Sehr geehrte Frau Präsidentin
Sehr geehrter Herr Direktor
Sehr geehrte Damen und Herren
Geschätzte Unternehmerinnen und Unternehmer

Sie haben jetzt einen Tag lang über die Frage diskutiert, wie die Schweizer Exportindustrie wieder zum Fliegen gebracht werden kann.
Ihre Diskussionen zeigen mir zweierlei:

Sie zeigen mir, dass Sie die Zukunft aktiv gestalten wollen.
Und Sie zeigen mir, dass Sie an eine Zukunft in unserem Land glauben, an den Werk- und Denkplatz Schweiz also.

Ihre Haltung, meine Damen und Herren, verdient allerhöchste Anerkennung, denn Sie beweist, dass Ihnen dieses Land und seine Zukunft am Herzen liegen.

Damit vertreten wir die gleichen Positionen und die gleichen Werte.

Mir ist es als Wirtschaftsminister ein zentrales Anliegen, heute das zu tun, was künftigen Generationen dieselben lebenswerten Grundlagen schaffen hilft, die wir heute kennen. So habe ich mich in meiner ersten Rede als Bundesrat positioniert. Und so positioniere ich mich heute.

Etwas über 500 Tage liegt mein Amtsantritt nun zurück - unser Land hatte gerade den heftigsten Wirtschaftseinbruch seit Generationen hinter sich. Wohl kaum einer glaubte, dass es nur wenige Monate später wieder ähnlich turbulent zugehen würde.

Nicht zuletzt, weil die Schweiz die erste Krise so gut gemeistert hatte, wurde der Franken fast täglich attraktiver und damit immer stärker. Mit dem Resultat, dass das, was man an Produktivität gewann, vom starken Franken sofort wieder weggefressen wurde.

Und das trieb uns in die zweite Krise.

Normalisiert hat sich die vor allem für die Exportwirtschaft dramatische Situation erst wieder, als die Schweizerische Nationalbank am 6. September des letzten Jahres eine Auffanglinie zum Euro eingezogen hat.

Diese Untergrenze hat es Ihnen als Unternehmerinnen und Unternehmer ermöglicht , Ihre Geschäfte auf einer gesicherten Basis zu planen.

Es ist mir sehr bewusst, 1.20 als Untergrenze war tief und ist es immer noch, aber wenigstens entstand dadurch eine gewisse Planungssicherheit. In der Folge hat sich das Wirtschaftswachstum bis Ende Jahr deutlich abgeflacht, zu einer Rezession ist es aber nicht gekommen.

Prima vista hat die Schweizer Wirtschaft die Konjunkturdelle relativ unbeschadet überstanden. Und die verschiedenen Konjunkturforschungsstellen kommen zusammen mit unserem Staatssekretariat für Wirtschaft zum Schluss, dass wir in diesem Jahr mit einem schmalen Wachstum rechnen können.

Sind wir also über dem Berg? Oder wie Sie es in Ihrer Einladung formulieren: Sind wir Ready for take off?

Ich bin überzeugt, wir dürfen optimistischer sein als vor drei Monaten. Schaut man allerdings etwas genauer hin, wird schnell sichtbar, dass der Optimismus längst nicht in allen Branchen gleich angebracht ist. So zeigt die Februarstatistik der Zollverwaltung, dass sich der Aussenhandel nach einem erfreulichen Start ins neue Jahr unerwartet schwach entwickelt hat. Schuld daran sind die Märkte in den EU-Ländern, wo die Nachfrage nach Schweizer Produkten deutlich zurückgegangen ist. Das ist insofern äusserst bedeutend, verdient die Schweizer Wirtschaft doch jeden dritten Franken im EU-Markt. Und damit ist auch jeder dritte Arbeitsplatz mehr oder weniger direkt mit dem Handel mit der EU verbunden.

Meine Damen und Herren,
wenn Sie sich hier und heute so zahlreich treffen, zeigt mir das wie gesagt, dass Sie an den Werk- und Denkplatz Schweiz glauben.

Und dennoch: Genau diesen Werkplatz betrachte ich mit einer gewissen Sorge. Es ist die Sorge, dass sich unser Land schleichend deindustrialisieren könnte. Einige Dutzend Arbeitsplätze hier, einige Dutzend Stellen dort, die Meldungen über Arbeitsplatzabbau fallen noch nicht aus den Schlagzeilen.

Natürlich, nicht jeder Arbeitsplatz, der verloren geht, ist gleich auch Ausdruck einer Deindustrialisierung. Viel hat mit nötigen und „gesunden" Strukturanpassungen zu tun.

Aber ich bin nicht bereit, alles unter dem Begriff Strukturwandel zu akzeptieren. Strukturwandel hat auch etwas damit zu tun, wie man sich als Unternehmer definiert.

Der Unternehmer, so sagte einmal Branco Weiss, sieht Chancen, die andere nicht sehen. Für mich heisst das: Anpacken und aktiv handeln. Auch im eigenen Land.

Kürzlich habe ich mit dem Chef eines Weltkonzerns über den Abbau von einigen hundert Arbeitsplätzen gesprochen. Im Normalfall gibt's da nicht viel zu diskutieren. Doch dieser Chef meinte, er habe den Traum, zusammen mit den Sozialpartnern und der Politik die Bedingungen zu schaffen, diesen Abbau zu verhindern. Die Parteien sind zusammen gesessen und haben nach möglichen Lösungen gesucht. Drei Monate haben Sie gearbeitet - dann war der grösste Teil der Arbeitsplätze gerettet.

Dieses Beispiel zeigt, es ist mehr möglich als man oft im ersten Moment denkt. Hier hat, wie Sie heute Nachmittag diskutiert haben, das Unmögliche erfinderisch gemacht und eine Lösung gebracht, die allen dient, dem Unternehmen, den Arbeitern und Angestellten, der Region, ja der ganzen Schweiz.

Eine Deindustrialisierung darf nicht sein. Denn damit wird ein strategischer Vorteil aufs Spiel gesetzt, der unsere Wirtschaft stark gemacht hat. Der strategische Vorteil nämlich, dass die Schweizer Wirtschaft immer noch einen sehr starken industriellen Kern hat, den sie durch intelligente, industrienahe Dienstleistungen ergänzt. Dadurch kann die Schweiz integrierte Wertschöpfungsketten offerieren.

Wie das geht, hat die Uhrenindustrie mit ihrem neuen Rekordergebnis auch im letzten Jahr wieder eindrücklich gezeigt.

Sie hat einmal mehr vorgemacht, was echtes Unternehmertum ist. Einmal mehr lebt sie vor, dass eine Wirtschaft auch dann blühen kann, wenn sie sich sozusagen auf die Zeit ausrichtet und nicht auf den Tag. Die Uhrenindustrie hat bewiesen, dass eine Massenproduktion nicht nur möglich, sondern auch nötig ist, will man auch ein Technologiestandort erster Güte sein.

Ich bin überzeugt, dass technologische Entwicklung nur dann erfolgreich möglich ist, wenn gleichzeitig auch produziert wird. Das rufe ich all den Unternehmerinnen und Unternehmern zu, die sich heute mit der Frage tragen, Ihre Betriebe ganz oder teilweise in Länder auszulagern, wo die Löhne tiefer und damit die Margen höher sind. Es ist mir klar, an attraktiven Lockrufen fehlt es nicht. Dennoch bin ich dezidiert der Meinung, es lohnt sich, genauer zu analysieren, was die Schweiz als Werkplatz alles zu bieten hat. Und vor allem können die Lohnkosten nicht das abschliessende Kriterium für eine Standortwahl sein. Ich weiss aus Erfahrung, eine in erster Linie mit Lohnkosten begründete Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer hat schon mancher Unternehmer teuer bezahlt, bevor er reumütig in die Schweiz zurückgekehrt ist. Insbesondere unser ausserordentlich liberales Arbeitsgesetz, das auf der jahrzehntelangen Tradition einer vertrauensvoll gelebten Sozialpartnerschaft beruht, ist in der heutigen Welt der schnellen Entwicklungen und der damit verbundenen schnellen Entscheidungsnotwendigkeiten ein echter komparativer Vorteil.

Zudem bietet unser Land mit seinem dualen Bildungssystem erstklassige Bildungs- und Forschungsinstitutionen.

Schliesslich wären auch sogenannt weiche Faktoren zu nennen, die Lebensqualität, die Sicherheit, die saubere Luft, die intakte Natur oder das hervorragende Kulturangebot.

Ich habe die Ambition, alles dafür zu tun, dass sich unser Land nicht deindustrialisiert. Auch nicht schleichend. Ich will, dass unser Land auch in Zukunft ein starker Werk- und Denkplatz bleibt. Mein Ziel ist es, zusammen mit der Politik die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass möglichst alle Menschen in unserem Land eine Arbeit haben, denn Vollbeschäftigung ist der beste Stabilisator einer Gesellschaft.

Arbeit ist mehr als nur eine Beschäftigung, Arbeit gibt dem Leben einen Sinn. Denn mit seiner Arbeit trägt der Mensch etwas zum Gelingen der Gesellschaft bei, das schafft individuelle Zufriedenheit. Das ist bei allen Menschen gleich, wenn auch nicht gleich ausgeprägt, die Interessen sind ebenso unterschiedlich wie die Fähigkeiten und Fertigkeiten anders sind. Aber genau das macht eine Gesellschaft vielfältig und damit reich. Aber es verlangt von dieser Gesellschaft, dass sie eine möglichst breite Palette von Tätigkeiten anbietet, Arbeitsfelder, die Sie in Ihren Unternehmen anbieten können. Denn auch das gehört in meinen Augen zum gelebten Unternehmertum.

Ich bin zutiefst überzeugt, nur wenn es unserem Land gelingt, allen eine Perspektive zu bieten, können wir wettbewerbsfähig bleiben oder noch wettbewerbsfähiger werden, können wir Vollbeschäftigung und Wohlstand erwirken und die Schweiz souverän erhalten.

Damit schaffen Sie, sehr geehrte Unternehmerinnen und Unternehmer, die Basis für unseren Take-off, die Basis dafür, wie die Exportwirtschaft wieder zum Fliegen kommt.

Wir von der Politik leisten ebenfalls unseren Beitrag. Ich habe dem Bundesrat beantragt, die Mittel für Innovation in den kommenden Jahren mehr zu erhöhen als die Bildungsausgaben im Allgemeinen. Für mich ist die Innovationsförderung die beste Wirtschaftsförderung, denn sie wirkt mittel- und langfristig. Und sie entspricht einem effektiven Bedürfnis unserer Unternehmen, also von Ihnen. Das haben wir mit Freude festgestellt, als der 100-Millionen-KTI-Sonderkredit gegen die Frankenstärke weit schneller ausgebucht war, als wir uns das jemals vorgestellt hätten. Innert Wochen wurden über 1000 Projekte eingereicht, weit mehr, als in der zur Verfügung stehenden Zeit behandelt werden konnten. Und der Grossteil der Projekte entsprach durchaus den vorgegebenen hohen qualitativen Kriterien.

Dass nur ein Teil der Gesuche behandelt werden konnte, ist leider etwas wie der Wermutstropfen des Erfolgs. Allerdings haben wir schnell reagiert und dem Parlament einen Nachtragskredit beantragt, damit noch jene Projekte finanziert werden können, welche die Kriterien erfüllt hätten, aber in der Zeitfalle hängen geblieben sind.

Ich kann Sie nur auffordern, machen Sie von diesem Instrument Gebrauch, denn für Sie als Unternehmerinnen und Unternehmer der KMU-Wirtschaft ist es effektiv gedacht.

In diesem Zusammenhang kann ich analog zu Lothar Spät, dem früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg sagen: „Mich reizt es, zu zeigen, was in der Schweiz steckt."

Meine Damen und Herren,

Sie wissen, von einer Industriepolitik à la Française halte ich nichts. Nicht die Politik muss entscheiden, wo investiert wird, sondern der Markt.

Aufgabe der Politik ist es hingegen, die Rahmenbedingungen so optimal zu gestalten wie immer nur möglich, sei es im Inland, sei es aber auch im Ausland.

Es ist deshalb ein prioritäres Anliegen des Bundesrates, das Netz von Freihandelsverträgen, Doppelbesteuerungs-Abkommen und Investitionsschutz-Abkommen weiter auszubauen, um Ihnen und Ihren Unternehmen so den Zugang zu fremden Märkten zu erleichtern. Gerade in Zeiten, wo die alten Märkte schwieriger geworden sind, werden die Länder Asiens und des Fernen Ostens zunehmend attraktiver. Dabei denke ich nicht nur an China und Indien, wo derzeit Freihandelsabkommen verhandelt werden.

Ich denke auch an die Türkei, die ich letzte Woche mit einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation besuchte. Ich habe ein Land angetroffen, das die Ambition hat, bis in zehn Jahren zu den 10 grössten Wirtschaftsmächten der Welt zu gehören. Sie können sich vorstellen, welches Potenzial in diesem Land steckt. Dabei habe ich nicht etwa nur die gut 72 Millionen Einwohner im Auge. Ich denke auch an die geopolitische Lage der Türkei, die sich bestens eignet als Hub für die Bearbeitung einer ganzen Region, deren Dynamik stetig zunimmt.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie bereits heute auf die Abstimmung über die Staatsverträge vom kommenden 17. Juni hinweisen. Sie haben zu entscheiden, ob alle wichtigen Staatsverträge zwingend der Volksabstimmung unterbreitet werden müssen. Diese Praxisänderung hätte in unseren Augen zwei Konsequenzen:

Die Verfahren würden unnötigerweise verlängert
Die Schweiz würde möglicherweise ihren ausgezeichneten Ruf als verlässliches Partnerland riskieren.

Unserer Ansicht nach ist eine solche Praxisänderung nicht nötig, hat doch bereits heute das Volk die Möglichkeit, sich zu den wesentlichen aussenpolitischen Fragen zu äussern.

Lassen Sie meine Ausführungen mit einem Dank schliessen. Dieser Dank, meine sehr geehrten Unternehmerinnen und Unternehmer, geht zuallererst an Sie. Sie tragen meine Politik, Sie sorgen für die entsprechenden Resultate.

Dann geht der Dank an die Osec und alle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im In- und Ausland. Die Osec hat ein Rekordjahr hinter sich, was ihre Beratungsleistungen angeht. Nicht zuletzt ihrer verstärkten branchenmässigen Ausrichtung wegen hat sie im letzten Jahr zahlreiche neue Kunden gewonnen, deren Anliegen es ist, mit ihren Produkten neue Märkte zu erobern. Wenn es in Zukunft gelingt, noch mehr Türen in den grossen Wachstumsmärkten zu öffnen, sind die zusätzlichen 9 Millionen Franken, die das Parlament im letzten Herbst für die Osec gesprochen hat, gut investiertes Geld. Und ich rufe Ihnen gerne zu: Take off und vor allem: happy landing.

Es gilt das gesprochene Wort!

Ich habe eine Ambition