Bei uns sagt der Volksmund: Wer wagt, gewinnt. Oder: Frisch gewagt ist halb gewonnen. Das bedeutet nichts anderes als Ihr Motto dieser beiden Tage: rewarding courage.

Mir gefallen die beiden Sprichwörter, weil sie eine erfrischend liberale Aussage enthalten: Die Belohnung für den Mut stellt sich von selbst ein. Es ist nicht etwa der Staat, der den Mutigen belohnt, sondern das Leben.

Nur Freiheit kann Mut fördern
Damit sind wir schon mitten in der Politik. Denn bereits haben wir das Erfolgsrezept der freien Gesellschaft entdeckt: Wer mutig ist, der muss etwas wagen dürfen. Und wer etwas wagt, der muss etwas gewinnen können. Im gesellschaftlichen Bereich wird das Anerkennung und Prestige sein; und in der Wirtschaft müssen sich unternehmerischer Mut und Risikobereitschaft auch geldmässig lohnen.

Sie werden sicher im Rahmen dieser Veranstaltung die ökonomischen Anreize und Auswirkungen vertieft diskutieren. Ich möchte hier deshalb den Blick auf die staatspolitischen Aspekte richten:

Das Erfolgsrezept ist einfach, es heisst Freiheit. Damit wäre auch die Rolle der Politik gegeben: Sie muss für einen Rechtsstaat sorgen, der den Bürgern die Freiheit lässt, sich zu entfalten. Wer Mut zeigt, der wagt etwas, der ergreift die Initiative, nimmt das Schicksal in die eigenen Hände. Er wird aktiv, bewegt sich und damit auch andere. Das ist die Energie, die erfolgreiche Gesellschaften und dynamische Volkswirtschaften antreibt.

Allerdings hören und lesen wir derzeit mehr von Wutbürgern als von Mutbürgern. Die Schuldenkrise hat ihn hervorgebracht, diesen sogenannten Wutbürger. Er ist in kurzer Zeit zum neuen Symbol für Unzufriedenheit und Frustration geworden. Ganz offensichtlich läuft weitherum politisch einiges falsch.

Ich meine, es liegt daran, dass Mut falsch verstanden wird. Als mutig gelten heute die grossen Visionen des Internationalismus. Als mutig gilt eine Politik über die Köpfe der betroffenen Bevölkerung hinweg. Und offenbar gilt es auch als mutig, mit kühnen Zentralisierungsprojekten vorwärts zu stürmen und die Bürger hinter sich zurückzulassen.

Gleichzeitig muss sich der mutige Unternehmer in Übervorsichtsgesellschaften mit Vorschriften und Formalitäten herumschlagen. Der Mutige braucht heute zuerst eine amtliche Genehmigung, bis er mutig sein kann. Und wer doch noch wagt und gewinnt, muss mit seinem Gewinn unersättliche Steuerstaaten füttern. So lohnt sich Mut nicht mehr.

Wir bewegen uns immer weiter weg von der Gesellschaft, in der frisch gewagt schon halb gewonnen ist.

Das ist Paradox: Gerade erst haben wir miterlebt, wie der Sozialismus eine wirtschaftliche Ruinenlandschaft hinterlassen hat. Aber bereits wird schon wieder das liberale Staatsmodell in Frage gestellt. Nicht offen und direkt. Sondern gut getarnt mit schönen Bekenntnissen und vorgeblich hehren Absichten. Man spricht von internationaler Zusammenarbeit und von globalen Lösungen. Die Wahrheit aber ist: Die einzelnen Länder verlieren an Selbstbestimmung. Es werden ihnen neue Entscheidstrukturen übergestülpt. Da entstehen neue Gremien und Ausschüsse, die sich in die nationale Gesetzgebung einmischen und Vorschriften erlassen, Vorschriften erlassen, Vorschriften erlassen. Und das ohne wirkliche demokratische Legitimation.

Säulen des Liberalismus in Gefahr
Das Erfolgsmodell Liberalismus ist darum unter Druck wie schon lange nicht mehr, vor allem durch internationale Organisationen. In der Schweiz stellen wir das deutlich fest. Nehmen wir nur drei Beispiele: Privatsphäre, Steuern und Regulierung.

Zur Privatsphäre: In einer freiheitlichen Demokratie ist der Staat gläsern. In totalitären Staaten ist der Mensch gläsern. Zu den Grundwerten eines liberalen Staates gehört, dass der Bürger den Staat überwacht, und nicht der Staat den Bürger.

Darum haben wir hierzulande seit Jahrzehnten eine geschützte Privatsphäre. Auch im finanziellen Bereich. Diese liberale Selbstverständlichkeit ist in den letzten Jahren von andern Staaten und internationalen Organisationen massiv kritisiert worden.

Natürlich arbeiten zivilisierte Staaten zusammen. Gerade auch in der Verbrechensbekämpfung; für die Schweiz ist das seit langem gängige Praxis. Nun wird aber die Bekämpfung von Verbrechen immer mehr einfach zum Vehikel. Etwa unter dem Titel der Geldwäschereibekämpfung oder der Verhinderung von Steuerdelikten werden die Staaten mit Kompetenzen aufgerüstet und die Stellung der Bürger geschwächt. Für mich ist klar: Die Verfehlungen von einigen wenigen werden zum Vorwand genommen, den Bürger pauschal und länderübergreifend unter Verdacht zu stellen.

Das bedeutet das Ende des Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat. Und damit auch das Ende des liberalen Erfolgsmodells. Der automatische Austausch von Bankdaten beispielsweise führt genau dorthin, wo kein Liberaler hingehen will: Zum Überwachungs- und Kontrollstaat.

Zu den Steuern: Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass Steuern notwendig sind. Aber ebenso wenig kann jemand ernsthaft behaupten, dass möglichst tiefe Steuern etwas Schlechtes seien. Sie erinnern sich: Wir sprechen vom Mut, der sich lohnen muss. Dasselbe gilt für die Leistung. Auch diese soll sich lohnen. Hohe Steuern lähmen Leistung und unternehmerischen Mut.

Heute geht die internationale Diskussion in eine ganz andere Richtung. Staaten wie die Schweiz, die eine weniger drückende Steuerbelastung haben als andere, werden als Steueroase oder als Steuerparadies bezeichnet. An sich fällt die Bezeichnung ja auf den Absender zurück, weil er damit zugibt, dass er selbst eine Steuerwüste oder Steuerhölle ist. Nun hilft das aber wenig, weil internationale Machtpolitik nicht auf Argumente achtet.

Zur Regulierung: Der Trend geht sehr stark in Richtung mehr Vorschriften und administrativen Aufwand. Insbesondere auch getrieben durch internationale Organisationen, die sogenannte globale Standards anstreben. In der Schweiz spüren wir das deutlich: Unsere historisch gewachsene freiheitliche Ordnung und unser liberaler Rechtsstaat kommen immer stärker unter Druck. Man verlangt von der Schweiz, dass wir internationale Regelwerke übernehmen - bis hin zum Nachvollzug des EU-Rechts.

Bislang hat unsere direkte Demokratie als freiheitliche Bremse gewirkt: Bei uns treffen die Bürgerinnen und Bürger alle wichtigen Entscheide per Volksabstimmung. Gesetze, welche die Freiheit stark einschränken wollten, wurden in vielen Fällen abgelehnt. Das wird immer weniger möglich: Denn je mehr Gesetze internationale Vorgaben umsetzen, desto schwieriger wird ein souveräner Entscheid.

Machtpolitik gegen den liberalen Kleinstaat
Ich habe die Schweiz als Anschauungsbeispiel gewählt, weil sie für das St. Gallen Symposium gewissermassen die Feldstudie vor der Haustüre ist. Aber nicht nur deswegen; es steht mehr dahinter: Am Umgang mit der Schweiz können Sie ablesen, wie es international um liberale Ideen steht.

Denn die Schweiz hat ihren eigenen Weg gewählt. Wir sind mit der Freiheit gut gefahren. Sie brachte uns höchste Lebensqualität und grossen Wohlstand. Wenn die Schweiz heute wirtschaftlich im internationalen Vergleich gut da steht, haben wir das unserem freiheitlichen Staatssystem zu verdanken.

Gleichzeitig ist die Schweiz ein Kleinstaat, der rein machtpolitisch grösseren Ländern unterlegen ist. Der Druck auf die freiheitliche Ordnung der Schweiz ist die Skala, auf welcher Sie die Wertschätzung freiheitlicher Ideale ablesen können. Und Sie sehen, dass das Staatsmodell Freiheit international innert weniger Jahre stark an Boden verloren hat.

Das Staatsmodell Freiheit wird zurückgedrängt durch einen neuen Willen zur Kontrolle, zur zentralen Steuerung und zur Gleichschaltung. Und wenn sich ein kleines Land wie die Schweiz diesem Trend entziehen will, wird es mit harter Machtpolitik gefügig gemacht.

Auch hier haben wir es übrigens wieder mit einer Frage des Muts zu tun: Für die Grossen ist es einfacher, den kleinen aber erfolgreichen Konkurrenten zurückzubinden; ihn zu zwingen, seine guten Rahmenbedingungen aufzugeben. Das verlangt den grossen Staaten weniger Mut ab, als ihren eigenen Standort freiheitlicher und damit attraktiver zu machen. Offensichtlich fehlt es diesen an Mut, endlich die überfälligen Reformen anzupacken. Aus Mutlosigkeit erfolgt die Flucht aus der Verantwortung ins internationale Kollektiv.

Ich frage mich: Wäre es nicht besser, andere Staaten liessen sich von unserem Erfolg der Freiheit inspirieren, als dass sie unsere Ordnung verunglimpfen und bekämpfen?

Sie sind internationale Entscheidträger. Ihre Stimme zählt. Und Ihre Taten zählen. Ob in Zukunft mehr oder weniger auf freiheitliche Lösungen gesetzt wird, das liegt auch an Ihnen.

Ich wünsche Ihnen zwei interessante Tage hier am St. Gallen Symposium; ich wünsche Ihnen gute Gespräche und Mut zu mehr Freiheit - das lohnt sich, davon bin ich überzeugt.

Rewarding Courage