Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrten Damen und Herren
Liebe freisinnig-liberalen Freunde

Zuerst möchte ich mich für den herzlichen Empfang bedanken. Ich bin der Einladung der FDP.Die Liberalen Schaffhausen sehr gerne gefolgt.

Schaffhausen verkörpert die Essenz der Schweiz, auch wenn es geographisch an der Peripherie unseres Landes liegt. Vielleicht gerade deshalb: Schaffhausen hat, um Fritz René Allemann zu zitieren, zwischen „geographischer Zugehörigkeit“ und „geschichtlicher Entscheidung“ gewählt. Schaffhausen steht für eben jenen Willen, den wir in der Willensnation Schweiz so oft beschwören.

Schaffhausen verkörpert die Essenz der Schweiz. Der Kanton ist gleichzeitig weltoffen und bodenständig. Zukunftsfreudig und traditionsbewusst. Es ist bemerkenswert, dass es im idealtypischen Industriekanton des 20. Jahrhunderts gelungen ist, den Charme früherer Zeiten im Stadtbild Schaffhausens so gut zu erhalten, dass Victor Hugo wahrscheinlich auch heute noch von einem „verträumten Stück übriggebliebenem Mittelalter“ sprechen würde. Nicht zuletzt weist Schaffhausen die höchste Stimmbeteiligung im Lande auf, was mich als Politiker natürlich besonders freut.

Die Bewohner Ihres Kantons zeichnen sich aus durch ein hohes Arbeitsethos und eine Leidenschaft für Innovation und Präzision, also jene Eigenschaften, die wirklich ökonomischen Mehrwert schaffen. Diese Qualitäten waren immer die Grundlage unserer Wettbewerbsfähigkeit, und das darf man auch angesichts der gegenwärtigen Währungsturbulenzen nicht vergessen.

Schaffhausen verkörpert die Essenz der Schweiz, auch wenn es in der Schlacht von Sempach 1386 noch gegen die Eidgenossenschaft kämpfte. Aber das ist ja nun wirklich verjährt und ich sehe das sowieso eher entspannt, bin ich doch mit einer Österreicherin verheiratet und sind doch unsere drei Söhne schweizerisch-österreichische Doppelbürger.

… Also, seit dem Seitenwechsel im Jahre 1501 verkörpert Schaffhausen die Essenz der Schweiz, weil der Kanton mehrfach bewiesen hat, dass er sich neu erfinden kann. Dass ihm ein tief verwurzelter Optimismus eigen ist, ein starker Wille, sich den Realitäten zu stellen und das Beste daraus zu machen.

Das zeigt auch ein Blick zurück ins 19. Jahrhundert: Nach der Gründung des deutschen Zollvereins und der Verdrängung der Schifffahrt durch die Eisenbahn brach der lebenswichtige Transithandel ein. Die Schaffhauser verzagten jedoch nicht und entdeckten, dass sich aus der Wasserkraft des Rheins günstiger Strom gewinnen liess: Das war der Startschuss zu einer rasanten Industrialisierung mit Firmen wie Georg Fischer, IWC, Alusuisse, SIG und andere.

Auch als der lange wirtschaftliche Aufschwung in Schaffhausen jäh in die Krise der frühen neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts mündete, versank der Kanton nicht in Resignation.

Zwar gingen viele Arbeitsstellen verloren, die Jungen zog es in andere Regionen, bis die Bevölkerungszahl schliesslich wieder auf dem Niveau von 1970 angekommen war. Aber Schaffhausen raffte sich bald wieder auf. Eine breite Koalition fand sich zusammen und war fest entschlossen, die Wettbewerbsfähigkeit des Kantons wieder zu steigern. Seither haben sich zahlreiche neue Unternehmen hier angesiedelt, die Wirtschaft ist durch breitere Aufstellung robuster geworden, die Einwohnerzahl steigt an. Dieser kantonale Turnaround ist ebenso bemerkenswert wie das, was die schweizerische Uhrenindustrie angesichts der Krise der 70er-Jahre geleistet hat.

Der Sinn für die Realitäten und die Verantwortung für den Kanton waren stärker als die angestammten parteipolitischen Positionen. Das gemeinsame Ziel verband die politischen Kräfte.

Meine Damen und Herren
Liebe freisinnig-liberalen Freunde

Das ist die Essenz der Schweiz: Wir raufen uns zusammen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Gegensätze sind wichtig für eine lebendige Demokratie. Aber sie dürfen nicht unüberbrückbar sein. Das Interesse des Kantons, des Landes, muss immer über dem Parteiinteresse und über dem Interesse von Individuen stehen.

Was braucht es in der Politik? Nach Max Weber sind es drei Eigenschaften: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmass. Schaffhausen hat der Welt eine kürzere Version desselben Gedankens geschenkt: „Lappi tue d’Auge uf!“

Die Stadtväter von Schaffhausen wussten, worauf es ankommt: auf einen wachen Blick für die realen Verhältnisse, nicht auf Schulweisheiten oder starre Dogmen. Die Inschrift auf dem Schwabentor ist auch ein gutes Motto für die Schweiz als Ganze.

Wir dürfen angesichts der Währungsturbulenzen nicht vergessen, dass unsere momentanen Probleme eine Konsequenz unseres Erfolges sind: Wir haben solide öffentliche Haushalte, eine exzellente und breit diversifizierte Wirtschaft, verlässliche Rahmenbedingungen und nicht zuletzt ein politisches System, dem die Welt Verlässlichkeit zubilligt und Vertrauen schenkt. Und Vertrauen ist momentan das knappste Gut – wenn man Vertrauen kaufen könnte, wäre es momentan teurer als Gold!

Auch Staatsanleihen führender Volkswirtschaften – bis vor kurzem als absolut sichere Werte gehandelt – werden heute von den Märkten mit Fragezeichen versehen.

Der überstarke Franken stellt eine gewaltige Herausforderung dar, aber er ist auch ein Kompliment an unser Land. „Die Welt muss verschweizern oder untergehen“, hat Friedrich Dürrenmatt einst prophezeit, in satirischer Absicht natürlich. Was die Disziplin in den Staatshaushalten angeht, muss man ihm heute aber recht geben.

Die Krise wird die liberalen Werte in unserem Land stärken, dessen bin ich mir sicher.
Der Begriff „Selbstverantwortung“ wurde in den letzten Jahren häufig als Worthülse verspottet – aber es ist genau die Tugend der Selbstverantwortung, die die Schweiz unterscheidet von der in etlichen europäischen Ländern grassierenden Anspruchsmentalität.

Der „schlanke Staat“, für den die FDP.Die Liberalen seit jeher kämpft, galt bis vor kurzem als Code-Wort für Sozialabbau – aber heute sehen wir, dass nicht ein schlanker Staat, sondern ein überdimensionierter Staat zu Sozialabbau und gesellschaftlichen Spannungen führt. Und, was noch schlimmer ist, zu einer Jugendarbeitslosigkeit, die in einigen Ländern so massiv ist, dass man von einer „lost generation“ sprechen muss.

Eine verlorene Generation – das ist das Schlimmste, was man der Politik vorwerfen kann. Denn deren wichtigste Aufgabe ist das exakte Gegenteil: Der nächsten Generation eine echte Perspektive zu schaffen.

Wenn man die Politik eines Landes beurteilen will, dann ist die Verfassung der Jugend gewiss nicht das schlechteste Kriterium. Und hier gehört die Schweiz zu den erfolgreichsten Ländern der Welt.

Die Währungssituation ist ein wirtschaftspolitischer Weckruf. Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, um den Wettbewerb zu stärken, die Missbräuche zu ahnden, nicht zuletzt auch staatliche Vorschriften kritisch zu prüfen. Es geht jetzt darum, mit Umsicht und Ruhe die Stärken der Schweiz weiter auszubauen, damit unsere Wirtschaft optimal aufgestellt ist für den nächsten Aufschwung.

Die wichtigste Lektion der Krise lautet: Der wirtschaftliche Erfolg hat immer politische Voraussetzungen. Und dass diese Voraussetzungen des Erfolgs immer wieder aufs Neue erkämpft werden müssen. Eben: „Lappi tue d’Auge uf“.

Als Beispiel drängt sich die Situation in den Sozialversicherungen auf: Dass der demographische Wandel unsere Sozialversicherungssysteme bedroht, ist keine Frage der Ideologie, sondern eine Frage der Arithmetik und der Fakten.

Die Wahrheit ist, dass die AHV circa 2020 in die roten Zahlen rutscht, etwas später als bislang angenommen, weil die Zuwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte die Sozialsysteme noch einige Jahre stabilisiert, falls wir weise genug sind, die Personenfreizügigkeit nicht zu gefährden. Aber die AHV muss zwingend saniert werden.

Man kann die Situation der Sozialversicherungen verschieden bewerten, aber man kann nicht leugnen, dass der demographische Wandel unser Sozialsystem auf die Probe stellt. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht das Recht auf eigene Fakten!

Wir müssen also die Kraft aufbringen, unsere Sozialversicherungssysteme zu reformieren, obwohl es der Schweiz noch so gut geht. Der Bundesrat will die Dinge entschlossen an die Hand nehmen und die verfügbare Zeit umsichtig nutzen.

Die kommende Legislaturperiode wird diesbezüglich entscheidend sein, denn wenn die politischen und gesellschaftlichen Kräfte auf eine Blockade statt auf die Lösungssuche hinsteuern, wird es schwierig werden, bei diesem - für die Schweiz zentralen Dossier - Fortschritte zu erzielen. Entscheidend sind, wie auch bei der IV- und BVG-Reform: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmass.

Die Baustellen sind zahlreich, die Reformen sind notwendig und unser Land benötigt politische Partner, die - wie Sie es tun - bereit sind, sich mit Kraft, Mut und Überzeugung zu engagieren.

Die zentralen Herausforderungen der Schweiz können angegangen werden, wenn diese Partner bereit sind, Ihrem guten Beispiel zu folgen und das wahrzunehmen, was ich gerne «die Freude an der Verantwortung» nenne. Zum Wohle des Landes; zum Wohle aller seiner Generationen!

Liebe Freunde

Die FDP.Die Liberalen ist die Partei des Fortschritts und der Verantwortung.

Sie ist die Partei, die zuerst analysiert und dann handelt. Deshalb bin ich stolz darauf, ihr anzugehören. Die Schweiz braucht die FDP. Die Liberalen.

Weil wir die Augen aufmachen, statt der Welt vorzuwerfen, dass sie sich nicht an unsere Vorstellungen von ihr hält.

Gerade in diesen politisch volatilen Zeiten braucht es eine Stimme der Vernunft. Eine Kraft der Konsistenz, der sachgerechten Argumentation, des strategischen Weitblicks.

Es gilt in der heutigen Schweiz, den Kern der politischen Kultur zu schützen und weiterzuentwickeln und politische Verantwortung zu übernehmen. Dafür steht die FDP.Die Liberalen.
Ich bin überzeugt, dass die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer sich auch heute den Realitäten stellen will, wie sie das in der Geschichte ihres Kleinstaates stets getan hat.

Die Geschichte zeigt, dass sich unser Land im internationalen Wettbewerb behaupten und kontinuierlich Fortschritte erzielen kann. Es hat das vor allem dank der konstruktiven und zukunftsgerichteten Arbeit der liberalen Kräfte und namentlich der FDP.Die Liberalen erreicht.

Nun gilt es, diese Anstrengungen auf allen Ebenen fortzusetzen und für eine erfolgreiche, lebenswerte, liberale und weltoffene Schweiz einzustehen und zu kämpfen. Ich bin überzeugt, dass sich dieser Kampf lohnt und von der Bevölkerung belohnt wird.

Das hat sich in den letzten Kantonsratswahlen gezeigt, wo unsere Partei ihren Wähleranteil von 17% auf 19% steigern konnte; auch die erfolgreiche Verteidigung des zweiten Regierungsratssitzes ist ein Indiz dafür, dass eine verantwortungsvolle Politik durchaus Anerkennung findet. Besonders freut es mich auch, wie aktiv und erfolgreich die Jungfreisinnigen Schaffhausen sind; wenn man ihren Stimmenanteil zu jenem der Mutterpartei hinzurechnet, dann erreichte die FDP.Die Liberalen bei den letzten nationalen Wahlen einen Anteil von 25% !

Ich übertreibe also nicht, wenn ich die FDP. Die Liberalen Schaffhausen als Leuchtturm – fast schon als Munot – des Schweizer Liberalismus bezeichne.

Der FDP. Die Liberalen Schaffhausen wünsche ich für ihre Arbeit und natürlich auch für den Wahlherbst viel Erfolg!

Ich danke Ihnen für die Einladung und Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen schönen Abend.

„Lappi tue d’Auge uf“: Mit Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmass in die Zukunft