Die Schweiz hat ihren Reiz. Dies wird allein schon von der Vielzahl Touristen, die unser Land jährlich besuchen, bestätigt. Was zieht diese Menschen an? Wie wurden Neugierige in früheren Jahrzehnten auf die Schweiz als Reiseland aufmerksam? Nirgends erhalten wir so facettenreiche Antworten wie im Spiegel von Reiseführern. "Die Schweizerische Nationalbibliothek beherbergt eine grosse Sammlung von Reiseführern über die Schweiz in allen gängigen Weltsprachen und – abgesehen von Afrika – aus allen Kontinenten", sagt Elena Balzardi, Vizedirektorin der NB. Diese Bücher stehen im Zentrum der Ausstellung "Schweizer Reize". Über dreihundert Reiseführer sind auf zwei Routen durch den Ausstellungssaal ausgelegt, die erste durchquert die Schweiz von Westen nach Osten, die zweite von Norden nach Süden.

Die Schweiz in Reiseführern

Im Verlaufe der Jahrzehnte ist ein von vielen Klischees geprägtes Bild der Schweiz entstanden, das von der Tourismusbranche zur Vermarktung immer wieder gern aufgegriffen wird. Eine ganze Reihe von Schweizerischen Orten und Regionen hat sich vollumfänglich auf die Bedürfnisse von Reisenden ausgerichtet. Reiseführer haben in diesem Prozess eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Sie wirken auf den Raum, den sie beschreiben. Auch Tourismus-Plakate bekräftigen diese Bilder der Schweiz, und auf Postkarten dienen sie dem Reisenden als Bestätigung für Daheimgebliebene: "Da bin ich gewesen". 

Praktische "Literatur" 

Reisende wollen kurze, aktuelle und gut strukturierte Informationen, denn meist ist die Reisezeit knapp und will maximal genutzt sein. In der Ausstellung wird die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher aber nicht nur auf deren Inhalt, sondern auch auf die Bücher selber gelenkt. An die Reiseführer werden zweckmässige Ansprüche erhoben: handlich müssen sie sein, leicht, stabil und wetterfest. "Reiseführer sind eine ganz eigene Gattung von 'Literatur', eine Art 'Gebrauchsliteratur', bei der der praktische Nutzen im Vordergrund steht." So der Kurator Beat Gugger.

Historische Reiseratgeber

"Man lasse sich nicht durch das mögliche und bisweilen gefahrlos scheinende Erklimmen eines Felsens verführen, sondern man denke zuvor an die Nothwendigkeit des Herabsteigens." Diesen Tipp entnimmt man dem Reiseführer "Heinrich August Ottokar Reichard's Passagier auf der Reise in Deutschland, der Schweiz, nach Venedig, Amsterdam, Paris und St. Petersburg" aus dem Jahr 1834. Die Schweiz als klassische Tourismusdestination gehört zu den ersten Ländern, die mit Hilfe von Reiseführern besucht werden konnten. Der erste Reiseratgeber über die Schweiz, der sich an Fakten orientierte, stammt vom Deutschen, in Zürich als Arzt tätigen, Johann Gottfried Ebel und erschien 1793. Bevor es diese ersten Reiseführer gab, orientierten sich die Reisenden – dabei handelte es sich damals lediglich um junge Adlige und gebildete Abenteurer – an subjektiv gehaltene Reiseberichte.

Der Schritt zum modernen Reiseführer

Den Schritt zum modernen Reiseführer machte der Engländer John Murray. Seine Reisehandbücher erschienen bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in immer neu überarbeiteten Auflagen. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal wurde die Aktualität der praktischen Informationen wie Transport- und Übernachtungsmöglichkeiten und Hinweise auf Sehenswürdigkeiten. Murrays Reisehandbücher gelten als Vorbild für den Verleger und Autor Carl Baedeker, der die wohl auch heute noch bekannteste Reiseführer-Reihe gründete. 1844 erschien der erste "Baedeker durch die Schweiz". In Frankreich war es der Reifenhersteller Michelin, der ab 1900 mit seinem Hotel- und Reiseführer "Guide Michelin" die Marktlücke füllte. Erstmals 1908, dann erst wieder ab 1994 erschien eine eigenständige, schweizerische Ausgabe der Michelin-Reihe "Guide rouge". Dazwischen wurde die Schweiz meist im Band "Deutschland" besprochen.

Alternativen zum Mainstream

Junge "Traveller" nutzen seit den 1960er Jahren Reiseführer aus dem angelsächsischen Raum wie etwa "Let’s go" oder "Lonely Planet". Diese sollen das individuelle und billige Reisen vereinfachen.

Unter der grossen Auswahl von Reiseführern gibt es auch viele Spezialführer. Sie enthalten zahlreiche Insider-Tipps, die die Suchenden von den grossen Massen anderer Reisender zu verschonen versuchen. So werden abgelegene Grillplätze, lauschige Badestrände, vergessene Wegkreuze, schrille Luxusboutiquen oder ausgefallenen Hotels aufgespürt und empfohlen.

Rahmenveranstaltungen 

Die Ausstellung wird von einer Reihe von Veranstaltungen begleitet. Wie immer orientiert sich das Programm der NB für die Museumsnacht vom 19. März am Ausstellungsthema. "Erlebte Schweiz" heissen zwei weitere Anlässe, an denen am 29. März im stattkino Luzern und am 11. Mai im Kino Kunstmuseum Bern historische Filmausschnitte gezeigt und diskutiert werden. "Was ist ein guter Reiseführer?" Das Gespräch mit Dres Balmer und weiteren Gästen moderiert Christine Hubacher vom Schweizer Radio DRS am 7. April. "Die Schweiz verkaufen" heisst der neue Tagungsband der Gesellschaft für die Erforschung der Deutschschweizer Literatur (GEDL) und des Schweizerischen Literaturarchivs (SLA). Vorgestellt wird er am 19. Mai ebenfalls im Rahmen von "Schweizer Reize".

An vier Sonntagen, nämlich am 28. März, 25. April, 30. Mai und 27. Juni werden Führungen angeboten, die mit einem Sonntagsbrunch im Bistro der NB verbunden werden können.

"Schweizer Reize. Die Schweiz in Reiseführern" wird am 11. März um 18 Uhr in der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern eröffnet. Gastredner ist Claude Reichler, Professor für französische Literatur und Kulturwissenschaft an der Universität Lausanne. Musikalisch wird die Eröffnung begleitet von Christine Lauterburg. Die Ausstellung ist vom 12. März bis zum 27. Juni 2010 zu sehen.

Alle ausgestellten Dokumente stammen aus der reichen Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek. Diese hat den Auftrag alles zu sammeln, was weltweit in der Schweiz und über die Schweiz publiziert wurde und wird.

"Schweizer Reize" in der Nationalbibliothek