Sehr geehrter Herr alt Bundesrat Stich
Sehr geehrter Herr alt Bundesrat Schmid
Sehr geehrter Herr Verwaltungsratspräsident Vischer
Meine Damen und Herren Regierungsräte
Sehr geehrte Damen und Herren aus Wirtschaft und Politik

In Bundesbern habe ich hundert unvergessliche Tage hinter mir. Hier in Basel haben wir zehn ausserordentliche Tage vor uns.

Es ist ein besonderes Vergnügen und eine Ehre, mit Ihnen diese 94. Ausgabe der MUBA zu eröffnen und Ihnen die herzlichen Grüsse des Bundesrates und des Landes zu überbringen.

Ist es der Zufall des Kalenders oder vielleicht doch die Attraktivität von Basel? Immerhin bin ich innerhalb kurzer Zeit bereits zum zweiten Mal in Ihrer schönen Stadt zu Besuch. Und ich kann nochmals feststellen:

Basel hat einem Innenminister – und auch der ganzen Schweiz - viel zu bieten:

Als Forschungs- und Bildungsminister bin ich stolz auf den innovativen und dynamischen Wissensstandort Basel mit seiner langen Tradition und der ältesten Universität der Schweiz. Als Gesundheitsminister bin ich mir der Bedeutung der pharmazeutischen Industrie für eine qualitätsorientierte Gesundheitspolitik bewusst.

Diese Branche ist auch ein wichtiger volkswirtschaftlicher Wachstumsmotor für die Schweiz und insbesondere für Ihre Region. Schliesslich bringen die herausragenden Museen und die hiesige Theaterlandschaft den Kulturminister ins Schwärmen.

Zur Kultur gehört natürlich auch die Basler Fastnacht, die vor der Tür steht, und die eine der schönsten regionalen Traditionen unseres Landes ist.

Während die Basler noch bis zum 22. Februar auf den „Morgestreich“ warten müssen, beginnen die Luzerner am nächsten Donnerstag ihre Fastnacht.

Im Namen des Bundesrats begrüsse ich die Vertreter aus Luzern, der Gastregion der diesjährigen MUBA.

Als Nicht-Basler fällt mir auf, dass die Basler eine sachbezogene Politik betreiben und die Auseinandersetzungen für gewöhnlich weniger polemisch geführt werden als in anderen Regionen. Ich frage mich, ob ihre aussergewöhnliche Fastnachtstradition hierbei eine Rolle spielt.

In den Fasnachtscliquen trommeln und pfeifen Parteigänger von links bis rechts gemeinsam, bereiten sich Gewerkschafter und Unternehmer zusammen auf die „drei schönsten Tage“ im Jahr vor.

Die Fasnacht als gemeinsames Kulturerlebnis relativiert politische Meinungsverschiedenheiten und trägt dadurch sicherlich zu einem konstruktiven politischen und gesellschaftlichen Dialog bei.

Das wäre vielleicht ein Lösungsansatz für die ganze Schweiz: Schicken wir alle Politiker in eine Basler Fastnachtsclique, damit sie Stärke der Gemeinsamkeiten neu entdecken.

Ernsthaft: Es ist mir ein grosses Anliegen, dass wir immer wieder zu einem konstruktiven Dialog zurückfinden und gemeinsam Lösungen zum Wohle der Schweiz suchen und finden.

Meine Damen und Herren

Ich habe gehört, dass das Fasnachtskomitee dieses Jahr sein 100jähriges Jubiläum feiert und dass die „drei schönsten Tage“ deshalb unter dem Motto „E rundi Sach“ stehen. Ich gratuliere ganz herzlich zu diesem runden Geburtstag.

Politik ist schnelllebiger und das Zeitmass sind Sessionen, Legislaturen oder die ersten 100 Tage im Amt. Diese Woche habe ich über meine ersten drei Amtsmonate gesprochen.

Es ging mir dabei zum einen um eine persönliche Standortbestimmung und zum anderen um die Festsetzung der künftigen Prioritäten im Bereich des EDI.

Die drei wichtigsten politischen Prioritäten sind:
- Qualitätsstrategie in der Gesundheitspolitik im Dienste der Menschen, um die Pflege weiter zu verbessern und noch mehr Leben zu retten;
- Sicherheit nachhaltig stabilisieren und stärken, zugunsten unserer Kinder und Kindeskinder;
- In der Bildung und Kultur das erreichte Niveau konsolidieren und zukunftsgerichtete Reformen einleiten und umsetzen.

Stillstand bedeutet Rückschritt

Als optimistischer Mensch und als Liberaler bin ich überzeugt, dass die morgige Realität besser sein kann als die heutige. Voraussetzung hierfür ist, dass wir es wirklich wollen und uns entsprechend einsetzen!
Reformen dienen diesem Zweck. Sie sind kein Selbstzweck, sondern zielen darauf, bestehende Verhältnisse zu verbessern. Reformen sind in diesem Sinne das Gegenteil von Immobilität und Status Quo.

Reformen bedeuten Veränderung und Bewegung.

Es ist wie im Fussball: Erfolgreiche Mannschaften – wie immer Neuchâtel Xamax und manchmal auch der FCB! – sind mit oder ohne Ball ständig in Bewegung und versuchen zu agieren, statt nur zu reagieren. Sie versuchen Tore zu erzielen und nicht nur keine Gegentore zu kassieren.

In der Wirtschaft, das wissen die Wirtschaftsvertreter unter Ihnen bestens, gilt dasselbe: wer sich nicht an veränderte Gegebenheiten anpasst, wird vom Markt verdrängt.

für die Politik gilt dasselbe: Wenn wir uns nicht bewegen und anpassen, wird die morgige Realität schlechter sein als die heutige; statt um den Titel zu spielen, droht der Abstiegskampf.

Man soll aber den Teufel nicht an die Wand malen.

Die Schweiz ist im Grunde genommen gut in Form und stärker als manche denken. Das hat ausgerechnet die OECD in einem kürzlich veröffentlichten Länderbericht festgestellt.

Im Urteil der Experten hat die Schweiz die Finanz- und Wirtschaftskrise besser überstanden als die meisten OECD-Staaten. Das ist gemäss der OECD zum einen dem Umstand zu verdanken, dass wichtige Teile der Exportindustrie wenig konjunkturanfällig sind.

Zum anderen hebt die OECD auch die raschen und wirksamen Stützungsmassnahmen von Regierung, Parlament und Nationalbank hervor.

Kurz: Die Solidität der Schweizer Wirtschaft und die Stabilität und das Augenmass der Schweizer Institutionen haben sich in der Krise bewährt.

Stabilität ist somit ein Standortvorteil. Allerdings müssen wir aufpassen, dass die Stabilität nicht in Immobilität und Paralyse umschlägt, sondern als Basis für Reformen, für Bewegung genutzt wird.

Weder sollen sich alle Spieler ungeordnet auf den Ball stürzen, noch dürfen wir es uns erlauben, veralteten Standfussball zu spielen. Stattdessen braucht es modernen Angriffsfussball à la FCB – B wie Basel oder Barcelona.

Meine Damen und Herren

In der Politik ist es Aufgabe von Regierung und Parlament konstruktive Lösungen zu suchen und hierfür Mehrheiten zu finden.

Nur so kann Fortschritt erzielt und können Reformen umgesetzt werden. Und das ist auch, was die Bürgerinnen und Bürger von der Politik erwaten.

Im Innenministerium arbeitet die ganze Mannschaft in diesem Sinne und will etwa im Bereich der Gesundheit die Partner davon überzeugen, dass das Verharren im Status Quo mittel- und langfristig ein grosses Risiko darstellt und uns Blockaden teuer zu stehen kommen.

Das ist eine schwierige, aber nicht unmögliche Übung, wie beispielsweise der einstimmige Entscheid der Gesundheitskommission des Nationalrats, auf die Managed-Care-Vorlage einzutreten, illustriert; ein Dossier das lange Zeit im Parlament blockiert war.

Die Bevölkerung erwartet auch von der Schweizer Wirtschaft, dass sie Brücken und nicht Mauern baut.

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben immer vernünftige Entscheidungen getroffen und den Wirtschaftsstandort unterstützt, wenn die Wirtschaft mit einer Stimme gesprochen hat.
Wenn sich aber KMU-Vertreter gegen Grossunternehmen wenden oder sich der Finanzsektor und die Realwirtschaft gegenseitig ausspielen, dann leidet die Glaubwürdigkeit und die Bevölkerung verliert das Vertrauen in die Wirtschaft.
Es ist vordringlich, das Vertrauen der Bevölkerung wieder zu gewinnen und das Zusammenspiel von politischer und wirtschaftlicher Stabilität wieder zu etablieren. Die Schweiz war immer dann erfolgreich, wenn diese gegenseitige Stabilität gegeben war, wenn Politik und Wirtschaft gemeinsam für Wohlstand und Arbeitsplätze eingestanden sind.

Denken Sie beispielsweise an die bilateralen Verträge mit der Europäischen Union.

Die Wirtschaft hat mit einer Stimme diese für die Schweiz vitalen Verträge unterstützt. Und der Souverän ist gefolgt und hat den bilateralen Weg an der Urne mehrmals eindrücklich bestätigt.
Dennoch werden die Personenfreizügigkeit und damit die gesamten bilateralen Verträge weiterhin in Frage gestellt. Es braucht also weiterhin eine gemeinsame Anstrengung von Politik und Wirtschaft, die erfolgreiche Europapolitik weiterzuführen.

Politik und Wirtschaft haben verschiedene Rollen, aber eine gemeinsame Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.
Die verschiedenen Branchen der Wirtschaft mögen unterschiedliche Prioritäten haben, aber letztlich haben alle ein gemeinsames Interesse an einem starken Wirtschaftsstandort Schweiz; und alle teilen die fundamentalen Werte der Schweiz.

Die Finanzbranche braucht die Industrie und sollte ihre Bindungen zu ihr nicht vernachlässigen. Umgekehrt hat der Werkplatz ein vitales Interesse an einem starken Finanzplatz Schweiz.

In einer Phase, in der die Schweiz grossem Druck aus dem Ausland ausgesetzt ist und sich immer neue Fronten auftun, können wir es uns nicht erlauben, in strategischen Fragen uneinig zu sein.

Begreifen wir uns also in dieser Situation als eine Fussballmannschaft in der Champions League, die gemeinsam in der für einen konkurrenzfähigen Finanz- und Werkplatz kämpft.

Eine starke Fussballmannschaft zeichnet sich dadurch aus, dass jeder Einzelne für den Anderen kämpft und allfällige Fehler seines Mitspielers ausbügelt.

Gegenseitige Kritik bringt nichts und schadet der Equipe. Als Mannschaft gewinnt oder verliert man gemeinsam. Trotz aller politischer und sonstiger Unterschiede gilt das auch für das Land. Wir schreiten entweder gemeinsam voran und gewinnen oder wir bleiben stehen und verlieren.

Die U17 Fussballnationalmannschaft hat uns vorgemacht, was man mit Willen und Teamgeist alles erreichen kann.

Diese fantastische multikulturelle Equipe hat im letzten November völlig überraschend den Weltmeistertitel geholt.

Notabene der erste Weltmeistertitel für den Schweizer Fussballverband in seiner 114jährigen Geschichte.

Miteinander in der Sozialpolitik

Ein Miteinander von Politik und Wirtschaft braucht es auch in der Sozialpolitik.

Den Sozialversicherungen kommt hierbei eine wichtige Rolle als Zement unserer Gesellschaft zu. Die Sozialversicherungen werden zu einem wesentlichen Teil von der Wirtschaft finanziert. Die neuen Produkte, die hier an der MUBA präsentiert werden, tragen sozusagen zur künftigen Finanzierung der Sozialwerke bei. Neue Produkte, neue Arbeitsplätze und das dadurch ausgelöste Wachstum sind die Basis der sozialen Sicherheit. Diese Binsenwahrheit, dass die soziale Sicherheit im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet werden muss, wird leider allzu oft vergessen.

Eine weitere Binsenwahrheit ist, dass wir alle älter werden. Unsere Gesellschaft entwickelt sich von einer Drei-Generationen- zu einer Vier-Generationen-Gesellschaft.

Diese an und für sich erfreuliche Tatsache zwingt uns, unsere Sozialwerke zu reformieren. Ein Verharren im Status Quo wäre mit Unsicherheit und Stabilitätsverlust verbunden. Nichtstun ist keine Option und wäre schlicht und einfach verantwortungslos.

Darum setzte ich mich für ein Ja am 7. März für sichere Renten ein; obwohl es landauf und landab heisst, dass diese Abstimmung verloren sei.

Ohne Kampfgeist und ohne Glauben gewinnt man weder im Fussball noch in der Politik einen Blumentopf! Ich fordere Sie deshalb auf, sich für eine sichere 2. Säule einzusetzen.

Denn wir haben bei der IV gesehen, was passiert, wenn man zu lange zuwartet und nicht handelt: Eine Verschuldung, die zu Beginn kaum wahrgenommen wird, wächst zu einem milliardenschweren Schuldenberg, dessen Beseitigung mühsam und langwierig ist.

Aber nicht nur in der zweiten Säule, sondern auch bei der ersten Säule gilt es voranzuschreiten. Hier steht nach der 11. AHV-Revision, die derzeit noch im Parlament hängig ist, bereits die 12. Revision auf der Traktandenliste.

Bei dieser Revision geht es darum, die AHV nachhaltig zu sichern. Das kann dadurch erreicht werden, dass eine Nachhaltigkeitsregel eingeführt wird, welche die demografischen und wirtschaftlichen Realitäten berücksichtigt.

Das Ziel ist es, Generationengerechtigkeit herzustellen, so dass auch unsere Kinder und Kindeskinder noch in den Genuss einer Altersvorsorge kommen, die diesen Namen verdient.

Es wäre den künftigen Generationen gegenüber unverantwortlich, ständig neue Schulden anzuhäufen und damit deren Handlungsfreiheit einzuschränken.

Ohne Verantwortung heute, gibt es keine Freiheit morgen. Ich möchte, dass die Altersversicherungen wie das Basler Fastnachtskomitee einmal ihr 100jähriges Jubiläum feiern können.

Damit das möglich wird, braucht es eine echte Solidarität zwischen den Generationen und eine Absage an die Haltung „nach mir die Sinnflut“ oder in diesem Fall „mir die Rente, meinen Kindern und Kindeskindern die Schulden“.

Innovation als Wachstumsmotor

Meine Damen und Herren

Eine Mustermesse ist ein Ort, an welchem die Resultate von Innovationsprozessen präsentiert werden. An den Ständen der MUBA wird Innovation in Form von verkaufsfertigen Produkten sichtbar und fassbar gemacht.

Diese eindrückliche Leistungsshow ist gewissermassen das Gegenteil der eingangs erwähnten Immobilität.

Die Produkte, die hier gezeigt werden, verkörpern den Drang zur Verbesserung und sind das Resultat von Kreativität und Mut.

Die Schweiz ist ein international führender Forschungs- und Innovationsstandort. Die entscheidende Frage ist deshalb nicht, wie erreichen wir die Spitze, sondern wie bleiben wir dort.

Erstens müssen wir dem guten Forschungs- und Innovationsklima in der Schweiz Sorge tragen und dieses weiter verbessern.
Dazu gehört beispielsweise, dass die Forschungsneugier bei Jugendlichen besser geweckt und im Rahmen der Ausbildung aufgewertet wird. Die MUBA-Sonderschau „tunBasel“, die das Interesse der Jugendlichen für Technik und Naturwissenschaften wecken soll, ist ein wertvolles und nachahmenswertes Projekt!

Zweitens muss die Politik dafür besorgt sein, gute Rahmenbedingungen für Innovationen zu setzen.

Hierzu gehört ein effizientes Immaterialgüterrecht, welches das geistige Eigentum schützt und Innovation belohnt. Der Staat muss überdies auch Freiraum schaffen für innovative Ideen. Das bedeutet, dass der Staat so viel reglementiert wie nötig, nicht aber so viel wie möglich.

Der Zufall des politischen Kalenders gibt mir hierzu ein aktuelles Beispiel, nämlich den Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen, über den der Souverän am 7. März befinden wird.

Dieser Artikel bezweckt eine einheitliche und klare Regelung für die Forschung am Menschen. Dabei wird einerseits die Wichtigkeit der Forschung für die Gesundheit der Bevölkerung ausdrücklich anerkannt.

Andererseits setzt der Verfassungsartikel der Forschung aber auch Grenzen und stellt den Schutz der Würde und der Persönlichkeit des Menschen sicher.

Auch hier gilt es zwischen Status Quo und Reform zu entscheiden.

Und auch bei dieser Frage bitte ich Sie im Namen des Bundesrates und im Sinne einer klaren Mehrheit des Parlaments, der Vorlage zuzustimmen und sich für die Reform, für den Fortschritt und für die Sicherheit zu entscheiden.

Sehr geehrte Damen und Herren

An der diesjährigen MUBA gibt es einen Gesundheitsparcours, bei dem man den vom Augencheck bis zur Blutdruckmessung verschiedene Tests machen kann. Die Politik ist ebenfalls mit einem Parcours vergleichbar, bei dem man politische Prüfungen zu bestehen hat.

Die Schweiz hat auch einen schwierigen Parcours vor sich und wir stehen an einer entscheidenden Wegscheide. Wir müssen diesen Parcours bewältigen.

Stehen bleiben oder gar zurücklaufen ist schlicht und einfach keine Option. Um als Land erfolgreich zu sein müssen Politik und Wirtschaft den Parcours gemeinsam bewältigen und sich in dieselbe Richtung bewegen.

Wir eröffnen heute gemeinsam eine interessante und vielversprechende Messe. Wenn wir der nächsten Generation eine erfolgreiche Zukunft eröffnen wollen, dann gilt es sofort, geeinter und zuversichtlicher voranzuschreiten.

Tun wir es unseren jungen Fussballern gleich, welche sich selber und die Schweiz mit Mut und Selbstvertrauen in Weltmeister verwandelt haben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

MUBA OPENING: Eine erfolgreiche Schweiz für die nächsten Generationen