Sehr geehrter Herr Bundespräsident
Sehr geehrte Frau Wulff
Sehr geehrte Herren Abgeordnete des deutschen Bundestages
Sehr geehrte Mitglieder der Schweizerischen Landesregierung
Exzellenzen
Sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich, Sie heute hier im Parlament der Eidgenössischen Räte begrüssen zu dürfen. Ich gratulieren Ihnen hiermit noch einmal ganz herzlich zu Ihrer Wahl und bedanke mich bei Ihnen, dass Sie mit diesem ersten Staatsbesuch nach Ihrem Amtsantritt die Schweiz beehren. Es ist wichtig, dass Deutschland und die Schweiz einen engen Kontakt pflegen und das Gespräch, den Austausch führen. Denn unsere beiden Staaten verbindet eine lange Freundschaft, die es auch möglich macht, anstehende Fragen in diesem gutnachbarschaftlichen Geist anzupacken. Es sind die engen menschlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen, die solches möglich machen.

Deutschland hat in der jüngsten Vergangenheit viel zum Weltfrieden beigetragen. Am 3. Oktober 1990 wurde mit der Wiedervereinigung ein Friedensprozess eingeleitet. Ein Schlüsselereignis zur Überwindung der Spaltung Europas mit globalen Auswirkungen im positivsten Sinn. In wenigen Wochen feiern wir – auch die Schweiz feiert im Geiste mit – das 20jährige Jubiläum dieses historischen Tages. Der deutschen Regierung und der deutschen Bevölkerung danke ich für diese grossen Leistungen, die sie für den europäischen Kontinent erbracht haben.

Sie sehen, wir teilen gleiche Werte wie Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit. Wie Deutschland, das seit Ludwig Erhard einer sozialen Marktwirtschaft nachlebt, folgen auch wir diesem Ideal. Darauf bauen unsere Sozialwerke auf, unser föderalistischer Finanzausgleich und unser Verständnis von Bildung und Forschung – immer mit dem Ziel vor Augen, allen Menschen eine Teilhabe am volkswirtschaftlichen Erfolg des Landes zu ermöglichen. Beide sind wir der Ansicht, dass die soziale Marktwirtschaft – auch nach der Finanz- und Wirtschaftskrise – ein Erfolgsmodell für unsere Staaten und unsere Gesellschaft bleibt. Beide sind wir schliesslich der Überzeugung, dass auch der Markt Regeln nötig hat; Regeln angewendet und kontrolliert werden müssen.

Gemeinsam bauen wir auf einer stabilen Basis von Bildung und Wissen auf. Deutschland feiert heuer das 100jährige Gedenken an Robert Koch; an einen bedeutenden Bakteriologen. Johannes Gutenberg haben wir es zu verdanken, dass der Zugang zu Wissen und Bildung allen offen gemacht und damit demokratisiert wurde. Albert Einstein teilen wir uns – in Aarau, in meinem Heimatkanton, hat er die Matura nachgeholt, in Bern hat er am Patentamt gearbeitet.Damit es auch in Zukunft Menschen von diesem Format gibt, brauchen wir eine gute, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, mehr technikbegeisterte junge Menschen, verstärkte Investitionen in Bildung und Forschung. Deutschland und die Schweiz kooperieren heute schon in Wissenschaft und Technologie auf hohem Niveau. Ein grenzüberschreitender Ideen-Austausch beschleunigt den Innovations-Prozess und die ständige Rückkoppelung zwischen den unterschiedlichsten Fachgebieten oder zwischen Herstellern und Nutzern innovativer Produkte führt zu besseren Ergebnissen.

Darüber hinaus müssen wir auch die Bürgerinnen und Bürger überzeugen, dass wir mit Wissenschaft und Technologie einen wichtigen Beitrag zur Lösung der globalen Herausforderungen leisten können. Wir müssen die Folgen unseres Handelns sichtbar machen. Gerne nutze ich daher auch die Gelegenheit, Ihnen während Ihrem Besuch einerseits die Folgen der globalen Erwärmung am Beispiel der schmelzenden Gletscher zeigen zu können. Anderseits bin ich stolz, Ihnen in der Person von Professor Michael Grätzel einen Landsmann vorstellen zu können, der bei uns einen bahnbrechenden Ansatz zur Produktion von alternativer, sauberer Energie gefunden hat.

Dies zeigt: Wenn wir uns gegenseitig austauschen, können wir etwas bewegen. Ratings zeigen, dass die Schweiz nicht nur die kleine Schwester Deutschlands ist. Wir können auf Augenhöhe mitdiskutieren. Deutschland hatte mit Daimler Benz oder Zeppelin grosse Innovationsleistungen im Verkehrsbereich erbracht. Die Schweiz erbringt heute grosse Leistungen in der europäischen Verkehrsinfrastruktur. Dank dem neuen Eisenbahntunnel durch den Gotthard, der voraussichtlich in sieben Jahren in Betrieb gehen wird, werden die Reisezeiten zwischen Palermo und Hamburg kürzer werden und durch die Verlagerung wird erst noch weniger CO2-Ausstoss ausgestossen.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, dies alles lässt für mich nur einen Schluss zu: Wenn wir uns zusammentun, haben wir der Welt viel zu bieten. Die grossen Errungenschaften Deutschlands und der Schweiz in der Wissenschaft, in der Bildung – unter anderem in der Berufsbildung – oder in der Ingenieurskunst können der Welt bei der Bewältigung der Zukunft von grossem Nutzen sein. Exportieren wir also nicht nur Güter und Dienstleistungen. Exportieren wir unser Wissen zum Wohl der Menschen. Gemeinsam können wir uns für starke Institutionen, Demokratien und ein verbindliches Regelwerk einsetzen, das allen dient.

Ich danke Ihnen Herr Präsident, dass Sie gemeinsam mit uns versuchen, aus dieser Welt einen besseren Platz zu machen.

Es gilt das gesprochene Wort !

Staatsbesuch von Herrn Bundespräsident Christian Wulff