklungshilfe-Strategie ist nicht zuletzt ein erweitertes Engagement in Klimafragen prominent vorgesehen. Nachhaltige Entwicklungs-, Klima- und Handelspolitik ist in einer immer komplexeren Welt nur noch mit einer interdisziplinären Politik erfolgreich.

Herausforderungen des Klimawandels für die Entwicklungspolitik
So positiv das globale Wirtschaftswachstum der letzten Jahre aus Sicht der Armutsbekämpfung ist, so hat es sich doch in verschiedenen Regionen der Welt negativ auf die Umwelt ausgewirkt.

Positiv, weil die Zahl der Armen in den letzten 25 Jahren um 500 Millionen abgenommen, die Kindersterblichkeit fast halbiert und sich die Lebenserwartung in den Entwicklungsländern erhöht hat. In Indien werden schon bald mehr Menschen zwei Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen können.
Negativ, weil unkontrollierter Ressourcenverbrauch und klimaschädliche Emissionen stark zugenommen haben. Der Klimawandel wird in den kommenden Jahren durch Dürren und Überschwemmungen weltweit für geringere Ernteerträge sorgen. Besonders die ärmsten Länder der Erde werden in den nächsten 20 Jahren unter Nahrungsmittelknappheit leiden. Trinkwasser wird in diesen Regionen knapp – seit 1970 sind die Trinkwasserreserven wegen dem Bevölkerungswachstum um 30% gesunken.

Die 2007 in Bali verabschiedete Roadmap ist daher eine taugliche Grundlage für die in diesem Dezember in Kopenhagen anstehenden Verhandlungen für ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll. In Kopenhagen muss Klima- und damit Entwicklungsgeschichte geschrieben werden. Dort sollen Reduktionsziele beschlossen und auch die Entwicklungs- und Schwellenländer einbezogen werden. Ein Fonds soll aufgesetzt werden, in den die reichen Staaten für Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen in Entwicklungsländern einzahlen. Bei einem Treffen der Mitglieder der Weltbank – wurde klar erkannt:

Klimaabkommen erfordern neue Politiken, neue Einkünfte; neue globale Marktmechanismen müssen geschaffen werden.
Für Industriestaaten braucht es klare Klimavorgaben und Mechanismen für eine nachhaltige Entwicklung. Die Clean Development Mechanism (CDM) müssen reformiert werden. Der Technologietransfer ist neu zu konzipieren.
Finanz-, Wirtschafts- und Entwicklungsministerien müssen eingebunden werden, um effektive und effiziente internationale Mechanismen für den Finanztransfer zu etablieren und genügend Instrumente und Investitionen zu entwickeln für „Mitigation“ und „Adaptation“ und Technologien.

Damit ist die globale Wechselwirkung der diversen nationalen Klima-, Wirtschafts- und Finanzpolitiken ausgewiesen. Und obwohl die Schweiz im Vergleich zu anderen Industrieländern wenig Emissionen ausstösst, sind wir durch unsere Investitions- und Handelstätigkeiten für eine grosse Emissionsmenge im Ausland verantwortlich. Gleichzeitig haben wir auch Lösungen anzubieten; insbesondere im Bereich von Clean Technology. Wir verfügen über das Know-how in Bildung und Forschung. Wir haben die nötige Finanzkraft. Wir haben innovative Unternehmen, die sich auf dem internationalen Markt behaupten können. Die Frage stellt sich jedoch: Wie kann der Technologietransfer in Schwellenländer am besten erfolgen, wie in Staaten mit geringer Kaufkraft?

Diese globalen Herausforderungen können nur bewältigt werden, wenn alle Länder, inklusive die USA und die grossen Schwellenländer, massgebliche Reduktionsanstrengungen unternehmen. China hat die USA mittlerweile als grösster Emittent von Treibhausgasen abgelöst. Gleichzeitig braucht es neue finanzielle Instrumente. Die Weltbank schätzt, dass es bis zum Jahr 2020 über 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr an zusätzlichen Investitionen für ein klimaschonendes Wachstum in Schwellen- und Entwicklungsländern braucht. Solche Summen kann die Staatengemeinschaft unmöglich allein bereitstellen. Deshalb braucht es zusätzlich Mechanismen, die die Privatwirtschaft einbinden. Der Emissionshandel hat dafür das notwendige Potenzial.

In der Schweiz streben wir bis zum Jahr 2020 eine Emissionsreduktion von 20 bis 30% an. Dieses Ziel möchten wir einerseits durch Emissionsreduktionen in der Schweiz erreichen; andererseits durch Projekte in Entwicklungsländern, unter anderem über den so genannten Clean Development Mechanism (CDM). Die Chancen, damit auch armen Ländern ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen und gleichzeitig das Weltklima zu schützen, sind enorm. Das Potenzial des CDM wollen wir noch besser nutzen.

Wirtschaftskrise, Klimawandel und wirtschaftliche Entwicklung
Der Klimawandel macht deutlich, wie das Verhalten einzelner Gruppen und Länder Probleme für die gesamte Menschheit verursachen kann. Die Schweiz als Mitverursacherin trägt dabei eine Mitverantwortung. Gleichzeitig hat die Globalisierung den Entwicklungsländern nicht nur Gewinne eingebracht, sondern sie auch der Finanzkrise stärker ausgesetzt. Sie spüren heute die Erschütterungen an der Wall Street bedeutend stärker. Die Rohstoffpreise, in 90 Entwicklungsländern mehr als die Hälfte der Einnahmen, sind im 1. Quartal 2009 auf die Hälfte des Wertes von 2007 gesunken. Die Weltbank schätzt, dass die ausländischen Investitionen zwischen 2007 und 2009 von 7,3% des Bruttosozialproduktes auf 0,6% sinken werden. Das Wachstum in den Schwellenländern wird von 8,3% auf 1,5% schrumpfen. Als Folge der weltweiten Krise leben heute knapp eine Milliarde Menschen in absoluter Armut. Nach ersten Schätzungen dürften zwischen 2009 und 2015 rund 1,4 bis 1,8 Millionen Kinder mehr sterben als dies ohne die Krise der Fall gewesen wäre.

Um die Folgen von Klimawandel UND Globalisierung zu mildern, da besteht innerhalb der OECD Einigkeit, darf die öffentliche Entwicklungshilfe nicht reduziert werden. Als Reaktion auf die Finanzkrise hat der Bundesrat beschlossen, sich mit maximal 10 Milliarden USD an der Mittelaufstockung des IWF zu beteiligen. Darüber hinaus wollen wir aber auch die Zusammenarbeit über die einzelnen Zuständigkeitsbereiche hinweg und ein interinstitutionelles und interdepartementales Verständnis fördern. Es gibt keinen Grund, die Bewältigung der Klimakrise wegen der vermeintlich dringenderen Wirtschaftskrise zu vernachlässigen. Denn für die wirtschaftliche Entwicklung ist der Klimawandel langfristig eine viel grössere Bedrohung. Dennoch wird es aufgrund der wegen der Wirtschaftskrise rückläufigen staatlichen Einnahmen und teils massiven neuen Schuldenlasten nicht einfach sein, internationale Verpflichtungen in Kopenhagen zu erhalten und nicht nur Lippenbekenntnisse zu hören. Daher ist es wichtig, die langfristigen wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels und die Auswirkungen immer wieder aufzuzeigen, wenn wir zu wenig oder gar nichts tun.

Intelligenter Klimaschutz ist eine Chance für neue, innovative Geschäftsfelder. Gerade die Schweiz als Forschungsstandort und Technologieexportnation hat hier viel zu bieten. In der Wasserkraft, Solarenergie und Biogasnutzung; aber auch im Transportwesen, im Biolandbau, in der effizienten Steuerung industrieller Anlagen oder in der Gebäudetechnik – in all diesen Bereichen können Schweizer Unternehmen Spitzentechnologie und ausgezeichnete Beratungsleistungen vorweisen. Hohe Erdölpreise lassen die Nachfrage nach alternativen, effizienten Energiequellen steigen. Bei der Innovation in der Solartechnik kann die Schweiz eine Schlüsselposition einnehmen. Es gibt Lösungsansätze, damit auch Kohlekraftwerke umweltfreundlich genutzt werden können.

Alle diese Technologien müssen wir den Entwicklungsländern zugänglich machen. Und hier setzt die Zusammenarbeit der verschiedenen Politikbereiche und die Kombination von Politik und Wirtschaft ein. In den laufenden Verhandlungen im Rahmen der Klimakonvention muss es gelingen, verbindliche Grundlagen für eine faire Verteilung der Verantwortung zwischen den Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu schaffen. Neben den Verpflichtungen zur Emissionsreduktion sollte die gezielte Nutzung von privatem Know-how und Kapital im zukünftigen globalen Klimaregime im Zentrum stehen. Es soll nicht darum gehen, dass die Industrieländer dank ihrem technologischen Vorsprung auf dem Buckel der Entwicklungsländer den wirtschaftlichen Aufschwung schaffen. Damit dies gelingt, müssen die Regierungen der Wirtschaft einen Regulierungsrahmen geben, in welchen das „Klima“ als öffentliches Gut geschützt wird; beispielsweise durch den Anreiz, weniger CO2 auszustossen, indem CO2 einen Preis hat. Gleichzeitig gilt es Massnahmen zu ergreifen, um Bevölkerung und Wirtschaft vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.

Im Energiesektor zum Beispiel heisst das: eine zielführende Gestaltung der Tarifpolitik und spezifische Anreizsysteme, damit erneuerbare Energien erschlossen und die bereits vorhandene Energie sparsamer genutzt werden. In Entwicklungsländern – und nicht nur dort – zeigen die Rahmenbedingungen im Energiesektor allerdings häufig in die falsche Richtung: Fossile Energien werden massiv subventioniert; Stromdiebstahl gehört zur Tagesordnung; Anreize zum Energiesparen oder zum Umstieg auf erneuerbare Energien fehlen. Ein grosser Teil der Bevölkerung hat kein Geld, um Strom zu bezahlen. Unter solchen Bedingungen sind Investitionen in erneuerbare Energien oder für Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz kaum zu erwarten.

Die Rahmenbedingungen müssen nicht nur auf nationaler Ebene stimmen, sondern auch auf der Ebene der Städte. Heute lebt weltweit rund die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten – im Jahr 2030 sollen es gar zwei Drittel sein. Die städtische Bevölkerung verursacht 70 bis 80% des globalen Energieverbrauchs und der klimaschädlichen Emissionen. Städte – man denke an die zahlreichen Mega-Städte in Entwicklungsländern – sind vom Klimawandel empfindlich betroffen. Grossstädte sind aber auch ein entscheidender Teil der Lösung: Es sind Orte der Innovation, wirtschaftliche Motoren. Städte investieren in den öffentlichen Verkehr, in die Energie- und die Umweltinfrastruktur – und daher müssen sie eine Schlüsselrolle spielen für eine emissionsarme, klimafreundliche Entwicklung. Wie die Schweiz Mega-Städte in Entwicklungsländern auf diesem Pfad unterstützt, ist eines der Themen dieser Jahreskonferenz.

Lassen Sie mich zum Schluss drei Punkte betonen:

Erstens: Um die globale Klimakrise zu bewältigen und gleichzeitig weltweit ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen, ist ein entschiedenes, gemeinsames und koordiniertes Engagement der Staatengemeinschaft in Nord und Süd, aber auch von Privatwirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nötig.

Zweitens: Die Schweiz wird sich im Dezember an der Klimakonferenz in Kopenhagen für ein global wirksames und zielgerichtetes Klimaregime einsetzen. Die Voraussetzung dafür ist eine effektive und gerechte Lastenteilung zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern.

Drittens: Zur gerechten Lastenteilung zählt auch ein weiterhin starkes Engagement der Schweiz – nicht nur, aber auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit: Sie ist Scharnierstelle und Treiber einer notwendigen internationalen Kooperation im Bereich Klima und Entwicklung. Ziel ist, dass unser Engagement auch andere Akteure mobilisiert.

Noch nie in der Geschichte herrschte ein solcher Konsens in der internationalen Gemeinschaft, dass die Probleme des Klimawandels und der nachhaltigen Entwicklung real und vordringlich sind.

Das ist eine einmalige Chance. Packen wir sie!

Es gilt das gesprochene Wort!

Klimawandel und Wirtschaftskrise: Packen wir die Herausforderungen gemeinsam an!