Sehr geehrter Herr Dr. Weiss
Sehr geehrte Frau Weiss
Sehr geehrter Herr Regierungsrat Fischer
Sehr geehrte Vertreter der politischen Behörden
Sehr geehrte Präsidenten der verschiedenen Gremien des Museums
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums
Sehr geehrte Damen und Herren

Haben Sie den Klang der Drehorgeln auf dem Jahrmarkt, die einst von Hand gedreht wurden, und die Musik der Kinderkarusselle auch noch in den Ohren?

Sind Sie als Kinder ebenfalls fasziniert vor Kuckucksuhren in Souvenirläden gestanden? Und haben auch Sie die Musik aus der Spieldose bei den Grosseltern und die Uhren mit den Figuren, die sich zur Musik drehten, bewundert? Vielleicht erinnern Sie sich auch noch an die Saloons in den Westernfilmen, wo die Klaviere, wie von Geisterhand getrieben, ganz von alleine spielten?

All diese mechanischen Instrumente, meine Damen und Herren, sind die Zeugen einer Zeit lange vor dem Internet-Radio, dem iPod oder CD-Player. Was unsere Zeit aber mit diesen Musikautomaten verbindet, ist der Versuch, die Musik nicht nur einem erlauchten Kreise, sondern einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Mit der Drehorgel brachten die Moritatensänger – in gewisser Weise ist das die Boulevardpresse von früher – Informationen zusammen mit der Musik in die Dörfer, und sie stillten damit das Bedürfnis nach Liedern und Geschichten. Und die Musikautomaten machten auf mechanische und fast magische Weise die Vervielfältigung von Musikstücken und die Verbreitung der neusten Hits und Opernouvertüren möglich.

Im Wetteifern um Innovationen und technische Neuerungen in der «Musikindustrie» spielte die Schweiz, so erfuhr ich erst viel später, damals eine bedeutende Rolle. Denn die Geschichte und Entwicklung der mechanischen Musikinstrumente ist sehr eng mit der Uhrmacherei verknüpft – denken wir an die Glockenspiele des Mittelalters, zum Beispiel an den Zytglogge-Turm in Bern, aber auch an die Flötenuhren, Musikuhren, Spiel- oder Kuckucksuhren.

Das Wissen, wie man aufwändige Uhrwerke konstruiert, wurde auf den grossen Menschheitstraum, Maschinen als automatische Helfer zu schaffen, übertragen. So entstanden die seltsamsten Apparate und die wunderbarsten Automaten, manche davon sind wahre Kunstwerke.

Es war ein Uhrmacher aus La Chaux-de Fonds, der in dieser Entwicklung einen wichtigen Platz einnahm, Pierre Jacquet-Droz. Jacquet-Droz entwickelte im 18. Jahrhundert Pendeluhren mit singenden Vögeln. Zu seinen besonders spektakulären Erfindungen gehören drei lebensähnliche, mechanische Menschen, die noch heute fähig sind, die erstaunlichsten Dinge aufzuführen: sie konnten schreiben, Bilder zeichnen oder eben – Musikinstrumente spielen. Diese drei raffinierten Menschenautomaten – ein Zeichner, ein Schreiber und eine Klavierspielerin – sind noch heute im Historischen Museum in Neuenburg ausgestellt.

Auch bei der Geschichte der Musikdosen spielte die Musik in der Schweiz, genauer gesagt in Sainte-Croix im Waadtländer Jura. Man stelle sich vor, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 80 Prozent aller weltweit produzierten Musikdosen aus dem Jura stammten! Und in Genf wurde die erste Taschenuhr mit Musik erfunden.

Parallel zur Entwicklung der Musikuhren entstanden immer grössere Drehorgeln, Schaustellerorgeln, und Orgeln mit immer komplizierteren Steuerungsmechanismen. Und daneben, eben, auch mechanische, selbstspielende Klaviere und Orgeln.

Die mechanischen Klaviere wurden zwar nicht in der Schweiz erfunden – sie kamen aus Leipzig und Amerika. Aber hier, in Seewen, entstand ein höchst aussergewöhnliches, ein ganz bezauberndes und bedeutendes Musikautomaten-Museum, das Museum von Heinrich Weiss, der heute hier gemeinsam mit seiner Frau anwesend ist. Herr Weiss hat sein Museum für Musikautomaten im Jahr 1990 grosszügigerweise dem Bund geschenkt. Daher ist es überhaupt erst möglich geworden, hier einen ganz besonderen Teil der Schweizer Geschichte auszustellen, die Geschichte der Musikdosen, der Musikautomaten und nun, in der neuen Sonderausstellung, die heute eröffnet wird, auch die Geschichte der selbstspielenden Klaviere und einer ganz speziellen selbstspielenden Orgel.

Möglicherweise sind Ihnen solche Klaviere, die wie von Geisterhand getrieben, in den schicken Salons, den guten Stuben gutbürgerlicher Familien und auf Hochseedampfern, ganz ohne Menschen spielten, schon bekannt. Möglicherweise haben Sie solche Klaviere in Filmen oder Museen schon gesehen. Vielleicht haben Sie sogar schon einmal eine selbstspielende Orgel gehört – für mich ist es hier im Museum in Seewen das erste Mal und ich bin sehr beeindruckt, wie das klingt und gespannt, noch weitere Stücke zu hören.

Interessanterweise kam mit der Erfindung der selbstspielenden Klaviere auch die Idee auf, Pianisten – berühmte und weniger berühmte – in die Studios zur Aufnahme kommen zu lassen. Allein die Firma Welte hat rund 5‘000 Titel von Künstlern aufgezeichnet – und sie brachte damit mechanische Instrumente hervor, die die kompliziertesten Stücke verschiedenster Komponisten vollautomatisch spielen konnten. Möglichst genau so, wie die Pianisten sie gespielt haben. Das war schon eine kleine Weltsensation. Aber: Sie war leider nur von kurzer Dauer. Mit den aufkommenden Plattenspielern und dem Rundfunk fand die Produktion der selbstspielenden Klaviere und Orgeln endgültig ihr Ende.

Wie sie von Christoph Hänggi bereits gehört haben, ist «Wie von Geisterhand» der Titel der aktuellen Ausstellung des Museums für Musikautomaten Seewen zum 100-Jahr-Jubiläum der Welte-Philharmonie-Orgel. «Wie von Geisterhand» ist aber auch der Name eines Projektes vom Schweizerischen Nationalfonds. Das Projekt soll Musikrollen von mechanischen Musikinstrumenten digitalisieren und erforschen – im speziellen die Klavier- und Orgelrollen der Firma M. Welte & Söhne.

Die musikwissenschaftliche Erforschung der Musikrollen dürfte wohl eines der spannendsten Projekte des Museums für Musikautomaten werden. Es ist schon erfreulich, dass sich das Museum Seewen zusammen mit anderen wichtigen Institutionen der Schweiz – etwa der Berner Fachhochschule, der Hochschule der Künste Bern (HKB) und der Fonoteca Nazionale in Lugano – dieser Thematik widmet. Wie ich gehört habe, sind im Rahmen dieses Projektes schon jetzt einige Interpretationen von Schweizer Organisten oder von ausländischen Organisten mit einem Bezug zur Schweiz entdeckt worden, Musik also von Organisten, von denen es bis jetzt keine akustischen Aufnahmen gab.

Dass wir hier heute diese Ausstellung eröffnen können, ist nicht nur das
Verdienst des Teams des Museums für Musikautomaten, sondern vor allem auch der Weitsichtigkeit von Heinrich Weiss zu verdanken. Als Sammler hat Herr Weiss bereits in den 50er Jahren angefangen, Schweizer Musikdosen zu sammeln, nachdem er bemerkte, dass diese Aufgabe in der Schweiz vernachlässigt wird. Selbst im Ursprungsgebiet der Musikdosen, in Genf und Sainte-Croix, wird nicht sehr intensiv an diesem Thema gearbeitet. Herr Weiss gelang das Kunststück, in den 60er Jahren die Welte-Philharmonie-Orgel – die sogenannte Britannic-Orgel – zu erwerben und dazu erst noch den bedeutenden Schatz von sage und schreibe über 1‘200 Musikrollen mit den historischen Aufnahmen einer Organisten-Generation, von der es sonst nur ganz wenige akustische Aufnahmen gibt.

Vor 30 Jahren, 1979, hat Herr Weiss hier in Seewen ein Museum eröffnet und seine Sammlung der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Es war sehr weitsichtig, dass sich die Familie Weiss im Jahre 1990 entschloss, Museum und Sammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu schenken. Seit damals wird das kleine Juwel als Museum des Bundes weitergeführt.

Die jetzige Ausstellung reiht sich nahtlos ein in eine Reihe von spannenden Sonderausstellungen der letzten Jahre zu Themen wie Bahnhofautomaten, Figurenautomaten, Phonographen und Grammophonen oder Schweizer Musikdosen. Im Zentrum der Ausstellung, die heute eröffnet wird, steht die Welte-Philharmonie-Orgel, die 2007 restauriert wurde.

Meine Damen und Herren, in der Schweiz gibt es heute über 1‘000 Museen – sie alle vergegenwärtigen und erhalten uns die Vergangenheit, die Geschichte, die Entwicklungen, Neuerungen, Veränderungen, die regionalen und kulturellen Verschiedenheiten, die Liebe zum Verschwindenden, die Faszination am Vergangenen. Der Bund betreibt insgesamt nur 14 Museen, und zu diesen Museen gehört auch das Museum hier in Seewen.

Die Museen des Bundes sind in der Regel im Standortkanton verwurzelt und sie werden teilweise von der kommunalen oder kantonalen öffentlichen Hand mitfinanziert. In diesem Zusammenhang möchte ich die Zusammenarbeit mit dem Kanton Solothurn hier in Seewen hervorheben. Ich möchte ganz speziell Ihnen, Herr Regierungsrat Klaus Fischer, für Ihr Engagement für dieses aussergewöhnliche Haus hier danken.

In Februar dieses Jahres hat der Bundesrat die Kulturbotschaft über die strategische Ausrichtung der Kulturpolitik des Bundes für die Jahre 2012 bis 2015 zu Handen des Parlaments verabschiedet. Sie wurde inzwischen auch durch die Eidgenössischen Räte verabschiedet. Gerne komme ich in diesem Zusammenhang auf die
künftige Museumspolitik des Bundes zu sprechen.

Das Engagement des Bundes beschränkt sich auf Aktivitäten, Organisationen und Institutionen von gesamtschweizerischem Interesse.

Der Bund trägt dazu bei, dass aktuelle Themen und für die Schweiz bedeutende Werke vermittelt werden. Er legt ein besonderes Gewicht auf die Förderung des Zugangs zur Kultur.

Die Bundesaktivitäten sind in allen Landesregionen verankert. Der Bund möchte der Bevölkerung aller Landesregionen und Sprachgemeinschaften einen örtlichen Zugang zu einem Bundesmuseum ermöglichen.

Die Bundesmuseen sind mit einer möglichst hohen Autonomie ausgestattet.

Entsprechend entstand ein Gesetz über die Museen und Sammlungen des Bundes, welches nicht nur die Aktivitäten des Schweizerischen Nationalmuseums abdeckt, sondern auch die weiteren Bundesmuseen, einschliesslich des Museums hier in Seewen. Mit diesem Gesetz gibt es:

einen
Auftrag an alle Bundesmuseen, als «Gedächtnis des Landes» das kulturelle Erbe von
gesamtschweizerischem Interesse zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen und zeitgerecht zu vermitteln.
Im weiteren soll die
Zusammenarbeit zwischen den Museen gefördert werden.
Ausserdem soll die
Autonomie der Bundesmuseen gestärkt werden.

Weiter hat der Bundesrat im Jahr 2010 auch die Inkraftsetzung der Verordnung über den Museumsfonds des Bundesamtes für Kultur beschlossen. Der Museumsfonds erlaubt es den drei direkt dem Bundesamt für Kultur unterstellten Museen, dazu gehört auch das
Museum für Musikautomaten in Seewen, ihre selbst erwirtschafteten Einnahmen für eigene Zwecke einzusetzen. Damit erhalten die Museen einen Anreiz, ihren Eigenfinanzierungsgrad zu erhöhen.

Lieber Herr Weiss, Liebe Frau Susanne Weiss
Sehr geehrter Herr Regierungsrat
Sehr geehrte Damen und Herren

Gerne möchte ich an dieser Stelle allen Beteiligten meinen
Dank aussprechen.

Ich danke den Mitarbeitenden des Museums unter der Leitung von Christoph Hänggi für die grosse Vorarbeit, die in den letzten Monaten geleistet wurde. Ohne diese grosse Leistung wäre dieser Tag heute nicht möglich.

Ich danke Heinrich Weiss für die vorausschauende Weitsicht, eine so aussergewöhnliche Sammlung anzulegen, die vom Bund in den letzten Jahren nun erweitert und gepflegt werden konnte. Ich danke ihm auch für die Initiative, vor 30 Jahren hier ein Museum zu eröffnen.

Ich danke im weiteren den Museumsführerinnen und den Personen am Empfang, in der Aufsicht und im Museumsshop, die die Gäste in den nächsten Monaten begrüssen und bedienen werden. Es braucht ein engagiertes Team, das gut zusammenarbeitet, damit so ein Museum funktionieren kann.

Ich freue mich, diese Ausstellung mit dem Titel «Wie von Geisterhand» im Museum für Musikautomaten eröffnen zu dürfen und wünsche dem Museum hier in der Nordwestschweiz – dem einzigen Bundesmuseum in dieser Region – eine erfolgreiche Zukunft. Die Ausstellung ist hiermit eröffnet.

Die Musik der mechanischen Instrumente spielt in der Schweiz