Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Frau Regierungsrätin
Sehr geehrte Herren Regierungsräte
Sehr geehrter Herr Ständerat
Sehr geehrter Herr Gemeindepräsident
Sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich, heute zusammen mit meiner Frau bei Ihnen zu sein, und zusammen mit Ihnen die neue Dauerausstellung „Entstehung der Schweiz“ zu eröffnen.

Der Kanton Schwyz – dem wir Schweizer unseren Namen verdanken – ist der ideale Ort, um unsere nationale Identität zu thematisieren. Es sind nicht nur die vielen Bezüge zur Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft. Auch heute noch versammelt Ihr Kanton zahlreiche nationale Wahrzeichen: Den Bundesbrief, das Kloster Einsiedeln oder die Stiftsbibliothek.

Zudem hat der Ur-Kanton Schwyz etwas geprägt, was unser Land bis heute in seinem Kern ausmacht: eine gewisse Widerspenstigkeit. Wir gehen nicht den Weg des geringsten Widerstandes. Wir sind skeptisch gegenüber grossen Würfen und dem Diktat des Zeitgeistes. Wir wissen, dass kulturelle Vielfalt langfristig eine stärkere Identitäts-Grundlage ist als verordnete Einheit.

Die Schweiz geht ihren eigenen Weg. Gerade deshalb muss sie sich immer wieder neu erfinden. So ist denn auch momentan das Interesse an Schweizer Geschichte so stark wie kaum je zuvor. Das hat natürlich damit zu tun, dass wir in einer Zeit leben, die von Unsicherheit geprägt ist, zumindest aber von Unübersichtlichkeit.

Die Stichworte dazu lauten: Globalisierung, Europäisierung, der Aufstieg von Ländern wie China, Indien oder Brasilien und natürlich die weiter gärende Finanz- und Schuldenkrise. Man ist versucht zu sagen, dass heute nur eines sicher ist: die Unsicherheit. Zeithistoriker beschreiben die Gegenwart denn auch als so unvorhersehbar wie letztmals vor dem Ersten Weltkrieg.

Vor diesem Hintergrund wollen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes immer genauer wissen, was das eigentlich ist – die Schweiz. Denn wir sind von diesen Umwälzungen stark betroffen, nicht zuletzt, weil die Schweiz eines der international am besten vernetzen Länder der Welt ist, und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich und kulturell.

Es ist für uns deshalb kein Luxus, sondern eine existentielle Notwendigkeit, zu wissen, wo unsere Wurzeln liegen. Wie die Schweiz zu jenem Land geworden ist, in dem wir heute leben. Ein Land, dessen Stärke die Einheit in der Vielfalt ist. Der Blick zurück vertieft das Verständnis dafür, wie wertvoll diese Werte und Ideen sind, auf denen unser Staatswesen beruht.

Bemerkenswert ist an der jüngeren Geschichtsschreibung vor allem, dass viele wieder Gesamtdarstellungen der Schweizer Geschichte erschienen sind. Das zeigt, dass sich unser Umgang mit dem Genre „Nationalgeschichte“ entspannt hat. Die Debatten, die nach dem Ende des Kalten Krieges geführt wurden, waren – wenn wir heute zurückschauen – häufig geprägt von allzu unversöhnlichen Standpunkten.
Dabei ging gerade das verloren, was die Schweiz auch massgeblich geprägt hat: Der genaue Blick auf die Realität und der Sinn für die Proportionen.

Nehmen wir das bekannteste Beispiel, das ja vor einigen Jahren auch in diesem Museum eindrücklich thematisiert wurde: Wilhelm Tell. Es ist nicht entscheidend, ob die Figur Wilhelm Tell so gelebt hat, wie es in Tell-Saga überliefert ist. Denn interessant ist vor allem die Rezeptionsgeschichte von Wilhelm Tell bis in die Gegenwart. Nationale Identität sind weder einfach konstruiert noch basieren sie gänzlich auf historisch gesicherten Fakten – sondern sie sind stets eine Mischung von beidem. Unsere nationale Identität entsprechend differenziert zu thematisieren und zu reflektieren, das ist der Auftrag des Forums Schweizer Geschichte.

Meine Damen und Herren

Parlament und Bundesrat haben sich vor rund zwanzig Jahren für Schwyz als Museumsstandort entschieden, weil die Region für die Entstehung der mittelalterlichen Eidgenossenschaft von grosser Bedeutung ist. Es ist ja wahrlich kein Zufall, dass der Bundesbrief hier aufbewahrt wird.

1991 hat sich die Schweiz – aus Anlass der 700-Jahrfeier der Eidgenossenschaft – dieses Historische Museum geschenkt. Ein Geschenk, dass mit der Zeit immer wertvoller zu werden scheint.

Die neue permanente Ausstellung, die wir heute im Forum Schweizer Geschichte Schwyz zusammen eröffnen, befasst sich mit der Entstehung der Schweiz im Mittelalter. Jeder Blick zurück in die Vergangenheit wirft ein Licht auf das Werden und Wachsen der heute vorgefundenen Verhältnisse. Das heisst: Wissen über das Verhalten von Menschen aus geschichtlichen Zeiten vermittelt auch Orientierungswissen für die Gegenwart und die Zukunft.

Eine historische Ausstellung ist nicht ein Geschichtsbuch. Sie bietet einen anderen Zugang zur Geschichte. Sie ist eine räumlich und ästhetisch organisierte Wissenswelt. Eine historische Ausstellung vermittelt Wissen über die eigene Herkunft, indem sie materiell und visuell Spiel- und Denkräume eröffnet für Erlebnisse und Erfahrungen; sei es einzeln oder in Gruppen.

Als ausserschulischer Lernort spielt das historische Museum – und damit auch das Forum Schweizer Geschichte Schwyz – heutzutage eine wichtige Rolle für den Bildungsauftrag des Bundes. Hier wird Schülerinnen und Schülern die Geschichte der Schweiz anhand von Objekten, Bildern, inszenierten Räumen und neuen Medien anders als im Schulzimmer vermittelt.

Dank der neu konzipierten Lehrmittel werden Kinder und Jugendliche angeregt und angeleitet im Museum als junge Geschichts-Forscherinnen und – Forscher aktiv zu werden.

In diesem Sinne haben sich die teilnehmenden Schulklassen bereits im Vorfeld der Eröffnung intensiv mit dem Thema des Fernhandels über den Gotthard in der neuen Dauerausstellung auseinandergesetzt.

Diese Arbeiten stehen als Initialzündung dafür, wie der Austausch mit Schülerinnen und Schülern im Forum Schweizer Geschichte auch in der Zukunft aussehen wird. Besucherklassen aus der ganzen Schweiz werden eingeladen, eigene Vertiefungsprojekte einzugeben. So setzen sich die Schweizer Schülerinnen und Schüler direkt vor Ort mit dem wertvollen Schatz unserer Vergangenheit und damit mit ihrer eigenen Identität auseinander.

Ich freue mich deshalb, die Schulklasse von Frau Martina Wyrsch-Bissig vom Schulhaus Lücken sowie die Schulklasse von Marcel Schmied von der Mittelpunktschule Schwyz hier begrüssen zu dürfen.

Liebe Mädchen und Jungen

Ihr habt euch auf spielerische Art mit der Geschichte des Transports über den Gotthard um das Jahr 1300 auseinandergesetzt. Ihr beweist damit, dass Geschichte nicht etwas trockenes und altmodisches ist, sondern lebendig, modern und begeisternd.

Ich freue mich auf die Präsentation eurer Arbeiten, von denen ich bereit einiges gelernt habe. Zum Beispiel über die Bedeutung der “Saumpfade” für die Wirtschaftsgeschichte unseres Landes. Ich muss gestehen, dass ich das deutsche Wort “Saumpfad” gar nicht kannte. In meinem Fall lässt sich also sagen, dass ich von diesen Arbeiten sogar sehr viel gelernt habe. Ich wusste gar nicht, was ich alles nicht wusste.

Indem wir über unsere Geschichte in all ihren Aspekten lernen, stärken wir unsere nationale Identität. Von Generation zu Generation – jenseits von Klischee und Kitsch. Denn es gibt keine Zukunft ohne Herkunft.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Die Frage nach der Vergangenheit als Frage nach der Zukunft - Vernissage „Entstehung Schweiz“ Forum Schweizer Geschichte Schwyz