Dass sie heute als Bundesrätin an diesem Anlass referieren könne, verdanke sie dem zähen Kampf der ersten Juristinnen, die der Gleichstellung in der Schweiz den Weg bereitet haben. Die Vorsteherin des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) stellte fest, dass die Frauen heute in fast allen Rechtsbereichen den Männern gleichgestellt sind. Auch in der Politik und im Alltag sei viel erreicht worden. Eine Trendwende brauche es hingegen in der Wirtschaft, wo Frauen nur sieben Prozent der Spitzenpositionen besetzten. Die Politik müsse sich mit der Wirtschaft auf eine Vorgehensweise einigen, damit das Potenzial der gut ausgebildeten Frauen besser genutzt werde. Unternehmen, die von gemischten Teams geführt werden, seien wesentlich erfolgreicher als von Männern dominierte Firmen und deshalb auch aus wirtschaftlicher Sicht die bessere Lösung.

Nach einem Rückblick der Historikerin Franziska Rogger auf das Wirken der ersten Juristinnen bekannte alt Bundesrätin Elisabeth Kopp in ihrer Ansprache, dass sich ihr ursprünglicher Berufswunsch, Jugendanwältin zu werden, nicht erfüllt habe. Was sie an dessen Stelle erreichte, habe sie nicht angestrebt. Mit der Einführung des Frauenstimmrechts habe ihr Leben eine völlig neue Richtung genommen. "Eines habe ich dabei gelernt. Wichtig ist nicht, was man tut, sondern wie man es tut. Und etwas bewirken kann man nur, wenn man glaubwürdig bleibt", unterstrich alt Bundesrätin Kopp.

Neue Normen in der Praxis umgesetzt

Rudolf Wyss, stellvertretender Direktor des BJ, unternahm eine geraffte Zeitreise durch seine Jahre im EJPD. Während in den 70-er Jahren Frauen fast ausschliesslich in Sekretariaten oder Archiven tätig waren, weist heute das BJ einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil von 56 Prozent auf. Diese Entwicklung führte er insbesondere auf das Wirken der langjährigen Direktoren Joseph Voyame und Heinrich Koller zurück, die nicht nur Verfassungsnormen über die Gleichberechtigung entwarfen oder im Zivilrecht alte Zöpfe abzuschneiden halfen, sondern dieses theoretische Gedankengut auch in der Praxis umsetzten. Das BJ habe tatsächlich immer eine Vorreiterrolle gespielt, zum Beispiel bezüglich der Schaffung von Teilzeitstellen für Frauen und Männer, bestätigte Colette Rossat-Favre, die Gleichstellungsbeauftragte des Amtes.

In seinem Ausblick betonte BJ-Direktor Michael Leupold, "dass wir uns immer wieder neu Gedanken darüber machen müssen, ob unsere Gesellschaft gerecht und genügend offen ist und die Menschen genügend frei sind". Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit seien nicht endgültig festgelegt; sie seien auch nicht nur ein Thema der Frauen oder Männer, sondern gingen alle an.

"Ebenso neu als kühn"

Das Jahr 2011 ist bezüglich der Gleichstellung von Frau und Mann ein Jahr der Jubiläen: 40 Jahre Frauenstimmrecht und 30 Jahre Gleichstellungsartikel in der Bundesverfassung. Das Bundesamt für Justiz (BJ) hat diese Gelegenheit genutzt, um mit einem Gedenkanlass die Pionierinnen unter den Juristinnen zu würdigen. Dazu gehört Emilie Kempin-Spyri, die 1887 als erste Juristin der Schweiz ihren Titel erwarb. Als Frau wurde ihr allerdings der Zugang zum Anwaltsberuf verweigert. Das Bundesgericht wies ihre Beschwerde 1887 mit der Begründung ab, die Interpretation der Bundesverfassung, wonach der Begriff "Schweizer" sowohl Männer als auch Frauen umfasse, sei "ebenso neu als kühn". Erst elf Jahre später erliess der Kanton Zürich als erster Kanton ein Gesetz, das den Frauen den Zugang zum Anwaltsberuf ermöglichte - zu spät für Emilie Kempin-Spyri. Sie zerbrach an ihrem erfolglosen Kampf, erkrankte 1897 und starb 1901 in Basel.

Für eine bessere Frauenvertretung in der Wirtschaft; Gedenkanlass des BJ zur Würdigung der ersten Juristinnen