Sehr geehrte Damen und Herren Regierungsräte
Sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich, heute einige Worte an Sie richten zu dürfen. Es ist begrüssenswert, dass das Thema „Strategien für mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit“ an dieser Arbeitstagung erörtert wird.

Qualität und Wirtschaftlichkeit werden in der gesundheitspolitischen Diskussion oft als Gegensätze dargestellt.
Diese Gegenüberstellung ist zwar verständlich vor dem Hintergrund unserer Wirtschaftsgeschichte, in der es Schweizer Firmen immer wieder gelangt, mit exzellenten Produkten hochpreisliche Nischen zu besetzen. Qualität hat halt ihren Preis, sagen sich daher viele auch in Bezug auf unser Gesundheitssystem.

Die Analogie ist jedoch falsch. Gerade im Gesundheitssystem bedeutet bessere Qualität keineswegs höhere Kosten. Ich bin überzeugt, dass es möglich ist, gleichzeitig Qualität und Effizienz zu steigern.

Die kürzlich publizierte OECD-Studie über das Gesundheitswesen der Schweiz kommt zum eindeutigen Schluss, dass ein sehr hohes Qualitätsniveau auch deutlich kostengünstiger zu haben wäre, wenn vorhandene Verbesserungs-Potentiale besser genutzt würden. Die Qualität und die Effizienz des Gesundheitssystems müssen systematisch erhöht werden. Kurz: Wir wollen die Menschen optimal – und nicht maximal – versorgen. Und dies zu tragbaren Kosten. Bund, Kantone, Leistungserbringer im stationären und ambulanten Bereich, Verbände, Nonprofit-Organisationen, Versicherungen und Private müssen sich weiterhin gemeinsam engagieren, um dieses Ziel zu erreichen.

Der Prämienanstieg 2012 ist mit durchschnittlich 2,2 Prozent der zweittiefste seit der Einführung des KVG im Jahre 1996. Eigentlich ist es der beste Wert, weil es uns gleichzeitig auch (noch) gelingt, die Reserven aufzubauen und damit die Solidität des ganzen Systems zu stärken. Die Anstrengungen verschiedener Akteure wie auch des Bundesrates und des Eidgenössischen Departement des Innern tragen also Früchte.

Das zeigen auch die aktuellen Zahlen des Monitorings des Bundesamtes für Gesundheit. Die Kosten zulasten der sozialen Krankenversicherung stiegen in den ersten drei Quartalen 2011 pro Person gesamtschweizerisch um durchschnittlich 1,5 Prozent – im Vergleich mit der gleichen Zeitspanne 2010. Diese Zahlen bestätigen den Trend zur Stabilisierung der Gesundheitskosten.

Aber an der Dringlichkeit tiefgreifender struktureller Reformen hat sich trotz dieser erfreulichen Tendenzen nichts geändert. Denn wir dürfen nicht nur eine Momentaufnahme machen, sondern müssen den ganzen Film anschauen. Wenn wir das tun, dann sehen wir die Notwendigkeit von grundlegenden Reformen.

Meine Damen und Herren

Neben der ökologischen Nachhaltigkeit, wie sie heute auf allen Ebene als Richtschnur unbestritten ist, gilt es auch, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Nachhaltigkeit ernst zu nehmen. Das ist die wichtigste Lektion aus der Schuldenkrise in Europa und den USA. Denn wenn soziale Sicherungssysteme nicht nachhaltig reformiert werden, brechen sie unter der Last des demographischen Wandels irgendwann zusammen. Und das trifft stets die Schwachen am meisten. Denn die Starken brauchen diese solidarischen Systeme nicht.

Insofern sind Reformen, die gleichzeitig auf Qualität und Effizienz zielen, auch ein Lackmus-Test für die Reformfähigkeit unseres Gesundheitssystems. Man könnte noch weiter gehen und sagen: für die Reformfähigkeit unseres Landes. Denn die Gesundheitspolitik zählt zweifellos zu den grössten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Die Gesundheitskosten trotz demographischem Wandel nachhaltig in den Griff zu bekommen und gleichzeitig die hohe Qualität des Schweizerischen Gesundheitssystems weiterzuentwickeln – das ist ein Ziel, das einige Beobachter für illusorisch halten, für eine Quadratur des Kreises. Aber ich bin überzeugt: Die Schweiz kann das schaffen, wenn sie sich wieder daran erinnert, worauf ihre Stärke letztlich basiert: Auf Pragmatismus, Reformkraft und Fortschrittsoptimismus. Wenn die Bürgerinnen und Bürger sich wieder vergegenwärtigen, dass solche Reformen vielen zugutekommen, die Zementierung des Status quo jedoch nur einigen wenigen.

Reformen sind alternativlos, denn die Kosten werden auch weiterhin eine Herausforderung für unsere Gesellschaft bleiben:

• Der Gesundheitssektor ist immer noch ein Wachstumsmarkt, der durch verschiedene Faktoren getrieben wird. Der medizinisch-technologische Fortschritt bereitet immer mehr diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. Mehr Krankheiten können diagnostiziert oder viel feiner differenziert werden. Mehr therapeutische Möglichkeiten sind vorhanden und werden sich zukünftig bis hin zur genetisch abgestimmten personalisierten Medizin weiterentwickeln.

• Die Alterung der Gesellschaft mit einem wachsenden Anteil an Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen sowie Multimorbidität ist eine bekannte Tatsache. Die Zunahme der chronischen Krankheiten wie Diabetes, Osteoporose, Herz-Kreislauf- und Demenzerkrankungen, die bereits heute rund 70-80% der Gesundheitskosten verursachen, bereitet Sorgen.

• Auch die Spezialisierung der Gesundheitsberufe nimmt zu. Immer mehr Personen sind an der Betreuung eines Patienten beteiligt, was grosse Herausforderung an die Koordination, Informationsflüsse und nicht zuletzt an die Integration zu einem sinnvollen Gesamtbehandlungskonzept pro Patient stellt.

All diese Faktoren führen zu einer weiteren Mengenzunahme sowie Erhöhung der Komplexität in der Versorgung. Damit verbunden ist die wachsende Gefahr, dass es zu mehr Behandlungsfehlern kommt, während die Kosten gleichzeitig aus dem Ruder laufen.

Diese Entwicklung kann niemand wollen. Unser Land, das punkto Wettbewerbsfähigkeit und Innovation einen globalen Spitzenplatz einnimmt, hat etwas Besseres verdient.

Meine Damen und Herren

Das Gesundheitswesen ist im Umbruch. Zahlreiche verabschiedete beziehungsweise laufende Reformprojekte belegen dies.

Wir sind daran, die neue Pflegefinanzierung umzusetzen, welche dieses Jahr in Kraft getreten ist. Dabei werden einige bisher ungelöste Probleme klar ersichtlich, welche einer pragmatischen und unbürokratischen Lösung bedürfen.

Wir stehen unmittelbar vor der Einführung der neuen Spitalfinanzierung, welche mit grossem Engagement und hartem Ringen um Lösungen vorbereitet wurde. Sie wird mehr Transparenz und leistungsorientierten Wettbewerb bringen. Und unter Leistungswettbewerb möchten wir Qualitätswettbewerb verstanden wissen.
Ferner hat das Parlament Ende September nach siebenjähriger Arbeit die Managed Care-Vorlage verabschiedet. Etwas rascher scheint es in Sachen Prävention voranzugehen: das Präventionsgesetz wird in der Wintersession vom Zweitrat beraten.
Weiter haben Bund und Kantone unter Einbezug der Partner im Gesundheitswesen in den letzten Jahren die Situation der Health Professionals eingehend analysiert und konkrete Massnahmen im Bereich der medizinischen Grundversorgung und der Aus- und Weiterbildung ergriffen. Die Arbeiten sind noch lange nicht abgeschlossen, und die Lösungen sind für die Zukunft unseres Gesundheitssystems nachgerade zentral, damit wir künftig über genügend Health Professionals verfügen.

Ich bin davon überzeugt, dass der Schlüssel zur Bewältigung der Herausforderung in der engeren und interdisziplinären Zusammenarbeit der Fachpersonen liegt. Deshalb erwähne ich an dieser Stelle auch sehr gerne die EHealth-Strategie von Bund und Kantonen, welche dem reibungslosen Informationsaustausch zwischen den Leistungserbringern verpflichtet ist.

Alle diese Reformen und Umbrüche führen zu einer umfassenderen Sicht und stellen den Versicherten und den Patienten ins Zentrum. Sie lösen die sektorielle Perspektive ab und fordert damit zum Brückenschlag über institutionelle Grenzen hin zu echter interdisziplinärer und intergouvernementaler Zusammenarbeit auf.

Die Strategie des Bundesrats in der Gesundheitspolitik setzt klare kurz-, mittel- und langfristige Prioritäten. Ziel ist es, das Gesundheitssystem nachhaltig zu verbessern und den Versorgungsstandard langfristig zu sichern. Kurz: Mehr Qualität und mehr Effizienz und als Resultat gedämpfte Kosten.

Auf einige Punkte der Reformagenda des Bundes und den damit verbundenen Herausforderungen für ein gemeinsames Handeln möchte ich in der Folge kurz eingehen.

Wir stehen kurz vor der Einführung der neuen Spitalfinanzierung, oder eher der neuen Finanzierung der Spitalleistungen. Das neue System der Fallpauschalen wird zu einer transparenteren und leistungsgerechteren Spitalfinanzierung führen. Auch hier gilt: Qualität und Effizienz lassen sich gleichzeitig steigern, durch grössere Fallzahlen und mehr Transparenz. Dies ist im Interesse aller Menschen, die dieses System mittragen und bei Krankheit und Unfall in Anspruch nehmen. Nun braucht es noch Anstrengungen aller Beteiligten, um dieses System möglichst reibungslos einzuführen.

Auch in der integrierten Versorgung wird beides – Qualität und Effizienz – gleichzeitig gesteigert. Der Bundesrat ist überzeugt, dass die integrierte Versorgung zusammen mit dem neuen Risikoausgleich ein Meilenstein auf dem Weg zur Optimierung unseres Gesundheitssystems ist. Dass eine breite Koalition im Parlament die Managed Care-Vorlage gutgeheissen hat, ist ein Zeichen, dass ausgewogene und doch griffige Lösungen auch heute – in einem insgesamt Reform-skeptischen Klima – doch noch zu überzeugen vermögen.

In integrierten Versorgungsnetzen gibt es viel weniger Doppelspurigkeiten, als dies der Fall ist, wenn Patienten in Eigenregie von Spezialist zu Spezialist eilen. Die integrierte Versorgung bringt in der Medizin das, wonach wir alle in unserem Arbeitsalltag streben: Optimale Resultate ohne Verschwendung von Ressourcen.

Das Qualitätsbewusstsein ist in Behandlungsnetzen ausgeprägt: Der regelmässige Austausch, etwa im Rahmen von Qualitätszirkeln und die Besprechung von schwierigen Fällen, wie er für integrierte Versorgungsnetze typisch ist, steigert die Qualität der Behandlung. Der Gesetzgeber hat an diese Erfahrungen angeknüpft und schreibt die Qualitätssicherung als zwingenden Bestandteil der integrierten Versorgung vor. Weiter ist vorgesehen, dass der Bundesrat Anforderungen für den notwendigen Umfang der Budgetmitverantwortung festlegen kann. Dies ist Ausdruck davon, dass der Qualität eine überragende Bedeutung zukommt und diese keinesfalls Budgetrestriktionen untergeordnet werden darf.

Auch die Qualitätsstrategie des Bundes reiht sich nahtlos in die Ziele der integrierten Versorgung und der Zusammenarbeit unter den verschiedenen Berufsgruppen ein. Die Strategie hat zwei Hauptziele:

Erstens: Schaffen von Transparenz und Wissen über die Qualität der Gesundheitsversorgung. Auf dieser Basis können Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten auf allen Stufen erkannt werden. Denn Wissen ist die Grundvoraussetzung für zielgerichtetes Handeln. Die Qualität zu messen ist sicher kein einfaches Unterfangen, und semantisch ausgelegt könnte man sogar versucht sein zu behaupten, dass die Ermittlung von Qualität mit quantitativen Methoden etwa so gut möglich sei, wie Farben mit einem Waage messen zu wollen.

Derweil wissen wir, dass es durchaus erprobte Indikatoren gibt, welche insbesondere im Vergleich zwischen den Leistungserbringern nützliche Hinweise liefern, was in der täglichen Arbeit der Gesundheitsfachpersonen verbessert werden kann, sei dies, um die Qualität oder die Patientensicherheit zu verbessern. Vieles wird bereits gemacht und das sind sehr wichtige Arbeiten, wie an der heutigen Tagung eindrücklich dargestellt werden wird.

Verbesserungsbedarf bei der Herstellung von Transparenz besteht aber darin, schweizweit vergleichbare Daten zu erheben, auszuwerten und zu publizieren. Diese Daten müssen aussagekräftig sein und insofern einen Mehrwert darstellen, als sie sowohl in der täglichen Arbeit als auch bei der Gestaltung und Organisation der Versorgung handlungsleitend werden. Die Transparenz fördert diesen Qualitätswettbewerb und steht damit direkt und indirekt im Interesse der Patientinnen und Patienten.

Damit ist das zweite Ziel angesprochen, nämlich die Realisierung von erkanntem Verbesserungspotenzial. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass viele Rehospitalisationen und Reoperationen vermeidbar wären, dass viele Infektionen im Spital erworben werden, dass in der täglichen Arbeit viele Fehler durch organisatorische oder strukturelle Massnahmen vermieden werden können, dann wird augenfällig, dass bessere Qualität und höhere Effizienz Hand in Hand gehen.

Wir haben ein qualitativ hochstehendes Gesundheitswesen. Das hatten wir aber auch schon in den 1980er Jahren. Wenn wir aber beim Stand der 1980er Jahre uns auf den Lorbeeren ausgeruht hätten, wäre es heute im Vergleich zu unseren Nachbarländern rückständig. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass wir uns laufend verbessern müssen, um gut zu bleiben.

In diesem Sinn ist der Bund bereit, sich im Thema Qualität stärker zu engagieren, wie dies auch vom Parlament gewünscht wird. Auf institutioneller Ebene liegt es in der Kompetenz der Kantone sicherzustellen, dass die stationäre Versorgung qualitativ hochstehend und sicher ist. Bund und Kantone haben diesbezüglich eine eng zu koordinierende und anspruchsvolle Aufgabe wahrzunehmen.

Die beiden genannten Hauptziele der nationalen Qualitätsstrategie, nämlich Schaffung von Transparenz und Förderung und Umsetzung konkreter nationaler Massnahmen, will der Bundesrat mit der Schaffung eines Qualitätsinstituts verankern. Dieses Institut soll einen Mehrwert leisten, indem es über die einzelnen Institutionen hinweg Hinweise, Methoden und Massnahmen bereitstellt, damit die Leistungserbringer die Qualität ihrer Leistungen und in der Zusammenarbeit laufend verbessern.

Die Schaffung eines Qualitätsinstituts bedarf einer Rechtsgrundlage, die bis 2015 vorliegen sollte. In der Zwischenzeit wird der Bund zusammen mit den Partnern im Gesundheitswesen gesamtschweizerische Messungen und Programme durchführen oder unterstützen, so etwa im Bereich der Medikationssicherheit, im Spital erworbener Infektionen oder der Fehlervermeidung bei chirurgischen Eingriffen.

Auch in Sachen Qualität gilt es, dass sie in der engen Zusammenarbeit zwischen den Akteuren entwickelt und verbessert werden muss. Sich der Qualität zu verpflichten, ist eine mentale Grundhaltung, welche in der Schweiz generell traditionell verbreitet ist und der sich insbesondere die Gesundheitsberufsleute verpflichtet sind. Diese Haltung in der täglichen Arbeit bildet die unverzichtbare und wesentliche Grundlage dafür, dass die Patientinnen und Patienten optimal behandelt werden. Ich denke hierbei an die Bestrebungen in den Spitälern zur Vermeidung von Medikationsfehlern, Behandlungsfehlern, unerwünschten Zwischenfällen und zur Entwicklung einer Betriebskultur, welche aus Fehlern lernen will. Diese Bestrebungen werden beispielsweise von der Stiftung für Patientensicherheit unterstützt und die Erkenntnisse schweizweit verbreitet.

Wichtig sind aber auch laufenden Bestrebungen zur betrieblichen Qualitätsverbesserung in Spitälern, Pflegeheimen, Arztpraxen und bei der Pflege zu Hause. Ich bin mir bewusst, dass in diesem Bereich in den einzelnen Betrieben, aber auch in den Fachgesellschaften und auf Verbandsebene grosse Anstrengungen unternommen werden, damit dieses wichtige Anliegen die notwendige Aufmerksamkeit und laufende Verbesserung erfährt. Auch haben die Kantone, die Spitäler und die Versicherer mit dem ANQ, dem Nationalen Verein zur Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken, eine Plattform geschaffen, welche nationale Qualitätsmessungen im stationären Bereich vornimmt, wie dies auch dem Ziel der Qualitätsstrategie des Bundes entspricht.

Da wir das Gesundheitswesen in Zukunft mehr Richtung integrierte Versorgung ausrichten wollen, braucht es auch in der Entwicklung von Qualität und Patientensicherheit gemeinsame und koordinierte Anstrengungen. Zu diesem Zweck ist der Bund bereit, eine aktive und koordinierende Führungsfunktion in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen und den Akteuren im Gesundheitswesen zu übernehmen.

Hohe Qualität und Effektivität zu fördern bedeutet auch, dass wir immer besser wissen müssen, welche Behandlungen wann am besten erbracht werden. Die medizinische Forschung ist diesbezüglich an erster Stelle zu nennen. Doch auch die ärztlichen Fachgesellschaften sind bei der Entwicklung von Empfehlungen und Guidelines gefordert, welche die Leistungserbringer in der täglichen Arbeit und insbesondere in der Koordination der Leistungen im Sinne der integrierten Versorgung unterstützen. Diese sind hochgradig nützlich bei der optimalen Versorgung von Menschen mit chronischen Krankheiten.

In Zusammenhang mit Bestrebungen Richtung Disease Management möchte ich ein aktuelles Projekt nennen, das unter dem Namen QualiCCare läuft und das ich derzeit persönlich begleite. Anhand von zwei Pilotprojekten im Bereich von Diabetes Typ II und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) sollen spezifische und pragmatische Massnahmen zur Verbesserung der Behandlungsqualität erarbeitet werden. Dabei geht es darum, die Voraussetzungen für die optimale Zusammenarbeit der Leistungserbringer zu schaffen und zu verbreiten. Dabei wird selbstverständlich auf bestehendes Wissen abgestützt. So wurden ein Kanton, einzelne Leistungserbringer, Versicherer, Patientenorganisationen und die Industrie einbezogen. Ich bin davon überzeugt, dass mit solchen interdisziplinären und breit abgestützten Pilotprojekten eine Basis geschaffen werden kann, um das bestehende Verbesserungspotenzial in der Behandlung chronischer Krankheiten zu realisieren und breit zu verankern.

Auf Basis der Empfehlungen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates zur Bezeichnung und Überprüfung der Leistungen ist der Bundesrat ferner bereit, die Schaffung eines HTA-Instituts zu prüfen. In einem ersten Schritt werden Zielgruppen, methodische Arbeitsweise, Trägerschaft und Finanzbedarf geklärt und ein Vorschlag zur Umsetzung erarbeitet.
Damit könnte ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Effizienz, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung geleistet werden.

Ein zentrales Anliegen der Gesundheitspolitik ist auch die Prävention. Gemäss Ansicht des Bundesrates besteht im Bereich der Prävention von chronischen Krankheiten strategischer Handlungsbedarf. Wir alle haben ein starkes Interesse daran, dass die Menschen in unserer Gesellschaft möglichst gesund altern. Gezielte und besser koordinierte Prävention von chronischen Krankheiten wird uns - und davon bin ich überzeugt - einen menschlichen, gesellschaftlichen und ökonomischen „return on investment“ bringen.

Das Präventionsgesetz - oder besser gesagt das Präventionsorganisationsgesetz - bildet die Grundlage für das Handeln des Bundes. Zusammen mit unseren Partnern - den Kantonen, den Gesundheitsorganisationen und der Wirtschaft - wollen wir eine kohärente Präventionsstrategie entwickeln. Das Ziel ist es, mit den vorhandenen Mitteln mehr Wirkung im Bereich der chronischen Krankheiten zu erzielen und Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Und wir wollen, das ist zentral, die Selbstverantwortung der Menschen stärken. Das Gesetz wurde diese Woche von der ständerätlichen Kommission gutgeheissen und kommt in der Wintersession in den Ständerat – der Nationalrat hat das Gesetz bereits verabschiedet.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Mehr Qualität und Effizienz hat eine kostendämpfenden Effekt. Das vorhandene Rationalisierungspotential im Gesundheitswesen muss entsprechend besser genutzt werden. Wir müssen die Effizienz des Gesundheitssystems steigern. Wer am Ende nicht rationieren will, muss beizeiten rationalisieren.

Die Schweiz hat im internationalen Vergleich ein sehr gutes Gesundheitssystem – aber ohne Reformen ist der Erhalt der hochstehenden Gesundheitsversorgung zu vernünftigen Kosten gefährdet. Mehr Datengrundlagen und Transparenz sind für die Steuerung und Prioritätensetzung unverzichtbar.

Die Bedeutung der Transparenz

In den Leitlinien der gesundheitspolitischen Strategie des Bundesrates wird ergänzend zu Qualität und Effizienz denn auch die Erhöhung der Transparenz als wichtiger Pfeiler erwähnt. Für die Ausarbeitung von wirksamen Lösungen, für die politische Diskussion und für das Monitoring brauchen wir solidere Datengrundlagen. „You can't manage what you can't measure“ gilt auch für unser Gesundheitswesen.

Trotz gewissen Anstrengungen und Verbesserungen in der Vergangenheit, fehlen uns noch wesentliche Daten für die gesundheitspolitische Steuerung. Auch im neusten kürzlich veröffentlichten Bericht der OECD/WHO wird dieser Aspekt betont und der Schweiz dazu entsprechende Empfehlungen gemacht.

Wir brauchen zum Beispiel mehr Daten zum Bereich der chronischen Krankheiten, zu Fehl-, Unter- oder Überversorgung, zur Angemessenheit der Anwendung von Leistungen, zu Patientenoutcomes, zur Patientensicherheit. Des Weiteren müssen wir auch mehr wissen zu Qualität und Kosten der Leistungserbringung, insbesondere auch im ambulanten Bereich sowie zu den Folgen der demographischen Entwicklung für das Gesundheitspersonal.

Meine Damen und Herren

Es ist offensichtlich, dass es bei all den genannten Vorhaben echten Reformwillen aller beteiligten Partner braucht. Ohne Bereitschaft und volles Engagement werden wir nicht vorwärts kommen. Die Verzögerung oder Blockierung von Reformen, wie sie immer wieder drohen, bergen Zukunftsrisiken für das Gesundheitswesen der Schweiz. Denn die realen Herausforderungen sind wesentlich grösser als es der „gefühlte“ Reformbedarf vermuten lässt.

Einen Rückschritt können wir uns aber weder gesellschaftspolitisch noch finanziell leisten. Wir müssen die nächsten Etappen unseres langen Weges in Angriff nehmen und sie als Team zum Erfolg führen. Jeder muss gemäss seiner Kompetenzen Verantwortung wahrnehmen.

Die gesundheitspolitischen Akteure haben in unserem liberal verfassten Land eine vergleichsweise starke Position. Und das ist gut so – diese Stärke der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft, aber auch der Kantone, ist eine Stärke der Schweiz. Aber wir dürfen das Allgemeinwohl nicht aus den Augen verlieren. Unsere Stärke liegt im Beitrag jedes einzelnen zu einem optimalen Resultat. Und in diesem steten Bestreben, qualitativ hochstehende und wettbewerbsfähige Leistungen zu erbringen, finden sich unsere gemeinsamen Interessen. Diese gemeinsamen Interessen fördern Prosperität und Stabilität unserer Gesellschaft.

Wenn Sie mir erlauben, zitiere ich aus einem Dokument, dass so berühmt ist, dass wir dazu neigen, es nicht mehr zu lesen: Unsere Bundesverfassung. Artikel 2 bis lautet: „(Die Schweizerische Eidgenossenschaft) fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.“

Die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, der inneren Zusammenhalt: All dies steht auf dem Spiel, wenn wir es verpassen, unsere Sozialsysteme, insbesondere auch unser Gesundheitssystem, sinnvoll zu reformieren und damit zukunftsfähig zu machen.

Die Reform unseres Gesundheitssystems ist und bleibt ein „work-in-progress“. Um Max Weber etwas verfälscht zu zitieren: Die Bretter, die wir in der Gesundheitspolitik bohren, sind besonders dick. Aber reformerisches Engagement lohnt sich nirgends so sehr wie in jenem Bereich, der uns alle existentiell betrifft.

Gerne benutze ich die Gelegenheit, Ihnen für Ihr bisheriges und vor allem auch für Ihr künftiges Engagement zugunsten der zukunftsweisenden Ausrichtung des Gesundheitswesens als eine offene, transparente und qualitätsorientierte Dienstleistungsgemeinschaft zu danken. In diesem Sinne wünsche Ihnen eine interessante und produktive Arbeitstagung. Möge sie dazu dienen, gemeinsam zukunftsweisende Lösungsansätze zum Wohl der Patientinnen und Patienten voranzutreiben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine spannende und produktive Arbeitstagung.

13. Arbeitstagung Nationale Gesundheitspolitik - „Qualität, Effizienz, Transparenz. Durch Synergien zu einem nachhaltigen Gesundheitssystem“