Herr Präsident,
Meine Damen und Herren,

Welches ist die schönste Stadt im ganzen Land? Seit vergangener Woche wissen wir es: Zürich ist die Stadt mit der höchsten Lebensqualität. Zürich hat Zug überholt. So sagt es zumindest die Studie, die in der aktuellen Bilanz zu finden ist. So freut es mich ausserordentlich, heute Abend bei Ihnen Gast zu sein. Ein Aufenthalt in der schönsten Stadt der Schweiz ist für mich wie ein Kurzurlaub. «Weiche» Kriterien wie Erholung, Kultur und soziale Aspekte machen Zürich so einzigartig. Dass die «harten» Faktoren stimmen, ist in der Wirtschaftsmetropole Zürich selbstverständlich.

Zürich klagt dabei nicht über Wettbewerb, sondern erfindet sich immer wieder neu. Ganz im Sinne des Zitats von Walter Rathenau:

«Die Klage über die Schärfe des Wettbewerbes ist in Wirklichkeit meist nur eine Klage über den Mangel an Einfällen.»

Nur, wer hätte gedacht, dass der deutsche Unternehmer und liberale Politiker Walther Rathenau das vor rund 100 Jahren gesagt hat? Mag man damals unter Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit etwas anderes verstanden haben - gestern wie heute gilt: Wer gute Einfälle hat und es versteht, diese gewinnbringend umzusetzen, besteht im Wettbewerb. Ist wettbewerbsfähig.

Doch: Was heisst Wettbewerbsfähigkeit eigentlich? Ihnen brauche ich nicht zu erklären, dass Wettbewerbsfähigkeit bereits auf Stufe Firmenebene schwer zu definieren ist. Die Definition der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes ist noch anspruchsvoller. Ein Konsens zeichnet sich dahingehend ab: Ein Land ist dann wettbewerbsfähig, wenn es versteht, Wohlfahrt zu erzeugen oder den Lebensstandard zu erhöhen.

Bekannte Benchmark-Studien stellen Rangfolgen der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften auf. Weil es keine einheitliche Definition von Wettbewerbsfähigkeit gibt, wählen die Institute unterschiedliche Kriterien. So überrascht nicht, dass die Rangierung selten übereinstimmt. In der aktuellen Rangliste des World Economic Forum (WEF) nimmt die Schweiz die Spitzenposition von 139 untersuchten Ländern ein. Bei der entsprechenden Rangliste des Institute for Management (IMD) ist die Schweiz auf dem 5. Platz von 59 untersuchten Ländern zu finden. Unabhängig ob Platz 1 oder 5: Die Schweiz gehört weltweit zu den wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt. Treiber unserer Wirtschaft sind die vielen innovativen KMU und die zahlreich in der Schweiz beheimateten Konzerne. Meine Damen und Herren: Wir stehen nicht am Ende der Globalisierung. Die Globalisierung setzt sich in raschem Tempo fort. Das heisst: Wir müssen unsere Schweiz, die wir lieben, massvoll weiterentwickeln. Das bietet Chancen. Die weitere Öffnung unseres Landes bringt in erster Linie Wachstumsfelder für Wissen, Wohlstand und Wohlfahrt. Die Globalisierung erfordert in unserem Land Renovationen, aber keine Revolutionen. Wichtig dabei ist, die gemeinsame, nationale Plattform zu erhalten, die ich als unsere liberale politische Mitte bezeichne.

Sie trägt unser fast 8-Millionen-Volk durch die Fährnisse der Zeit. Ich bin sicher, dass wir dies schaffen, wenn alle Mass halten. Eine weitsichtige Wirtschaftspolitik ist die Voraussetzung für ein nachhaltiges, also primär qualitatives Wachstum.Deshalb gibt es für mich nur Lösungen, die eine vorwärtsorientierte Ausgewogenheit zwischen einer wettbewerbsfähigen, einer umweltschonenden sowie einer sozial rücksichtsvollen und letztlich sicheren Schweiz gewährleisten.

Welche Faktoren, meine Damen und Herren, muss der Staat beeinflussen?

Voraussetzungen für ein hochwertiges Wachstum sind:

ein hochstehendes Bildungssystem
eine leistungsfähige Infrastruktur
gut funktionierende Sozialwerke
eine Politik, die den Wettbewerb im Inland fördert
und ein diskriminierungsfreier Zugang zu internationalen Märkten.

Weiter bedarf es eines anpassungsfähigen Arbeitsmarktes. Sie wissen es, unser Land kennt einen wenig regulierten Arbeitsmarkt mit einer guten sozialen Abfederung sowie einer starken, konstruktiven Sozialpartnerschaft. Lassen Sie mich auf den entscheidend wichtigen Standortfaktor «Arbeitsmarkt» näher eingehen.

Ich will Ihnen aufzeigen, weshalb gut ausgebildete Arbeitskräfte für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes sogar noch wichtiger werden. Dies im direkten Nachgang zur heutigen G20, der Ministerkonferenz in Paris, von wo ich komme und als Gast zu Gipfelvorbereitungsgesprächen eingeladen war. Der Konferenztitel lautete: G20-emploi: Conférence ministérielle de haut niveau sur l'emploi, la cohérence et les droits sociaux. Mit anderen Worten: Was wir in der Schweiz an Errungenschaften in diesen Bereichen schon längst kennen, wird in der grossen Welt mit sehr viel Engagement gesucht. Mir zeigt das, dass wir auf dem richtigen Weg sind und alles dafür tun müssen, um den Vorsprung zu halten.

Dank unseres guten beruflichen und universitären Bildungssystems ist es möglich, den grössten Teil der Stellen durch einheimische Berufsleute zu besetzen.

Immer wieder ergeben sich indes Engpässe. Die hat die Schweiz seit Jahrzehnten durch Zuwanderung behoben. Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU kann relativ einfach ein Grossteil der fehlenden Fachkräfte im Ausland rekrutiert werden. Der Trend zur vermehrten Nachfrage nach qualifiziertem Personal ist bei der Einwanderung deutlich sichtbar. Bis Mitte der Neunzigerjahre waren 60 Prozent der Einwanderer ohne Berufsausbildung. Heute besitzen 60 Prozent der einwandernden Vollzeitbeschäftigten einen Hochschul- oder höheren Berufsbildungsabschluss. Wir dürfen aber nicht sorglos damit rechnen, dass wir unsere Engpässe immer durch Einwanderung lösen können. In Zukunft wird die demographische Alterung tiefe Spuren in ganz Europa hinterlassen. Auch in den Herkunftsregionen der heutigen Einwanderer. Der Konkurrenzkampf um gute Arbeitskräfte aus unserem Kulturkreis wird deutlich härter werden. Die Schweiz hat eine hervorragende Ausgangslage, um die uns viele Länder beneiden. Wir müssen diesen Vorsprung wahren. Wir dürften ihn nicht leichtfertig mit unüberlegten Massnahmen aufs Spiel setzen.

Mir ist es ein entscheidendes Anliegen, dass Schweizer Unternehmen künftig vermehrt gut ausgebildete Mitarbeitende im Inland rekrutieren können. Deshalb habe ich eine interne Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich sehr gezielt dem Thema der «Sicherstellung von Fachkräften» widmet. Im Herbst wird an einer Tagung mit Spezialisten die von uns erarbeitete Strategie finalisiert. Spätestens zu Beginn des kommenden Jahres will ich die überarbeitete Strategie mit einem Massnahmenplan in den Bundesrat bringen. Ergänzend zum guten Bildungssystem ist wichtig, dass die Schweiz für qualifizierte Arbeitnehmer attraktiv bleibt.

Dies gilt in zweifacher Weise:

Wir müssen für die ortsansässigen Leute attraktiv sein. Denn: Gut qualifizierte Schweizerinnen und Schweizer sollen hervorragende Chancen in der Schweiz haben und nicht für immer ins Ausland abwandern.
Wir müssen für ausländische Spezialisten attraktiv sein. Denn: So können wir auch künftige Engpässe in unserem Arbeitsmarkt überwinden.

Für mich ist klar: Trotz aller Anstrengungen im Bildungswesen werden wir auch künftig auf Arbeitnehmer aus dem Ausland angewiesen sein. Die Vorteile der Personenfreizügigkeit liegen auf der Hand, wie die Vergangenheit uns zeigt.Während den zurückliegenden Jahren konnten Situationen eines ausgetrockneten Arbeitsmarktes vermieden werden. In der Wirtschaftskrise hat die Personenfreizügigkeit zudem stabilisierende Effekte gezeigt. Denn die gut ausgebildeten zugezogenen Menschen trugen dazu bei, dass die Konsumausgaben nicht abnahmen. Zumindest teilweise traten sie auch als Investoren auf. Die Alternative zur Personenfreizügigkeit, meine Damen und Herren, ist, dass Arbeitsplätze und ganze Unternehmen in andere Länder abwandern. Wie jede grosse Reform wird die Personenfreizügigkeit immer wieder Probleme schaffen. Wir müssen deshalb die Entwicklung im Auge behalten. Missbrauch muss verhindert werden.

Die Flankierenden Massnahmen sind in diesem Zusammenhang ein wirksames Instrument. Ich sorge dafür, dass diese wirklich angewendet werden. Erlauben Sie mir den Ausdruck: Ich will Ordnung im Stall. Dabei werden nicht nur aus- und inländische Unternehmen überprüft, ob sie gegen das Arbeitsrecht oder die Löhne verstossen. Auch Scheinselbständige werden unter die Lupe genommen.Die Ängste der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit sind ernst zu nehmen. Es sind Lösungen für die Probleme zu finden. Aber eine Wachstumsfeindlichkeit, zugespitzt in der Forderung nach einem Nullwachstum, ist nicht angebracht. Denn: Stillstand ist Rückschritt. Wir erwarten für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von rund 2 Prozent. Das ist meines Erachtens eine erfreuliche und nachhaltige Wachstumsrate.

Geradezu falsch ist es, alle unerwünschten Entwicklungen auf die Migration zu schieben. Wenn wir beispielsweise zu Spitzenzeiten die vollen Züge und die Staus auf den Strassen einfach den Zugewanderten in die Schuhe schieben, sind wir nicht ehrlich. Nicht die Zuwanderung, vielmehr unser Bedürfnis nach fast unbegrenzter Mobilität verstopft unsere Strassen und füllt die Züge. Gleiches gilt für die Wohnungsknappheit. Unser Bedarf an Wohnfläche pro Person ist über die vergangenen 30 Jahre kontinuierlich von 34 auf 48 m2 gestiegen. Als Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister ist es mir ein wichtiges Anliegen, dass wir nicht weiter wertvolles Kulturland umzonen in Bauland. Verdichtetes Bauen in bestehendem Siedlungsgebiet muss ein zentrales Thema werden. Auch dafür werde ich mich einsetzen.

Meine Damen und Herren: Die Personenfreizügigkeit trägt dazu bei, dass wir in der Schweiz über einen flexiblen Arbeitsmarkt verfügen. Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU sind vermehrt Spezialisten zugewandert. Wir müssen alles daran setzen, unser eigenes Potenzial an Arbeitskräften besser zu nutzen und noch gezielter auf die Bedürfnisse des Marktes auszurichten. Denn: Qualifizierte Arbeitskräfte tragen zu einem Produktivitätswachstum bei. Sie fördern hochwertiges Wachstum. Gut ausgebildete Berufsleute und Spezialisten sind das Kapital der Schweiz. Nur wenn wir über dieses wertvolle Kapital verfügen, sind die Unternehmen und damit die Schweiz auf den Weltmärkten wettbewerbsfähig. Soviel zum Thema Wettbewerbsfähigkeit, erläutert am Beispiel des Arbeitsmarktes.

Doch was bringt Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz?

Der Titel meines Referats sagt es: Wettbewerbsfähigkeit führt zu Unabhängigkeit. Dabei ist Unabhängig als ein hohes Mass an Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu verstehen. Lassen Sie mich dies anhand von drei wichtigen Themen, der Budgetpolitik, der «Too big to fail»- Vorlage und der Öffnung der Märkte erläutern:

1. Budgetpolitik
Volk und Stände haben vor zehn Jahren mit überwältigendem Mehr die Verfassungsbestimmungen zur Schuldenbremse gutgeheissen. Wir sind heute eines der wenigen Länder mit gesunden Staatsfinanzen und keinen überbordenden Schulden. Der Rückhalt bei den Stimmbürgern ist ungebrochen. Die Schuldenbremse hat uns gezwungen, in den Boomjahren Überschüsse zu erzielen. Das ermöglichte uns, die Rezession aus einer Position der finanzpolitischen Stärke zu meistern. Die Schuldenbremse hat in der schwierigen Zeit die Politik aber auch daran gehindert, die von verschiedenen Seiten geforderten milliardenschweren Konjunkturprogramme zu lancieren. Heute wissen wir, dass das auch eine Fehlinvestition gewesen wäre. Die Schuldenbremse hat schliesslich bewiesen, dass sie genug Freiraum für die Finanzierung wichtiger Projekte lässt. Mit diesem Instrument verfügt unser Staat über eine Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, um die uns viele Länder beneiden.

2. «Too big to fail»-Vorlage
Wie die meisten Länder mit einem bedeutenden Bankensektor wurde die Schweiz in der Wirtschaftskrise mit der Notwendigkeit konfrontiert, eine Grossbank zu stützen. Der Bundesrat und die Nationalbank haben seinerzeit rasch und erfolgreich die Stabilisierung des Finanzsektors in die Wege geleitet. Setzt man die Bilanzsummen unserer Grossbanken in Relation mit dem Bruttoinlandprodukt, müssen wir feststellen, dass die Stabilität unseres Landes in Gefahr war. Eine Erfahrung, wie Irland sie gegenwärtig macht, müssen wir vermeiden. Deshalb hat der Bundesrat die Botschaft «Too big to fail» vor einem Monat dem Parlament überwiesen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die darin enthaltenen Massnahmen rasch und integral ins Recht übernommen werden. Mit der Vorlage machen wir den Schweizer Finanzplatz langfristig wettbewerbsfähig, sicher und attraktiv. Ich bin mir bewusst, dass wir möglicherweise strengere Vorgaben machen als das Ausland. Nur weil andere Länder keine Sicherheitsgurte umschnallen, ist kein überzeugendes Argument, selbst darauf zu verzichten. Diese strengen Vorgaben können sich für die Schweizer Banken langfristig zu einem Wettbewerbsvorteil entwickeln. Zudem haben wir mit den Wandelanleihen und den von den Banken selbst auszuarbeitenden Notfallplänen innovative Instrumente gefunden, die den Finanzinstituten Handlungsspielräume belassen. Mit Freude habe ich vernommen, dass das Institut of International Finance in Krisenzeiten ebenfalls eine Notfallplanung und die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital vorschlägt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Schweiz Vorreiterin wird.

3. Öffnung der Märkte
Nachdem die WTO-Verhandlungen ins Stocken geraten sind, zerschlägt sich die Hoffnung, den Schweizer Unternehmen durch multilaterale Übereinkommen rasch den Zugang zu den Weltmärkten zu öffnen. Dies ist für eine mittelgrosse Volkswirtschaft keine gute Entwicklung. Käme die Doha-Runde zu keinem befriedigenden Abschluss, würden die bilateralen Verhandlungen mit der EU und die Freihandelsabkommen mit anderen Partnern für die Schweiz weiter an Bedeutung gewinnen. Das Interesse für solche Abkommen mit der Schweiz ist deshalb gross, weil wir als Volkswirtschaft gut aufgestellt sind. Die Verhandlungen mit der EU sind gegenwärtig allerdings ebenfalls nicht ganz einfach. Ich bin aber zuversichtlich, dass in konstruktiven Gesprächen für beide Seiten tragbare Lösungen gefunden werden können. Denn: Beide Parteien haben ein grosses Interesse, die bisher erfolgreiche Zusammenarbeit weiterzuführen. Für die EU ist die Schweiz hinter den USA der zweitwichtigste Abnehmer. Wir sind nicht niemand! Für die Schweiz ist die EU der Handelspartner Nr. 1 mit annähernd 2/3 unserer Ausfuhren.

Kurz, wir tun gut daran, unsere über Jahrzehnte gewachsenen und sorgfältig austarierten Verhältnisse zu pflegen und weiterzuentwickeln. Zudem betreiben wir eine Politik der bilateralen Handelsverträge mit dynamischen Schwellenländern. Dazu stehen wir in Verhandlungen mit China, Indien und der russischen Zollunion.Die Verhandlungen sind gut angelaufen, respektive laufen gut. Wie immer steckt der Teufel im Detail. Trotzdem haben wir einvernehmlich ambitiöse Verhandlungszeiträume festgelegt. Ich bin zuversichtlich, dass wir das Abkommen mit Indien noch im laufenden Jahr abschliessen können. Den chinesischen Wirtschaftsminister Chen Deming habe ich im Januar in Davos am WEF getroffen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, ein Freihandelsabkommen innerhalb von zwei Jahren unter Dach und Fach zu bringen. Dies, notabene, immer auch mit dem Anspruch der Nachhaltigkeit. Mit der russischen Zollunion sind die Verhandlungen noch in einer frühen Phase. Deshalb ist es noch zu früh, eine zeitliche Prognose zu machen. Und dann gibt es weiterhin viele weisse Flecken, zum Beispiel in Lateinamerika und Asien, zum Teil aber auch in Europa, Nordamerika und Ozeanien. Diese Länder gilt es mit dem diskriminierungsfreien Zugang zu erschliessen. Wichtig ist, dass wir solche Freihandelsabkommen mit einem zeitlichen Vorsprung gegenüber anderen Ländern abschliessen können.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Dank unserer ausgezeichneten Wettbewerbsfähigkeit geht es uns wirtschaftlich gut. Dies gibt der Schweiz eine gewisse Unabhängigkeit und eröffnet Handlungsoptionen. Aber die Gewitterwolken am Horizont sind nicht zu übersehen. Die Staatsverschuldung hat in vielen Ländern (nicht nur in Europa) beängstigende Ausmasse erreicht. Die Geldpolitik ist in vielen Ländern extrem expansiv, was ein grosses Inflationspotenzial birgt. Zudem erleben wir grosse Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten. Falls diese internationalen Risiken eintreten, könnte der Schweizer Franken weiter unter Aufwertungsdruck geraten. Bislang hat die Schweizer Wirtschaft die Aufwertung erstaunlich gut überstanden. Dies dank hochwertiger Produkte und auch dank des starken Wachstums unseres wichtigsten Handelspartners Deutschland und der Schwellenländern.

Der demographische Wandel, die Verschiebung der Weltwirtschaft in Richtung Asien, aber auch die Neubeurteilung der Energieversorgung stellen uns vor neue, grosse Herausforderungen. Diese tiefgreifenden Entwicklungen werden unsere Wirtschaft und Gesellschaft verändern. Das problematische an diesen Trends ist, dass sie langsam und fast unmerklich verlaufen. Es besteht vermeintlich nicht sofortiger und entschiedener Handlungsbedarf. Sie und ich, wir sind uns allerdings der Zukunftsszenarien bewusst. Doch ich bin überzeugt: Wenn wir diese Herausforderungen pragmatisch und entschlossen angehen, werden wir sie meistern. Will heissen, die Schweiz bleibt wettbewerbsfähig und verfügt über Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Unsere Politik des hochwertigen Wachstums und der gesunden Staatsfinanzen wird uns dabei unterstützen. Das ist eine echte Steigerung der Wohlfahrt. Wettbewerbsfähigkeit führt zu Unabhängigkeit. Oder zugespitzt: Stärke macht unabhängig.

Meine Damen und Herren, ich habe meine Rede eröffnet mit einem Zitat von Walther Rathenau. Ich möchte ebenfalls mit einem Zitat von diesem Vordenker schliessen:

«Die grösste geschäftliche Stärke in unserem Zeitalter ist der Vorsprung.»

Wahren wir ihn!

Es gilt das gesprochene Wort !