Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrter Herr Minister
Sehr geehrte Damen und Herren aus Politik und Wirtschaft

Ich danke Ihnen für die Einladung zum Tag der Wirtschaft. Ich bin froh, dass sich dieser Dialog nicht nur auf den heutigen Tag beschränkt, sondern auch unter dem Jahr sehr gut funktioniert. Das spüre ich in den direkten Kontakten, aber auch bei den Wirtschaftsmissionen im Ausland – jüngst in Indonesien oder in China. Diesen Austausch müssen wir pflegen und ausbauen. Die kurzen Wege, die Zusammenarbeit der Sozialpartner sind ein Standortvorteil. Denn es ist wichtig, dass sich die Politik frühzeitig mit der Wirtschaft abstimmt, dass man Trends und Herausforderungen früh erkennt und handelt.

Es ist wichtig, dass sich Unternehmer auch für politische Fragen sichtbar engagieren. Ganz besonders zähle ich auf Ihren öffentlichen Auftritt in den nächsten Wochen. Überlassen Sie die medialen Plattformen bei der bevorstehenden Abstimmung über die Revision der Arbeitslosenversicherung nicht nur den Gegnern. Treten Sie hörbar auf; auch die kleinen und mittleren Unternehmer in den Regionen. Gute Unternehmer haben eine grosse Glaubwürdigkeit. Erklären sie den Bürgerinnen und Bürgern, was Sie für Lehrlinge, für den Erhalt sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze alles tun.

Meine Damen und Herren, wir wissen es in der Zwischenzeit: Allen Unkenrufen zum Trotz, hat die Schweiz ihre gute Ausgangsposition vor Beginn der Krise halten können. Wir sind weiterhin das wettbewerbsfähigste Land der Welt, das innovativste in Europa, Vizeweltmeister in der Berufsbildung. Wir konnten 2009 die Schuldenquote gemäss Maastricht sogar auf 38,8% senken. Die Arbeitslosenquote ist sechs Monate in Folge gesunken und steht derzeit bei 3,6%. Diese Resultate sind Zeugnis von solider und unaufgeregter Arbeit in Politik und Wirtschaft. Sie stellen jenen Unternehmen ein gutes Zeugnis aus, in denen rasch gehandelt und Strukturen angepasst wurden. Dafür danke ich Ihnen herzlich.

Es gilt nun konsequent den Standort Schweiz weiterzuentwickeln. Neben der Stärkung der Binnen- und Aussenwirtschaft gilt ein Hauptfokus der Innovationskraft unseres Landes. Dazu braucht es in erster Linie gut ausgebildete Mitarbeiter. Wichtig sind daher nicht künstlich hochgeschraubte Maturitäts- oder Hochschulquoten, sondern die Qualität der Ausbildung, die Leistungsfähigkeit. Im Titeldschungel wird es zudem immer schwieriger, das Können, die fachgerechte Einstufung von international ausgebildeten Mitarbeitenden richtig einzuschätzen und vergleichen zu können. Nur schon im EU-Raum verlaufen die diesbezüglichen Gespräche harzig.

Sorge bereitet mir zudem der Fachkräftemangel im naturwissenschaftlichen Bereich. Während etwa China Tausende zu Ingenieuren ausbildet, verschärft sich die Situation in unserem Land. Der Bundesrat hat diese Woche einen Bericht zu den sogenannten MINT-Berufen – Berufen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – verabschiedet. Die Erkenntnis daraus: Wir müssen möglichst früh Kinder für technische Berufe begeistern, Vorurteile abbauen. Das braucht Zeit und Anreize. Auch hier braucht es Ihr Engagement, sonst wird sich dies gerade für die Innovationskraft der Schweiz negativ auswirken. Nur mit überdurchschnittlichen Innovationsleistungen aber werden wir die grossen Herausforderungen der Zukunft bewältigen können – gegen die Verknappung und Verteuerung der natürlichen Ressourcen, im Kampf gegen den Klimawandel oder bei der Bewältigung der demographischen Herausforderungen.

Hier am Rheinknie auf dem Novartis Campus von der Wirtschaft noch mehr Innovation einzufordern, mag Ihnen vorkommen, wie Wasser in den Rhein zu schütten.

Tatsächlich wird hier in der Region Innovation grossgeschrieben – vom Digitaltechnologen über den Bierbrauer bis hin zur Nanowissenschaftlerin.
Tatsächlich ist es gelungen, die staatlichen und privaten Mittel für Forschung und Entwicklung hoch zu halten und auch der Zugang zu Venture Capital war selbst in der Krise gewährleistet.

Und dennoch fordere ich Sie alle heute auf: Tun Sie mehr, suchen Sie ultimative und kreative Lösungen. Denn obwohl der IMF die globalen Wachstumsprognosen für 2010 auf 4,6% angehoben hat und für China bereits wieder mehr als 10% prognostiziert wird, glaube ich (noch) nicht an ein rasantes Wachstum. Wachstum wird in Zukunft weniger mit Masse, dafür mehr mit Klasse generiert. In den aufstrebenden Schwellenländern gibt es viele hungrige, leistungswillige junge Menschen mit Neugier und hoher Lernfähigkeit. Qualität und Verlässlichkeit sind gefragt,

wenn es um die Bewirtschaftung der knapper werdenden Ressourcen geht – etwa der sauberen Wasserbewirtschaftung,
wenn die Reduktion der CO2-Belastung konkret umgesetzt werden soll – etwa mit sparsamen und alternativen Energiemodellen,
wenn intelligente Verkehrslösungen zu realisieren sind oder
wenn es um die Klärung demographischer Fragen geht – Life-Science bis ins hohe Alter auf der einen und Bekämpfung von Unterernährung in Teilen der Welt auf der anderen Seite.

Unsere Zukunft kann daher nicht in der Verwaltung und Anpassung bestehender Patente und Produkte liegen, sondern in höchster Qualität, in Neuentwicklungen, in Exzellenz und Verlässlichkeit. Die Zukunft liegt etwa in den Bereichen Nano-, Clean- oder Medtech.

In der Nanotechnologie, wo laut Schätzungen des Nationalfonds (Quelle: SNF) 2010 ein weltweiter Umsatz von rund 1›000 Mrd. Euro generiert und 2 Mio. Personen eine Beschäftigung finden werden.
Oder im Cleantech-Segment, wo für das Jahr 2020 ein Marktvolumen von 2‘215 Milliarden Euro prognostiziert wird – Ende der 80er-Jahre starteten wir mit der „Spirit of Bienne“ und jetzt mit dem „X-Tracer“ eines Winterthurer Teams , einem strassenverkehrstauglicher Zweiplätzer mit einem Benzinverbrauch von etwa 1,2 Liter auf 100km.
Oder für die Schweizer Medtech-Branche.

Mit etwas Sorge stelle ich jetzt aber fest, dass die guten Jahre die Innovationslust offenbar gedämpft haben. Im MedTech-Bereich setzt man gemäss einer Studie mehr auf Bewahrung des Status quo, statt auf Entwicklung neuer Produkte und neuer Märkte. Im CleanTech-Bereich hat die Schweiz in fast allen Bereichen  seit Mitte der 90er-Jahre im Welthandel und bei den Patentanmeldungen an Boden verloren. Trotz weltweiten Spitzenleistungen etwa in der Forschung bei Farbstoff-Solarzellen  findet die Massenproduktion von Solarzellen heute im Ausland statt, z.B. in Deutschland oder in China. Hier müssen und hier können wir mehr tun!

Wer heute bei Investitionen in Forschung und Entwicklung bremst und stattdessen die Rentabilität in den Vordergrund schiebt, der handelt kurzsichtig und wird in einigen Jahren in einer Innovationslücke stecken. Wir können weltweit nur mithalten, wenn wir die besten, die aussergewöhnlichsten Lösungen präsentieren und unkonventionelle Wege in der Erschliessung neuer Märkte beschreiten.

Bildung, Forschung und Innovation müssen weiterhin Grundlage und Motor für eine herausragende Leistung des Standortes Schweiz sein. Dies erreichen wir, indem die Kräfte von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammen spannen, wie ich es mit der Cleantech-Initiative des Bundes plane. Mit den neuen Exportplattformen CleanTech Switzerland, MedTech Switzerland und Ingenious Switzerland werden wir Sie bei der Eroberung neuer Märkte unterstützen.Mit Exportplattformen können unter der Marke Schweiz die Interessen mit der Absicht gebündelt werden, im Zielland die grösste Wirkung zu erzielen. Wir sollten nicht alles dem Zufall überlassen.

Analog zur Wirtschaft gilt es auch in der Politik mit innovativen Ansätzen die Zukunft zu gestalten. Die Zeiten des departementalen und sektoriellen Denkens sind vorbei. Auch Politiker und Verwaltungsangestellte müssen enger, koordinierter, strategischer und mit globaler Sicht denken und entscheiden. Das mag den einen einfacher gelingen als den anderen. Daher will der Bundesrat die Regierungsreform noch im bestehenden Gremium auf die Reise schicken.

Neue Ansätze braucht es auch in unserem Verhältnis zu Europa. Zwar ist die Weiterführung des bilateralen Weges für uns prioritär. Aber die EU stellt neue Forderungen. Um ein „level playing field“ für Wirtschaftsteilnehmer zu erreichen, will die EU einheitliche rechtliche Bedingungen zwischen den Vertragsparteien.Dies sei – so Brüssel – der Preis, um an einem Binnenmarkt von 500 Millionen Menschen teilnehmen zu dürfen. Für uns als souveräner Staat geht das zu weit.

Wir wollen, dass die Souveränität beider Parteien und das gute Funktionieren der Institutionen gewährleistet bleiben.
Wir wollen, dass die Entscheidverfahren in der Schweiz eingehalten werden.
Wir wollen keine automatische Übernahme des „acquis“ und der neuen Rechtsentwicklungen.

Auf der gemeinsamen Suche nach institutionellen Lösungen dürfte es sich auch hier lohnen, bekannte Denkmuster über Bord zu werfen. Es sind verschiedene Szenarien zu prüfen; das soll jetzt eine Arbeitsgruppe möglichst offen angehen. Einen Strategiewechsel braucht es trotz dem Powerplay aus Brüssel nicht. Und die Aufgabe der Maastricht-Kriterien stärkt das Vertrauen nicht unbedingt. Dennoch schlage ich Wachsamkeit und Offenheit vor, um eine Lösungen zu finden.
Ideologien bringen uns nicht weiter

Meine Damen und Herren, Innovation ist ein wertschöpfender Prozess. Innovation – egal ob in Politik oder Wirtschaft – führt zu einem Mehrwert, wenn wir die Menschen überzeugen können – Sie die Kundinnen und Kunden, wir die Bürgerinnen und Bürger. Das setzt einen offenen Geist im Unternehmen, bei den Kunden, in der Politik aber auch in der Gesellschaft voraus.

Wir stagnieren, wenn in Politik und Wirtschaft jeder in eine andere Richtung blickt.
Wir bleiben stehen, wenn wir keine kreativen Freiräume zulassen und fördern.
Wir riskieren Unzufriedenheit, wenn die Menschen den Nutzen des Fortschrittes anzweifeln.
Wir sind blockiert, wenn sich die Parteien nur noch um Wähleranteile kümmern.

Nur jene Gesellschaften kommen voran, die vorurteilslos, neugierig und kreativ unkonventionelle Wege gehen. Nur jene Gesellschaften sind erfolgreich, die handeln, umsetzen und nicht alles zerreden und reglementieren. Die Schweiz hat alles, was es braucht, um auch morgen zu diesen Gesellschaften zu gehören.

Helfen Sie mit, den Spirit zu Neuem zu entfachen und die Menschen in diesem Land  für Neues zu begeistern.

Es gilt das gesprochene Wort !

Mehr Innovation in Wirtschaft UND Politik !