Es gilt das gesprochene Wort!

Die Gemeindepräsidenten als Scharnier

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten,

Sie stehen als Gemeindepräsidenten ja im Pulverdampf des politischen Geschehens und oft sind Sie vielleicht Ventil oder Blitzableiter bei politischem Ärger; andererseits aber sind Sie auch Dreh- und Angelpunkt für alles, was sich in der Gemeinde bewegt.

Und vor allem sind Sie das wichtige Scharnier zwischen Bürger und Staatsorganisation. Dem Vertrauen in Leute wie Sie ist es zu verdanken, dass sich Bürger und Staat in der Schweiz weniger fremd sind als andernorts, wo die Entfremdung so weit geht, dass die Differenzen nur noch auf der Strasse ausgetragen werden, wie etwa in Frankreich oder in Stuttgart.

Sie sind die erste Stufe der Organisation, die der Bürger als Staat wahrnimmt. So kommt Ihnen automatisch auch die Rolle einer Anlaufstelle oder einer Ombudsperson zu. Dass in der Schweiz diese wichtige Scharnierfunktion traditionellerweise eine Milizfunktion ist, ist kein Zufall.

Denn die Schweiz ist ein Land, das von unten gewachsen ist und nicht von oben konstruiert wurde. Im ganzen Staatsaufbau ist alles darauf angelegt, ein Unten und ein Oben möglichst zu verhindern. Die Macht ist in der Schweiz überall bewusst gebrochen, alles ist übersichtlich, kleinräumig organisiert und die Hierarchien sind flach. Ziel ist immer, den Staat so nahe bei den Leuten zu organisieren, wie irgend möglich. Das haben wir mit drei Prinzipien erreicht:

• Föderalismus
• Direkte Demokratie
• Milizprinzip

Miliz bleibt zeitgemäss

Jetzt reden wir heute über Miliz oder Profi, also eines der drei Prinzipien der Bürgernähe.

Auf den ersten Blick hat man oft den Eindruck, die Miliz sei vielleicht nicht mehr ganz so zeitgemäss: Die gesellschaftliche und technologische Entwicklung ist rasant, alles wird schneller, alles wird komplexer. Kann man sich da einfach so nebenbei mit der Sache befassen? Muss da nicht ein Profi her, der nichts anderes macht und ein Experte ist?

Ich bin mit einem anderen Aspekt dieser Diskussion fast täglich beschäftigt. In der Armee stellt sich diese Frage ja auch: Sie stellt sich für einzelne Chargen, Aufgaben und Aufträge, sie stellt sich bei der Höhe des Anteils der Durchdiener, sie stellt sich, wenn ich mir die berufliche Zusammensetzung der Generalstabskurse anschaue … Oder wenn wir uns bei gewissen Waffensystemen fragen, ob diese überhaupt noch miliztauglich seien.
Und ähnliche Fragen stellen sich auch in der Politik: Kann sich im immer dichteren Regeldickicht überhaupt noch jemand zurechtfinden ausser ein Verwaltungsjurist mit langjähriger Erfahrung?

Ich vergleiche das mit dem Sport: Brauchen wir einen professionellen Spitzenathleten oder einen gut trainierten Allrounder? Das ist bei jeder Aufgabe zu prüfen: Absolute Spitzenleistungen kann wahrscheinlich nur der Profi bringen, der sich über Jahre auf ein Gebiet spezialisiert; er hat wahrscheinlich die höchste Fachkompetenz.

Bei der Miliz haben wir dagegen einen grossen, vielseitigen Erfahrungsschatz und einen weiten Horizont. Man darf sie auf keinen Fall unterschätzen: Natürlich werden Gesellschaft und Wirtschaft immer schnelllebiger und komplexer, aber gerade die Miliz bringt uns ja Leute aus der Mitte des Lebens in staatliche Funkionen. Wer bereit ist, eine Milizfunktion in einer Gemeinde zu übernehmen, der hat in aller Regel auch beruflich bewiesen, dass sie oder er mit dieser immer schnelleren und schwierigeren Welt erfolgreich umgehen kann.

Profis mit Milizlerherz

Trotzdem gibt es Situationen, da das Pensum der Miliz nicht ausreicht. Da brauchen wir Profis – aber Profis, die im Herzen Milizler sind. Im Militär arbeiten die Profis eng mit der Miliz zusammen und leisten in der Regel ebenso ihre normalen WK in einer Formation wie alle andern auch.

Auch für Gemeindepräsidenten, die teilzeitlich oder vollständig das Amt als Beruf haben, ist es wichtig, dass sie dem „Wesen nach“ Milizler sind. Das heisst: Dass sie sich als Teil einer politisch engagierten Bürgerschaft und nicht als Teil einer Verwaltungselite verstehen.

Der Profi mit Milizlerherz hat ein offenes Ohr für Anliegen und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. Er steht damit in der Tradition verdienter und beliebter Stapis, Stadtväter oder Stadtmütter, mit denen sich die Leute identifizieren können. Ob Profi oder Milizler, wir wollen als Bürger eine Gewährsperson, von der wir uns nicht von oben herab verwaltet fühlen, sondern in der wir einen Fürsprecher unserer Interessen haben.

Dazu gehört auch, die gesunde obrigkeitskritische Haltung der Bürgerschaft beizubehalten und nicht eine reine Verwaltungssicht zu übernehmen – nur so spielen Sie weiterhin die wichtige Scharnierfunktion zwischen Bürger und Staat. Und nur so helfen Sie, den Staat möglichst nahe bei den Bürgern zu halten.

Der Miliz die Steine aus dem Weg räumen

Im Militär habe ich die Weichen klar zugunsten der Miliz gestellt: Unsere sehr begrenzten Mittel setzen wir dort ein, wo es der Miliz zugutekommt. Ein Schwergewicht bei unseren Sanierungsarbeiten bilden wir bei der Logistik, damit in den Schulen und Kursen das richtige Material in genügendem Umfang und in guter Qualität zur Verfügung steht. Auch der TTE-Entscheid war eine Weichenstellung zugunsten der Miliz, die bei der Ausrüstung erste Priorität haben muss.

Wir schaffen so die Bedingungen, unter welchen die Miliz sich entfalten kann. Punktuell ergänzen wird die Miliz mit Profis, welche Aufgaben übernehmen, die ein absolutes Fachwissen voraussetzen.

Ich bin der Meinung, in der Politik gehe es um das genau Gleiche: Es geht ebenfalls darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die für die Miliz günstig sind. Dazu gehört allenfalls ein professionelles Umfeld mit hoher Fachkompetenz, worauf ein Gemeindepräsident zurückgreifen kann. Ein Gemeindepräsident soll sich in den Stunden, die er der Gemeinde zur Verfügung stellt, auf das Wesentliche konzentrieren können.

Wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren der Miliz ist deshalb ein schlanker Staat mit möglichst geringer Regelungsdichte; und dort wo Vorschriften erlassen werden, sollen diese klar und verständlich sein und nicht nur für Juristen interpretierbar. Kurz: Je verworrener und byzantinischer der Verwaltungsdschungel, desto mehr erstickt darin Initiative und Kompetenz der Miliz.

Den Staat möglichst nahe bei den Leuten behalten