Sehr geehrte Damen und Herren

Es freut mich als ehemaliger Unternehmer besonders, heute zu Ihnen zu sprechen. Es ist noch nicht so lange her, da war ich einer von Ihnen. Nun bin ich Wirtschaftsminister und kann Ihnen offen sagen, meine Welt hat sich in kurzer Zeit stark verändert. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten: Die wichtigste ist die, dass wir zusammen alles daran setzen, um zu neuen Erfolgen zu schreiten. Sie als Unternehmerin oder Unternehmer, indem sie Ihre Firma vorwärtsbringen und Arbeitsplätze sichern. Ich, indem ich das Land und den Werkplatz Schweiz und innerhalb der Zollunion auch Liechtenstein weiterbringen will, mit möglichst guten Rahmenbedingungen. Damit wir allen eine nachhaltige Perspektive bieten können.

In welcher Situation befinden wir uns? Meine Experten haben jüngst die Konjunkturprognosen leicht heraufgesetzt. Das ist erfreulich und zeigt, dass die Schweiz und eine Reihe anderer Länder in der nördlichen Hälfte Europas die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 nun weitgehend hinter sich gelassen haben. Diese Einschätzung trifft auch auf Liechtenstein zu.

Gleichzeitig sind jedoch gewisse Risiken einer schlechteren Entwicklung gestiegen. Ein grosses Problem ist nach wie vor die Situation der öffentlichen Haushalte in vielen Ländern Europas. Als gesamtwirtschaftliches Risiko bleibt auch die Lage in der arabischen Welt. Und wir führen uns die Tragödie in Japan vor Augen. Ich höre von hiesigen Unternehmen, dass sie ihre Zulieferkette anpassen müssen. Ausgezeichnet funktionierende Versorgungsketten sind ebenfalls eine Voraussetzung für neue Erfolge.

Das wirtschaftliche Umfeld bleibt herausfordernd. Unternehmen dies- und jenseits des Hochrheins spüren dies derzeit ganz besonders durch den starken Franken; das Fürstentum bildet mit der Schweiz eine Währungsunion und ist gleichermassen betroffen. Der starke Franken frisst Ihnen die Marge weg. Sie kämpfen jeden Tag darum, Know-how und Arbeitsplätze zu erhalten. Das verdient Respekt und Dank.

Ich verfolge die Wechselkursproblematik mit grösster Aufmerksamkeit und auch Sorge. Der Bundesrat hat Mitte Februar rasch wirkende Massnahmen beschlossen, welche die Folgen des starken Frankens abfedern sollen. Es sind zurückhaltende Schritte. Denn wenn ich eines in meinem neuen Amt gelernt habe, dann dies: Die Möglichkeiten von Bundesbern sind sehr beschränkt, hier einzugreifen. Die von Bundesrat und Parlament verantwortete Wirtschafts- und Finanzpolitik der Schweiz verzichtet auf interventionistische und marktverzerrende Massnahmen. Vielmehr ist die Politik der Schweiz im Kern darauf ausgerichtet, die Unternehmen durch generell günstige Rahmenbedingungen zu unterstützen. Gerade ein aktueller Vergleich der wirtschaftlichen Situation mit anderen Ländern zeigt den Erfolg dieser Politik klar auf.

Das bedeutet für Sie: Machen Sie aus der Not eine Tugend. Der starke Franken ist für uns zusätzlicher Anreiz, noch innovativer zu werden. Auch die Politik ist gefordert: Meinerseits setze ich mich dafür ein, die Rahmenbedingungen für die Unternehmen durch die eingeschlagene Wachstumspolitik kontinuierlich und konsequent zu verbessern. Einen besonderen Schwerpunkt lege ich auf die Bildung. Und ergänzend kommt die Standortförderung hinzu. Optimale Rahmenbedingungen und innovative Unternehmen sind das „Mecano" zum Erfolg. Ich möchte heute auf drei Bereiche besonders eingehen, durch die wir neue Erfolge erzielen:

Innovation und Bildung
Liberalisierung des Handels
Standortförderung als Ergänzung

Zum ersten Punkt, meine Damen und Herren: Die Innovation ist ein Schlüsselelement. Unter Innovation verstehe ich nicht einfach eine neue Technologie oder eine Aktivität in der F&E. Vielmehr bezieht sich Innovation auf Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Kooperationen. Sie muss alle Ebenen eines Unternehmens durchdringen. Es handelt sich um eine Geisteshaltung, eine Kultur. Am Anfang einer Innovation steht eine neue Idee. Sie wird realisiert und umgesetzt. Und sie muss sich am Markt bewähren. Kurz gesagt, müssen Sie den Geistesblitz zu Geld machen. Das braucht die nötigen Kräfte, den nötigen Raum und die nötige Zeit. Man muss in Innovationen investieren.

Besonders am Herzen liegt mir deshalb bei den getroffenen Massnahmen zur Abfederung der Frankenstärke, dass die Förderagentur des Bundes für Innovation, die KTI, zusätzliche Mittel erhält. Insgesamt sollen im laufenden und im nächsten Jahr je 10 Millionen Franken mehr für F&E-Projekte zur Verfügung stehen. Begleitet wird dies durch einen „Innovationsvoucher": Der „Gutschein" soll im Rahmen eines Pilotprojekts weitere KMU motivieren, in KTI-geförderte innovative Forschungsprojekte mit Hochschulen einzusteigen. Lassen Sie mich die Zusammenarbeit zwischen KTI, Industrie und Fachhochschulen anhand von zwei Beispielen aus der Region illustrieren:

Die Firmen Varioprint und Metrohm kooperieren mit der Hochschule für Technik Buchs (NTB) im Bereich Sensortechnik. Durch die Ergänzung des Projektteams mit dem Hochschulpartner NTB soll das Vorhaben breiter abgestützt werden, um das technologische Risiko zu verkleinern und schnellere Entwicklungsfortschritte zu erzielen. Die Kooperation zwischen den drei Akteuren vereint die hierzu notwendigen Kompetenzen: Die eines renommierten Unternehmens auf dem Gebiet der chemischen Analytik (Metrohm) mit der Innovationskraft eines Technologieanbieters im Bereich optischer Leiterplatten (Varioprint) und dem Knowhow in Wellenleiterdesign, optischer Simulationstechnik und optischem Packaging (NTB).
Die Hilti AG arbeitet mit der Berner Fachhochschule Technik und Informatik in Biel an einem Projekt im Bereich Rotationsschweissen zusammen. Die beiden Partner entwickeln damit eine neue Befestigungstechnologie für Anwendungen in Betonuntergründen. Verschiedene herkömmliche Befestigungssysteme sollen dadurch verbessert oder auch ersetzt werden können.

Die Erhöhung der KTI-Mittel ist ein wichtiger Impuls. Die Mittel für Innovationen müssen aber weiterhin in den Firmen verdient werden. Denn wir machen keine Industriepolitik! Ich habe mich als Unternehmer dagegen ausgesprochen und auch der Bundesrat Schneider-Ammann gibt Ihnen kein Geld. Der Ball liegt bei Ihnen.

Wenn wir von Innovation sprechen, lassen Sie mich eine Bemerkung zu Japan machen. Das schreckliche Ereignis hat auch bei uns eine Neubeurteilung der künftigen Energieversorgung ausgelöst. Gleichzeitig generiert es einen weiteren Innovationsschub für Technologien im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

Auch wenn ich generell den Prozess hin zu neuen Technologien betrachte, sind wir auf gutem Weg. Dies zeigt ein Blick auf das Innovation Union Scoreboard (IUS) 2010, wo die Schweiz erneut die Spitzengruppe der Innovationsnationen Europas anführt. Im Vergleich zu den führenden europäischen Wirtschaftsstandorten weist die schweizerische Innovationsleistung ein überdurchschnittliches Wachstum von mehr als 4 Prozent auf. Wenn das Fürstentum separat erhoben würde, würde es möglicherweise die Schweiz noch toppen. Denn Liechtenstein hat immer noch einen sehr bedeutenden, innovativen Industriesektor. Es ist auch ein sehr kompetitiver Industriesektor mit globaler Orientierung.

Wir stehen also in Sachen Innovation und Forschung sehr gut da und müssen uns anstrengen, dass es so bleibt. Gleiches gilt für die Bildung, die untrennbar damit verbunden ist: Damit Innovationen entstehen können, braucht es genügend top ausgebildete Fachleute.

Die Schweiz soll eine Talentschmiede bleiben. Gut ausgebildete Fachkräfte sind die Basis für einen starken Werkplatz Schweiz. Gut ausgebildete Menschen auf allen Stufen der Bildungspyramide sind unser einziger Rohstoff. Dank dem dualen Berufsbildungssystem verfügen wir über Ausbildungen mit einem hohen Praxisbezug. Der Bereich Bildung, Forschung und Innovation hat für mich höchste Priorität.

Ich komme zum zweiten Punkt, der Handelsliberalisierung. Nur in der Innovation erfolgreich zu sein, reicht nicht. Es besteht die Gefahr, dass man in Märkten gefangen wird, wo die Nachfrage zwar kaum auf den Preis reagiert, das Marktvolumen aber nur schleppend wächst.

Für die innovativen Produkte ist deshalb der Zugang zu den besonders rasch wachsenden Märkten zu sichern. Diese liegen heute ausserhalb des Kreises der alten Industrienationen, unter denen die Handelsliberalisierung schon weit fortgeschritten ist.

Das Fürstentum Liechtenstein bildet mit der Schweiz bekanntlich nicht nur eine Währungsunion, sondern auch eine Zollunion. Beim Güteraustausch mit Europa sind die Verhältnisse etwas speziell wegen des EWR, wo Liechtenstein Mitglied ist im Gegensatz zur Schweiz. Anders sieht es bei Abkommen mit Staaten auf andern Kontinenten aus. Wir, Liechtensteiner und Schweizer, verfolgen innerhalb der EFTA die gleichen Ziele: Wir wollen keine Märkte, wo unsere Unternehmen diskriminiert werden. Wir wollen die Öffnung dieser Märkte. Und wir wollen soweit möglich vor unseren Konkurrenten diese Vorteile für unsere Unternehmen erreichen.

Ich setze mich dafür ein, dass sich das Netz der Präferenzabkommen laufend erweitert, die wir mit bedeutenden und dynamischen Volkswirtschaften ausserhalb der traditionellen Industrieländer abschliessen. Im Rahmen der EFTA betrifft dies insbesondere Freihandelsabkommen mit Indien, Indonesien und der Zollunion Russland/Weissrussland/Kasachstan, welche ich vorantreiben will. Im Bereich des Warenverkehrs profitiert Liechtenstein durch die Zollunion auch von einem von der Schweiz angestrebten bilateralen Freihandelsabkommen mit China. Daneben ist es mir wichtig, das internationale Regelwerk für den weltweiten Handel in Form der WTO zu stärken.

Die aussenwirtschaftspolitische Strategie der Schweiz hat aber noch zwei weitere Pfeiler:

Wir stellen erstens die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit ganz in die Dienste der Marktstabilisierung und damit Investitionsbefähigung.
Und zweitens wollen wir auch den Import liberalisieren.

Die Frankenstärke zeigt, dass in der Importliberalisierung ein Wohlstandspotenzial liegt. Wir müssen uns fragen: Bei wem bliebt der Aufwertungsgewinn? Beim ausländischen Händler und Hersteller oder beim schweizerischen Abnehmer? Bei diesem kann es sich auch um ein Handelsgeschäft im Grenzraum handeln, wie hier im oberen Rheintal, wo die Kunden es einfach haben, im nahen Vorarlberg einzukaufen. Meine Aufgabe ist es, die Importhemmnisse, die vom Staat ausgehen, auf ein Minimum hinunterzubringen.

Ich komme zum dritten Teil meiner Ausführungen, der Standortförderung: Sie begleitet den Strukturwandel und ergänzt die bestmöglichen staatlichen Rahmenbedingungen.

Die Standortförderung wird immer wichtiger, weil die Konkurrenz im internationalen Standortwettbewerb zunimmt. Andere Länder unterstützen ihre Standorte mit zum Teil sehr teuren Programmen. Die Schweiz richtet dagegen bewusst nicht mit der grossen Kelle an. Wir setzen auf gezielte Instrumente wie Exportförderung, Tourismuspolitik, KMU-Politik und Regionalpolitik. Und erzielen damit Resultate, die sich sehen lassen. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele:

Die KMU erhalten in ihren Auslandkontakten Unterstützung der Osec. Durch die Exportförderung, welche die Osec auch für Liechtensteiner Unternehmen macht, werden jährlich rund 1800 Kundenmeetings sowie 900 verschiedene Projekte und Mandate abgewickelt. Zudem ermöglicht die Exportförderung gemeinsame Messeauftritte an über 20 wichtigen internationalen Messen.
Die Exportrisikoversicherung SERV gibt Ihnen als Unternehmer Rückendeckung bei grossen Auslandgeschäften. Dadurch werden in der Schweiz pro Jahr rund 1 Milliarde Franken Bruttowertschöpfung erzielt und gut 5000 Arbeitsplätze ermöglicht. Der Bundesrat will die befristeten SERV-Produkte bis 2015 verlängern.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Mir geht es darum:

dass wir bei der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit an der Spitze bleiben und bei der Bildung zu den Besten gehören,
dass wir auch in konjunkturell anspruchsvollen Zeiten und Zeiten der Frankenstärke zusätzliche Märkte öffnen und nicht das Heil in der Abschottung suchen,
und dass unsere Rahmenbedingungen attraktiv bleiben und wir unsere Standorttrümpfe ausspielen können.

Von Ihnen als Unternehmerinnen und Unternehmer weiss ich, dass Sie:

Flexibel, hartnäckig, gwundrig, mutig und überzeugt sind;
Sich neuen Gegebenheiten rasch anpassen und die Risiken zu Chancen wandeln.

Gemeinsam können wir zu neuen Erfolgen schreiten. Die Politik verbessert die Rahmenbedingungen kontinuierlich - mit gezielten Instrumenten und dem richtigen Augenmass. Die Unternehmen stellen sich den neuen Herausforderungen und streben nach Neuem und Besserem. Man muss das Rad nach der Krise nicht neu erfinden: Es braucht die konsequente Weiterführung der bisherigen Politik. Sie und ich haben ein klares Ziel vor Augen: Eine Wirtschaft mit hochgradig wettbewerbsfähigen Unternehmen und damit sicheren Arbeitsplätzen und Wohlstand. Dies ist unser Auftrag. Dafür setzen wir uns ein.

Es gilt das gesprochene Wort!

Politik und Wirtschaft zu neuen Erfolgen