Sehr geehrte Damen und Herren Botschafter,
sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich, die diesjährige Botschafterkonferenz zu eröffnen. Die Konferenz ist ein Schlüsselanlass, der es uns erlaubt, eine Standortbestimmung vorzunehmen sowie gemeinsam Ideen für die künftige Gestaltung der Aussenpolitik zu entwickeln.

Die Betonung soll dabei auf dem „gemeinsam“ liegen. In der Regel begegnen wir uns ja meist auf individueller Ebene, etwa im Rahmen meiner bisher mehr als drei Dutzend Reisen als Aussenminister und meiner über 200 Treffen mit Amtskollegen und anderen Regierungsmitgliedern. Damit wir mit diesen Reisen und Treffen die Interessen und Werte der Schweiz wirksam fördern können, sind aber jeweils umfassende Vorarbeiten im Kollektiv nötig. Aussenpolitik ist Teamwork, wobei in der heutigen Welt insbesondere Antizipation, Kooperation und Innovation gefragt sind (ich werde darauf zurückkommen). Ich danke Ihnen allen für Ihr Engagement und Ihre ausgezeichnete Arbeit im Dienste der Schweiz.

Die Botschafterkonferenz bietet eine grosse Chance, unsern Teamgeist weiter zu stärken und vereint darüber zu diskutieren, wie die Schweiz ihre aussenpolitischen Anliegen noch besser vertreten kann.

Viele von Ihnen sind eigens aus dem Ausland für diesen Anlass angereist. Andere hatten wie ich eine nur kurze Anreise. Sie alle möchte ich sehr herzlich zu dieser Konferenz willkommen heissen. Speziell begrüssen möchte ich zudem die departementsexternen Redner, die wir für unsere Konferenz gewinnen konnten. Im Namen des EDA danke ich Ihnen dafür, dass Sie Ihr Fachwissen mit uns teilen.

Die diesjährige Botschafterkonferenz ist dem Thema Sicherheit gewidmet. Wir wollen über die Stellung der Schweiz in der Welt nachdenken und der Frage nachgehen, wie die Schweiz auf die aktuellen aussen- und sicherheits-politischen Risiken und Herausforderungen reagiert. Stabilität, Sicherheit und Frieden bilden die Grundlage für Freiheit und Wohlstand. Darum kommt der Aussensicherheitspolitik eine zentrale Rolle in der schweizerischen Aussenpolitik zu. Das kommt auch im Schwerpunkt „Stabilität in und ausserhalb Europas“ der aussenpolitischen Strategie des Bundesrates zum Ausdruck.

Ich werde mich im Folgenden denn auch mit diesem Schweizer Engagement im Bereich Stabilität, Sicherheit und Frieden befassen. Danach werde ich mich der Europapolitik widmen, einem weiteren zentralen Bereich der schweizerischen Aussenpolitik.

Beginnen werde ich allerdings mit einigen weltpolitischen Betrachtungen. In was für einer Welt leben wir heute? Welche globalen und regionalen Trends sind erkennbar? Und was heisst das für die Schweiz und ihre Aussenpolitik? Eine internationale Lagebestimmung ist eine Voraussetzung dafür, interessengerechte Antworten der Schweiz auf die aktuellen Herausforderungen formulieren zu können.

Eine Welt in raschem Wandel

Versuchen wir also, die Welt mit ein paar knappen Pinselstrichen zu charakterisieren. Verglichen mit der Zeit des kalten Krieges fällt zunächst auf, dass die Welt heute durch

• raschen und teilweise tiefgreifenden Wandel,
• zunehmende Komplexität und
• grosse Unwägbarkeiten geprägt ist.

Für diese Entwicklungen gibt es verschiedene Erklärungen. Ein zentraler Faktor ist aber zweifellos die Globalisierung. Sie bewirkt eine seit längerem beobachtbare Diffusion und Neuverteilung von Macht. Die internationalen Beziehungen verändern sich dadurch nachhaltig, und zwar in dreifacher Hinsicht:
Erstens verschieben sich im globalen Staatensystem die Kräfteverhältnisse zugunsten des Globalen Südens und der Schwellenländer: Gemäss dem Human Development Report 2013 haben Entwicklungsländer ihren Anteil am weltweiten Warenhandel zwischen 1980 und 2010 von 25% auf 47% fast verdoppelt.

Das ist zunächst eine gute Nachricht. Denn es bedeutet, dass die Ungleichgewichte zwischen den Staaten abnehmen und immer mehr Menschen einen Weg aus der Armut finden. Gleichzeitig gilt es, Antworten auf neue Herausforderungen zu finden, wie den Klimawandel, die Ressourcenknappheit oder auch das legitime Streben der Menschen in aller Welt nach Demokratie.

Feststellen lässt sich zudem, dass das Recht des Stärkeren auf Kosten von Völkerrecht wieder an Bedeutung gewinnt. Im Kontext der Wirtschafts- und Schuldenkrise hat sich dieser Trend akzentuiert. Dieser Tendenz muss sich die Schweiz, die dem Grundsatz des Vorrangs des Rechts vor Macht verpflichtet ist, entgegensetzen.

Zweitens gewinnen auch nichtstaatliche Akteure dank der Globalisierung an Einfluss. Dazu gehören einerseits NGOs und multinationale Unternehmen, die wichtige Rollen und Verantwortung übernehmen können, etwa in Friedensprozessen oder in Umweltfragen. Leider gibt es aber auch eine wachsende Zahl von nicht-staatlichen Gewaltakteuren, wie Rebellengruppen, terroristische Gruppierungen oder kriminelle Organisationen. Sie sind weltweit zu einer Bedrohung für Freiheit, Sicherheit und Wohlstand der Menschen geworden.

Drittens spielt das Individuum eine grössere Rolle als je zuvor. Im Zeitalter des Internets lässt sich beobachten, wie die Bürger selbstbewusster auftreten und die Machthaber herausfordern. Die zahlreichen Protestbewegungen in arabischen Staaten und in verschiedenen anderen Weltgegenden mögen jeweils verschiedene Ursachen haben. Im Kern geht es aber stets darum, dass die Menschen Grundrechte, Freiheit, Respekt, gute Regierungsführung und bessere wirtschaftliche Perspektiven einfordern.

Diese Menschen fordern eigentlich etwas Selbstverständliches ein. Nämlich, dass die Politik beziehungsweise der Staat den Menschen dienen soll und nicht umgekehrt. Das mutige Einstehen dieser Menschen für ein würdevolles Leben erinnert uns in den westlichen Demokratien daran, dass die Freiheit kein garantierter Zustand ist. Freiheit muss immer wieder erarbeitet und verteidigt werden. Vergessen wir das nie.

Die globalisierte Welt ist aber nicht nur geprägt durch mehr einflussreiche Akteure, mehr Komplexität und mehr Unvorhersehbarkeit. Vielmehr hat die Globalisierung auch wesentlich dazu beigetragen, dass viele Herausforderungen grenzüberschreitend sind und nur im Verbund gelöst werden können. Dieser wachsende Kooperationsbedarf gilt für alle Akteure und ist als grosse Chance zu verstehen. Die zunehmende Verflechtung zwischen den Staaten kann zudem nicht nur kooperationsfördernd sondern auch konflikthemmend sein. Die Wahrscheinlichkeit von Kriegen zwischen Grossmächten ist heute gering.

Die Schweiz muss mitgestalten und Verantwortung übernehmen

Welche Folgerungen lassen sich aus dieser knappen Analyse für die Schweiz ziehen? Aus meiner Sicht ist klar: Damit die Schweiz in diesem dynamischen und komplexen Umfeld ihre grundlegenden Interessen – also die Unabhängigkeit, die Sicherheit und die Wohlfahrt des Landes – wahren kann, muss sie dieses Umfeld mitgestalten.

Dier Schweiz muss sich aktiv einbringen und Verantwortung übernehmen. Sie muss weltoffen bleiben und darf auf die vielen Unwägbarkeiten nicht mit einem Rückzug auf sich selbst reagieren. Sonst läuft sie Gefahr, dass ihr Lösungen von aussen aufgezwängt werden, die sie nicht will.

Die Schweiz muss sich auch solidarisch zeigen und ihre Werte fördern. Dazu gehören die Linderung von Not und Armut in der Welt, die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, die Förderung der Demokratie, das friedliche Zusammenleben der Völker sowie die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Wollen wir unsere Interessen wahren und unsere Werte fördern, müssen wir uns einbringen und Verantwortung übernehmen. Das ist der beste Weg für die Schweiz.

Der Bundesrat folgt diesem Credo. In seiner Aussenpolitischen Strategie hat er vier inhaltliche Schwerpunkte definiert, bei welchen die Schweiz mitgestalten und Verantwortung übernehmen will. Wir haben diese vier Achsen an der letzten Botschafterkonferenz diskutiert. Es handelt sich um

1. den Ausbau der Beziehungen zu unseren Nachbarländern;

2. die Anpassung und Vertiefung unserer Beziehungen zur EU unter Wahrung unseres politischen Handlungsspielraums und unserer wirtschaftlichen Interessen;

3. Beiträge an die Stabilität in Europa und darüber hinaus;

4. den Ausbau der Beziehungen zu Strategischen Partnern und Schellenländern sowie ein Engagement für bessere globale Gouvernanz.

Damit die Schweiz diese Strategie erfolgreich umsetzen kann – damit sie also ihre Interessen wahren und ihre Werte fördern kann – erscheinen mir im aktuellen Umfeld drei Prinzipien unverzichtbar: Antizipation, Kooperation und Innovation.

Das Antizipieren und Verstehen weltpolitischer Entwicklungen ist heute wichtiger denn je. Diese Aufgabe ist aber gleichzeitig auch schwieriger denn je. Sie, liebe Botschafterinnen und Botschafter, sind für die Schweiz wichtige weltpolitische Antennen. Wir alle sind zudem angehalten, trotz drängender Tagesgeschäfte die mittelfristige Planung und unsere Strategie nicht aus den Augen zu verlieren.

Meines Erachtens müssen wir die strategischen Planungskapazitäten unseres Departements stärken, um noch besser antizipieren und die Aussenpolitik zielgerichteter steuern zu können. Nutzen Sie diese Botschafterkonferenz, um Ihre diesbezüglichen Erfahrungen mit uns zu teilen und Ideen für die Konkretisierung und Umsetzung dieses Vorhabens einzubringen.

Ein wesentliches Element der Antizipation für das EDA ist die enge Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst des Bundes. Die Analysen und Einschätzungen des NDB sind für unsere Arbeit eine wertvolle Grundlage. Aber auch der Austausch mit Thinktanks oder Nichtregierungsorganisationen liefert wichtige Inputs für vorausschauendes Handeln.

Unter Kooperation verstehe ich zweierlei. Einerseits die internationale Zusammenarbeit. Die Schweiz wird viele ihrer Anliegen nur in Kooperation mit Partnern umsetzen können. Als Nichtmitglied der EU gehört sie keinem der verschiedenen weltpolitischen Pole an – auch wenn sie unmissverständlich ein Teil Europas ist und zur westlichen Wertegemeinschaft gehört. Diese Positionierung der Schweiz in der Welt erfordert ein besonderes Engagement, um die Interessen und Werte effektiv zu wahren.

Die Nichtzugehörigkeit zu einem der Machtzentren der Weltpolitik eröffnet der Schweiz aber auch Handlungsspielräume und die Chance, themenspezifisch geeignete Kooperationspartner zu identifizieren. Die Neutralität lässt uns für solche Kooperationen viel Spielraum. Diese Chancen der Kooperation muss die Schweiz nutzen.

Häufig bietet sich bei der Förderung unserer Werte ein Zusammengehen mit europäischen Partnern an. Es gibt aber durchaus auch gleichgesinnte Staaten aus anderen Weltgegenden. Ich denke etwa an Costa Rica oder Singapur, mit denen sich die Schweiz für eine Reform des UNO-Sicherheitsrats einsetzte. Ich denke auch an die enge Zusammenarbeit der Schweiz mit Burkina Faso, das die regionale Mediation der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Beilegung der Krise in Mali leitet. Das Zusammengehen mit nichtwestlichen Partnern ist häufig eine Voraussetzung dafür, Fortschritte in der Bewältigung der heutigen Herausforderungen erzielen zu können.

Andererseits ist auch die EDA- und bundesinterne Kooperation und Koordination unabdingbar. Angesichts der Komplexität vieler Problemstellungen sind umfassende, gut koordinierte Lösungsansätze von entscheidender Bedeutung. Das EDA hat hier eine wichtige Funktion zu übernehmen. Die Geduld und Mühe in diesem Bereich sind gut investiert. Aussenpolitik ist nur dann wirksam, wenn die rechte Hand weiss, was die linke Hand tut.

Das aussenpolitische Themenfeld Wasser ist ein gutes Beispiel dafür, warum ein umfassender und koordinierter Ansatz wichtig ist. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein zentrales Thema der Entwicklungszusammenarbeit. Wasser kann aber auch eine Konfliktursache und damit Gegenstand der Sicherheitspolitik sein, wobei der Nexus zwischen Wasser-, Energie- und Ernährungssicherheit besondere Beachtung verdient. Kooperation in Wasserfragen kann gleichsam eine wichtige friedensfördernde Massnahme zwischen Staaten sein.

Eine Wasserstrategie muss sowohl dem entwicklungspolitischen als auch dem sicherheitspolitischen Aspekt Rechnung tragen. Die Schweiz kann und soll im Bereich Wasser und Sicherheit eine Vorreiterrolle übernehmen. Umfassende Vorgehensweisen drängen sich auch in anderen Themen auf. Auch hier sind die Arbeiten teilweise bereits in Gang – ich denke etwa an die Terrorbekämpfungsstrategie.

Neben Antizipation und Kooperation ist drittens Innovation Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung unserer Strategie. Was meine ich damit? Die Schweiz ist gemäss verschiedener Ranglisten das innovativste Land der Welt. Das bezieht sich jeweils auf die ausgezeichneten Fähigkeiten und Leistungen der Schweiz in Bereichen wie Forschung, Patentanmeldungen oder Firmengründungen.

Lassen sich mich als Beispiel das von der ETH Lausanne geleitete Human Brain Project erwähnen, das sich die Erforschung des menschlichen Gehirns zum Ziel setzt und von der EU dazu hohe Fördergelder bekommen hat. Es ist kaum Zufall, dass seither sowohl die USA als auch China ähnliche Forschungsprogramme lanciert haben. Die in das Human Brain Project involvierten Schweizer Forschungsinstitutionen haben hier eine wichtige Rolle im internationalen Agenda-Setting gespielt. Die Schweiz setzt internationale Massstäbe – darauf können wir stolz sein.

Das soll uns auch Ansporn sein, mehr noch als bisher die Wissenschaftsdiplomatie zu forcieren. So wie uns die Schweizer Forschung Türen in der Welt öffnen und Schlüssel zum besseren Verständnis der Herausforderungen geben kann, so kann die Schweizer Diplomatie in der internationalen Vernetzung von Forschungsinstitutionen behilflich sein.

Meine Damen und Herren

Ich bin überzeugt, dass die Schweiz auch im Bereich der Aussenpolitik eine hohe Innovationsleistung erbringen kann und muss. Ihr Potential als Ideengeberin hat sie vielfach bewiesen. Ich denke etwa an die Genfer Initiative, die zu allen wichtigen Streitpunkten des Nahostkonfliktes gangbare Lösungen aufzeigt. Derzeit wird eine Ergänzung dieser Initiative geprüft. Dies mit dem Ziel, konkrete Lösungsansätze für die gegenwärtigen Friedensverhandlungen zu liefern.

Ein anderes Beispiel ist das Engagement gegen Straflosigkeit im syrischen Bürgerkrieg. Mittlerweile hat die Schweiz 57 Staaten für das Anliegen gewinnen können, dass der Sicherheitsrat Syrien an den Internationalen Strafgerichtshof überweist.

Das besondere Potential der Schweiz als Ideengeberin liegt darin begründet, dass sie als neutraler Staat im multipolaren Koordinatensystem bei Bedarf eigenständige Wege gehen und auf Entwicklungen flexibel und rasch reagieren kann. Auch ihr breites Vertretungs- und Beziehungsnetz und ihre Dialogpolitik erlauben der Schweiz, innovative Ansätze auszuloten und voranzutreiben.

Innovation soll natürlich kein Selbstzweck sein. Aber nur wenn die Schweizer Aussenpolitik innovativ und kreativ ist, können wir unserem Anspruch als Brückenbauer gerecht werden. Und nur dann werden wir in der Lage sein, auf der Basis der eigenständigen internationalen Positionierung der Schweiz auch wirklich Mehrwert zu leisten.

Ein besonderes Anliegen ist es dem Bundesrat, dass sich unsere Innovationsfähigkeit mehr noch als bisher im Internationalen Genf widerspiegelt. Genf kann zur Aussenpolitik der Schweiz viel beitragen. Mit seinen einzigartigen Kompetenzen in den Bereichen Gesundheit, Menschenrechte, Handel und Arbeit, Frieden und Sicherheit sowie Umwelt kann es viel zur Lösung globaler Probleme beitragen. Der Bund hat gemeinsam mit dem Kanton und der Stadt Genf eine neue Strategie verfasst, die das Internationale Genf noch attraktiver machen soll. Dazu gehört das Bereitstellen noch besserer materieller Bedingungen genauso wie die Förderung eines stimulierenden, innovationsorientierten intellektuellen Umfelds. Die Eröffnung des Maison de la Paix im nächsten Jahr markiert in diesem Prozess eine wichtige Etappe.

Ideen zu generieren, die unsere Werte der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens widerspiegeln, ist eine Verantwortung und zugleich eine Chance für die Schweizer Aussenpolitik. Nehmen wir also diese Chance und Verantwortung war. Darum rufe ich Sie alle auf: Seien Sie innovativ und denken Sie ‘out of the box’. Es wird sich auszahlen für die Schweiz, auch wenn nicht jede Idee ein Volltreffer sein kann.

Die Schweizer Aussensicherheitspolitik ist lagegerecht und zukunftsweisend

Meine Damen und Herren

Was lässt sich aus der Lageanalyse und den bisher dargelegten Folgerungen konkret ableiten für die Schweizer Aussensicherheitspolitik?

Zunächst lässt sich festhalten, dass es im Interesse der Schweiz ist, sich aktiv für Sicherheit und Frieden einzusetzen. Dabei tut sie gut daran, einen umfassenden Sicherheitsansatz zu verfolgen, der sowohl Themen der klassischen internationalen Sicherheitspolitik aufgreift als auch der menschlichen Sicherheit verpflichtet ist, die die Würde und den Schutz des Individuums betont.

Sicherheit soll durch Kooperation mit Partnerstaaten, internationalen Organisationen und nichtstaatlichen Akteuren geschaffen werden. Wichtig für das EDA ist zudem die enge Abstimmung mit dem VBS und anderen relevanten schweizerischen Sicherheitsakteuren. Deshalb soll sich unser Departement auch aktiv und konstruktiv an der Ausarbeitung der Sicherheitspolitischen Berichte beteiligen.

Eine ganze Reihe weiterer Folgerungen drängen sich auf:

Erstens, die Schweiz soll die Handlungsfähigkeit von internationalen Organisationen stärken und dabei auch selber Verantwortung übernehmen.

2014 hat die Schweiz den Vorsitz in der OSZE inne. Vor dem Hintergrund der wachsenden Entfremdung zwischen Russland und dem Westen und den anhaltenden subregionalen Konflikten ist das eine herausfordernde Aufgabe. Wir werden aber grosse Anstrengungen unternehmen, um mit innovativen Ansätzen Brücken bauen zu können. Die Vorbereitungsarbeiten sind auf gutem Weg. Dabei scheint mir das Vorgehen, wie wir unsere Ziele, Werte und Prioritäten für das Vorsitzjahr definiert und synthetisiert haben (strategische Synthese, Verdichtung in einem Tableau auf einer Seite) exemplarisch. Ahmen Sie dieses Vorgehen bei der Erarbeitung von Strategien in anderen Bereichen nach!

Unser Fokus als OSZE-Vorsitz gilt dabei gleichermassen der Sicherheit der Staaten wie dem Wohlergehen der Menschen. Wir wollen zu einer Sicherheitsgemeinschaft im Dienste der Menschen beitragen. Im Rahmen eines neuen Modells konsekutiver Präsidentschaften stimmen wir uns eng mit Serbien ab – ein Beispiel für innovative Aussenpolitik, das der OSZE mehr Planungssicherheit und Nachhaltigkeit geben soll.

Handlungsfähiger wollen wir die OSZE auch durch eine Stärkung des Generalsekretariats, einen Ausbau der Mediationskapazitäten und einen stärkeren Einbezug der Zivilgesellschaft machen. Mehr einbinden werden wir insbesondere auch die Jugend. Mit einem Jugendforum während unseres Vorsitzes wollen wir einerseits die OSZE jungen Menschen näher bringen. Andererseits geht es darum, die spezifischen Erwartungen und Bedürfnisse der Jugend besser verstehen zu lernen.

Zweck jeglicher Politik ist es, die Zukunftschancen kommender Generationen zu vergrössern. Die Jugend soll deshalb generell stärker in den Fokus unseres aussenpolitischen Tuns rücken. Zum Beispiel wollen wir das Schweizer Engagement gegen den Einsatz von Kindersoldaten ausbauen.

Aber zurück zu den internationalen Organisationen: In Europa bleibt die Partnerschaft für den Frieden der NATO ein wichtiger Kooperationsrahmen für uns. Auch sie gilt es mit innovativem Engagement weiterzuentwickeln. So sondiert die Schweiz derzeit Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zwischen der NATO und deren sechs westeuropäischen Partnern zu vertiefen. Ausbaubar ist auch die Kooperation im Bereich neuer sicherheitspolitischer Bedrohungen wie Cyberattacken.

Auf der globalen Ebene verfolgen wir im UNO-Rahmen eine aktive Politik und leisten wichtige Beiträge, die die Weltorganisation effektiver und – den neuen globalen Kräfteverhältnissen entsprechend – legitimer machen sollen. In der UNO kommen unsere Möglichkeiten variabler Allianzenbildung besonders gut zum Trage. Mit der Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat (2023/24) setzt die Schweiz zudem ein starkes Zeichen, dass sie gewillt ist, international Verantwortung zu tragen, indem sie sich etwa für Frieden und Vermittlung einsetzt.

Zweitens entspricht der Ausbau der Friedensförderung den Interessen der Schweiz. Als neutrales Land ohne koloniale Vergangenheit kann die Schweiz glaubwürdige Beiträge an Frieden und Sicherheit leisten. Wir haben dazu in den letzten Jahren ein breites Repertoire an Fähigkeiten und Expertisen aufgebaut.

Dies erlaubt uns, umfassend zu Konfliktbewältigung und Friedensförderung beizutragen und unsere Guten Dienste und unsere Erfahrung als Vermittler anzubieten. Ein wichtiges Anliegen ist mir dabei auch der Einsatz für die Menschenrechte, etwa die Abschaffung der Todesstrafe oder die Respektierung menschenrechtlicher Prinzipien durch im Rohstoffsektor tätige Firmen. Eben erst hat sich ein sehr grosses, weltweit tätiges Unternehmen mit Sitz in der Schweiz auf diese freiwilligen Prinzipien (deren Steuerungsausschuss die Schweiz präsidiert) verpflichtet. Das soll uns Ansporn sein, in solchen Fragen weiterhin so weit wie möglich auf Partnerschaften statt auf Zwang zu setzen.

Mali ist ein gutes Beispiel für dieses umfassende Engagement der Schweiz. Sie ist in diesem Land entwicklungs-, friedenspolitisch und humanitär aktiv. Mit der bereits erwähnten Unterstützung des politischen Dialogs in Mali konnte die Schweiz zudem zur Durchführung der gewaltfreien Präsidentenwahl Ende Juli und somit zu einer neuen, positiven Perspektive für die Bevölkerung beitragen

Wichtig im Sinne der Nachhaltigkeit und einer umfassenden Krisenbewältigung ist, dass sich die Schweiz jetzt auch mit bis zu acht unbewaffneten Armeeangehörigen an der Stabilisierungsmission der UNO beteiligt. Dieser Entscheid des Bundesrats von letzter Woche reflektiert gleichzeitig die gute Zusammenarbeit zwischen EDA und VBS.

Drittens hat die Schweiz ihr entwicklungspolitisches Engagement gestärkt und per Parlamentsbeschluss den Entscheid gefällt, die Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0.5 Prozent des BIP zu erhöhen. Die Schweiz übernimmt hier verstärkt Verantwortung, in einem Moment, wo andere Länder aufgrund der Finanzkrise ihre Mittel kürzen. Dieses Engagement der Schweiz wird geschätzt und anerkannt.

Die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe geben den Menschen Hoffnung und helfen mit, Perspektiven für ein würdevolles Leben zu schaffen. Zudem ist dieses Engagement sicherheitspolitisch relevant. Auch in Entwicklungsländern gilt: keine Entwicklung und kein Wachstum ohne Sicherheit. Darum haben Bundesrat und Parlament beschlossen, dass die Stabilisierung von fragilen Staaten und Regionen ein Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz sein soll. Das ist eine hochkomplexe Aufgabe, die Antizipation, viel Koordination und Innovation erfordert. Im Schnittpunkt von Entwicklungszusammenarbeit, humanitärer Hilfe und Sicherheitspolitik ist out of the box-Denken notwendig – zum Wohle der betroffenen Menschen.

Viertens hat die Schweiz mehr denn je Grund dazu, sich mit Nachdruck für die Förderung und Weiterentwicklung des Völkerrechts einzusetzen. Die Schweiz hat sich diesbezüglich bereits mehrfach als wichtige Ideengeberin hervorgetan. Erwähnt seien an dieser Stelle exemplarisch die beiden gemeinsam mit dem IKRK lancierten Initiativen zur völkerrechtlichen Reglementierung von Militär- und Sicherheitsunternehmen und zur besseren Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Weitere innovative Schritte werden nötig sein, um im heutigen Umfeld den Genfer Konventionen und anderen internationalen Normen die ihnen gebührende Geltung zu verschaffen. Für den Grundsatz des Vorrangs von Recht vor Macht lohnt es sich zu kämpfen.

Fünftens kann und soll die Schweiz auch im Bereich der neuen Bedrohungen als Ideengeberin auftreten und die Zusammenarbeit mit Partnerstaaten suchen. Ich denke hier etwa an unsere Terrorbekämpfungspolitik, insbesondere an unser Engagement gegen die Bezahlung von Lösegeldern bei Geiselnahmen und an unsere Bemühungen und eine wirksamere Rolle der UNO im Kampf gegen den Terrorismus. Ich denke aber auch an Bereiche wie Cyber oder organisierte Kriminalität, bei denen der sicherheitspolitische Handlungs- und Kooperationsbedarf zunimmt. In all diesen Fragen gilt es politisch ein Gleichgewicht zu finden zwischen den Werten der Freiheit und der Sicherheit.

Als sechster Rückschluss gilt es auf die Bedeutung unseres Engagements für weniger Waffen in unserer multipolaren Welt hinzuweisen. Nukleare Abrüstung und Nichtweiterverbreitung sowie nukleare Sicherheit stellen heute wichtige Anliegen unserer Aussensicherheitspolitik dar. Auch für die Wiederbelebung der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa und ein rasches Inkrafttreten des internationalen Waffenhandelsvertrags wird sich die Schweiz einsetzen. Mit den runden Tischen von Chambésy und Zermatt haben wir zudem innovative Gefässe für euro-atlantische respektive asiatisch-pazifische Sicherheitsdialoge geschaffen.

Schliesslich drängt sich, siebtens, die Erkenntnis auf, dass in einer globalisierten Welt staatliche Hilfeleistungen für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland immer wichtiger werden. Über 700‘000 Schweizer Staatsangehörige leben mittlerweile im Ausland. Schweizerinnen und Schweizer tätigen jährlich mehr als 16 Mio. Auslandreisen.

Angesichts solcher Zahlen mag die Zunahme von Notlagen und Entführungsfällen, die Schweizer Staatsbürger betreffen, nicht verwundern. Mit dem Krisenmanagement-Zentrum verfügen wir über eine Institution, die sowohl antizipieren als auch rasch und im Verbund reagieren kann. Auch mit innovativen Angeboten der konsularischen Direktion wie der „Helpline“ oder der Internetplattform Itineris tragen wir der wachsenden Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer Rechnung. Das ist innovatives, kooperatives und vorausschauendes Handeln.

Die genannten Beispiele illustrieren: Die Schweiz setzt sich in vielfältiger Weise für Sicherheit und Friede sowie für die Freiheit und Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen ein. Den Menschen in den Mittelpunkt stellen: Das ist die Schweizer Antwort auf den raschen Wandel, die Komplexität und die Unwägbarkeiten, welche unsere Zeit prägen. Die Aussensicherheitspolitik der Schweiz ist lagegerecht und richtig. Darum bin ich fest überzeugt, dass wir den eingeschlagenen Weg konsequent, mit Verve und immer mit unseren Werten im Blick weiterbeschreiten sollen.

Eine antizipierende, kooperative und innovative Europapolitik

Meine Damen und Herren

Wenn wir nun unsere Standortbestimmung auf die Europafrage ausweiten, so drängt sich aus meiner Sicht ein analoges Fazit auf: Der bilaterale Weg ist und bleibt das beste Instrument zur Gestaltung unserer Beziehungen zur EU. Die Stossrichtung der schweizerischen Europapolitik der letzten zwei Jahrzehnte stimmt. Damit der bilaterale Weg aber längerfristig tragfähig bleibt, müssen wir ihn konsolidieren und erneuern. Auch hier sind Weitsicht, Kooperation und Innovation gefragt.

Die Analogie zu meinen bisherigen Ausführungen ist kein Zufall: Auch der europäische Einigungsprozess lässt sich als Phänomen der Globalisierung verstehen. Sein Kern ist die Schaffung eines grenzüberschreitenden Binnenmarkts auf der Basis von standardisierten Rechtsgrundlagen. Darüber hinaus zielt er auf die gemeinsame Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen, denen die europäischen Staaten heute gegenüberstehen.

Der europäische Einigungsprozess ist seit jeher gleichsam Chance und Herausforderung für die Schweiz. Chance, weil er wesentlich zur Befriedung Europas beigetragen hat. Chance auch, weil er einen grossen Markt von 500 Millionen Konsumenten geschaffen hat. Und weil er in wichtigen Bereichen wie der Forschung, der Klimapolitik oder des zivilen und militärischen Krisenmanagements europäische Handlungsrahmen hervorbrachte.

Eine Herausforderung ist der Einigungsprozess seit jeher bezüglich der Frage, wie die Schweiz ihr Verhältnis zur EU gestalten und den Zugang zum Binnenmarkt sicherstellen soll. Der bilaterale Weg, den die Schweiz und die EU seit den frühen 1970er Jahren gemeinsam entwickelt haben, hat sich über die Jahrzehnte hinweg als die am besten geeignete Option erwiesen.

Dieser bilaterale Weg trägt einerseits unserem Bedürfnis nach Unabhängigkeit und unseren politischen Institutionen Rechnung. Andererseits ermöglicht er den für uns sehr wichtigen Zugang zum Binnenmarkt und erlaubt uns, mit den europäischen Staaten in wichtigen Feldern zusammenzuarbeiten. Damit wird der bilaterale Weg neben der Unabhängigkeit auch der Wohlfahrt und damit einem zweiten wichtigen Verfassungsziel gerecht.

Hinzu kommt, dass die Schweizerinnen und Schweizer den bilateralen Weg in mehreren Volksabstimmungen bestätigt haben. Er ist die einzige europapolitische Option, die in der Schweiz mehrheitsfähig ist.

Die Erfolgsgeschichte des bilateralen Wegs basiert vor allem darauf, dass wir ihn weitsichtig, kooperativ und innovativ mehrfach weiterentwickelt und neuen Umständen angepasst haben – und zwar stets in einem partnerschaftlichen Nehmen und Geben mit der EU. Beide Seiten haben denn auch seit Beginn des bilateralen Wegs dessen Weiterentwicklung mitgeprägt. Die Tragfähigkeit des bilateralen Ansatzes hängt davon ab, dass er den Interessen beider Partner Rechnung trägt. Es geht hier nicht um Rosinenpicken, wie man gelegentlich liest, sondern um den souveränen Entscheid zweier Partner, Abkommen in ihrem gegenseitigen Interesse abzuschliessen.

Seit einigen Jahren insistiert nun die EU zunehmend darauf, die Handhabung des immer komplexeren Geflechts an bilateralen Abkommen einfacher und effizienter zu gestalten. Dieses Anliegen ist auch im Sinne der Schweiz. Denn auch wir haben ein Interesse an nachhaltigen und stabilen bilateralen Abkommen. Dazu sind allerdings eine Reihe institutioneller Fragen zu klären. Konkret geht es um

• die Modalitäten der Übernahme von EU-Recht in denjenigen Bereichen, die von bilateralen Abkommen abgedeckt sind;
• die Auslegung dieses Rechts;
• die Überwachung der Abkommen;
• und die Streitbeilegung

Es gibt namentlich zwei Gründe, warum eine Einigung in diesen Fragen im Interesse der Schweiz ist: Erstens wird die Schweiz nur bei einer Klärung der institutionellen Fragen ihren – nach wie vor unvollständigen – Zugang zum Binnenmarkt erweitern können. In wichtigen Bereichen wie der Energie, der Lebensmittel- und Produktesicherheit oder dereinst vielleicht auch der Dienstleistungsfreiheit wird sich der EU-Markt für die Schweizer Wirtschaft ohne institutionellen Rahmen nicht öffnen lassen. Das haben die Diskussionen mit der EU in den letzten Jahren deutlich werden lassen. Die Schweizer Wirtschaft würde damit in Teilbereichen diskriminiert bleiben.

Zweitens, und noch viel wichtiger, kann die Schweiz nur bei einer Lösung der institutionellen Fragen sicherstellen, dass die Grundlagen der bestehenden bilateralen Abkommen nicht erodieren.
Die EU hat damit begonnen, auch die Aktualisierung und Ausdehnung einzelner bereits bestehender Marktzugangsabkommen zu blockieren, bis die institutionellen Fragen geklärt sind. In wichtigen Bereichen wie dem Industriewarenhandel oder dem Agrarhandel drohen der Schweiz damit neue Wettbewerbsnachteile und eine abnehmende Rechtssicherheit für Schweizer Firmen. Aber auch bei bestehenden Kooperationsabkommen wie etwa der Forschung gibt es Anzeichen dafür, dass relevante EU-Organe mit deren Erneuerung zuwarten wollen, bis Bewegung in die institutionellen Angelegenheiten kommt.

Im Kern heisst das: Ohne eine Erneuerung des bilateralen Wegs wird das bisher Erreichte mittelfristig nicht zu bewahren sein. Nicht der Status quo wäre die Folge einer Nichtlösung der institutionellen Fragen, sondern eine Erosion des bilateralen Wegs. Dieser würde inhaltlich sukzessive ausgehöhlt und politisch an Akzeptanz verlieren – sowohl innerhalb der EU als auch in der Schweiz. Der Druck eines EU-Beitritts würde in einem solchen Szenario steigen. Das will weder die Schweizer Bevölkerung noch der Bundesrat.

Eine für beide Seiten gute Lösung der institutionellen Fragen lässt sich aber durchaus finden. Dies einerseits, weil allein schon aufgrund des imposanten Umfangs unserer Wirtschaftsbeziehungen beide Seiten grosses Interesse daran haben müssen, offene Fragen im Geiste der Kooperation zu regeln. Der Güterumschlag zwischen der Schweiz und den EU-Staaten beläuft sich auf mehr als eine Milliarde Franken – pro Arbeitstag!

Für die Schweiz ist die EU der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Neue Märkte in China und anderswo sind für uns zwar eine bedeutsame Ergänzung, sie werden aber nie ein Ersatz für den europäischen Markt darstellen. Das Handelsvolumen der Schweiz mit Baden-Württemberg ist heute fast doppelt so grosse wie dasjenige mit China; es ist übrigens auch grösser als dasjenige mit den USA.

Umgekehrt ist aber auch die Schweiz ein wichtiger Partner der EU. Wir sind eine bedeutsame Volkswirtschaft im Herzen Europas. Wir sind der viertgrösste Handelspartner der EU. Fast eine Million EU-Bürger arbeiten in unserem Land. Schweizer Unternehmungen ihrerseits sind ein wichtiger Arbeitgeber im EU-Raum. Zudem leistet die Schweiz bedeutsame Beiträge an die Bewältigung der Schuldenkrise, an die Erweiterung der EU und generell an die Sicherheit und Stabilität in Europa. Die Schweiz ist ein Stabilitätsfaktor für Europa.

Andererseits bin ich auch darum zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden werden, weil die Schweiz für die Erneuerung des bilateralen Wegs innovative Ideen entwickelt hat.

Ausgangslage war, dass der Bundesrat zwar anerkennt, dass EU-Recht die Basis der bilateralen Abkommen sein soll. Die Rechtsübernahme darf jedoch nicht automatisch erfolgen und muss so ausgestaltet sein, dass die politischen Institutionen der Schweiz – insbesondere auch ihr Referendumsrecht – nicht angetastet werden.

Auf dieser Grundlage hat die Schweiz der EU Mitte letzten Jahres eigene, innovative und konstruktive Vorschläge zur Lösung der institutionellen Fragen unterbreitet. Dieser Schritt hat zur Entkrampfung der bilateralen Beziehungen wesentlich beigetragen. Auch hat er die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Schweiz und die EU im Frühjahr 2013 auf technischer Ebene in einem gemeinsamen Papier drei Optionen für die Lösung der institutionellen Fragen identifizieren konnten.

Der Bundesrat hat diese Optionen einer sorgsamen Prüfung aller Vor- und Nachteile unterzogen. Am 26. Juni dieses Jahres hat er entschieden, Option 3 weiterzuverfolgen und den Entwurf für ein Verhandlungsmandat ausarbeiten zu lassen. Er setzt damit nicht auf die vielleicht vertrauteste Option eines Andockens an EWR-Institutionen, sondern auf eine innovative und nachhaltige Lösung.

Warum entspricht Option 3 am besten den Interessen und Werten der Schweiz? Es gibt eine ganze Reihe von gewichtigen Vorteilen für diese Option, obwohl noch einige Details mit der EU ausgehandelt werden müssen:

• Die Schweiz unterstellt sich keiner generell zuständigen Überwachungsbehörde und setzt sich keinem supranationalen Vertragsverletzungsverfahren aus.
• Ebenso wenig unterstellt sich die Schweiz einem supranationalen Gericht. Sie anerkennt zwar die Zuständigkeit des EuGH, im Konfliktfall den relevanten EU-Acquis der bilateralen Abkommen in Form eines Gutachtens auszulegen. Die Streitschlichtung verbleibt aber beim Gemischten Ausschuss und wird weiterhin auf diplomatischer und politischer Ebene stattfinden. Im Unterschied dazu könnte der EFTA-Gerichtshof nach Vorgabe des EWR die Schweiz direkt verpflichten.

• Die Schweiz behält damit bei Option 3 auch die Handlungsfreiheit, einer Auslegung des EuGH nicht zu folgen. Sie würde in einem solchen Fall zwar Ausgleichsmassnahmen der EU riskieren, könnte diesbezüglich aber jeweils souverän und eigenständig eine Güterabwägung vornehmen.

• Option 3 bietet der Schweiz zudem am meisten Rechtssicherheit. Anders als bei Option 1 ist es bei Option 3 undenkbar, dass die EU im Gemischten Ausschuss auf einen für sie negativen Gerichtsentscheid zurückkommen würde.
• Ein weiterer Vorteil ist, dass die Schweiz Option 3 nur mit der EU aushandeln muss, wohingegen einem Andocken an EWR-Institutionen auch die EWR-Staaten zustimmen müssten.

• Der viel diskutierte Unterschied der Optionen in Sachen Vertretung durch einen Schweizer Richter sollte hingegen nicht überbewertet werden. Wäre im EFTA-Gerichtshof einer der vier Richter Schweizer Bürger, hiesse das noch lange nicht, dass dieses Gericht Schweiz-freundlichere Entscheide fassen würde. Zumal die Richter keine nationalen Interessenvertreter sind. Tatsacher ist:

• Der EuGH hat die Eigenheiten des bilateralen Acquis Schweiz/ EU und dessen Abweichung vom EWR bereits in mehreren Entscheiden hervorgehoben. Er legt die bilateralen Abkommen nicht als Integrationsabkommen aus und ist stets auf Unabhängigkeit bedacht – auch gegenüber den EU-Institutionen. Ob der EFTA-Gerichtshof ähnlich differenziert vorgehen würde, bleibt ungewiss.

Meine Damen und Herren

Die vom Bundesrat beschlossene Option entspricht am besten dem Schweizer Selbstverständnis. Die politischen Institutionen, wie die direkte Demokratie, werden nicht angetastet. Denn was der Bundesrat ausdrücklisch ausschliesst, ist jeglicher Automatismus bei der Rechtsübernahme.

Die vom Bundesrat gewählte Option trägt den beiden Verfassungszielen der Unabhängigkeit und der Wohlfahrt am besten Rechnung. Ginge die Schweiz Richtung EWR oder EU-Beitritt, müsste sie deutlich mehr Abstriche an der Unabhängigkeit machen. Würde die Schweiz sich Richtung Alleingang bewegen, wäre dies auf Kosten der Wohlfahrt.

Selbstverständlich wird der Bundesrat ein Verhandlungsmandat in eine breite Konsultation bei den Kantonen, den aussenpolitischen Kommissionen sowie den Sozialpartnern geben. Sollte dereinst ein Verhandlungsergebnis mit der EU vorliegen, wird es der Bundesrat einer kritischen Prüfung unterziehen – insbesondere auch mit Blick auf die von ihm definierten roten Linien.
Das Parlament und das Volk würden sich zum Ergebnis ebenfalls noch äussern können – die Schweizer Demokratie kommt also voll zum Tragen. Das ist der eigenständige, kooperative und innovative Weg des Bundesrates in der Europapolitik.

Der Bundesrat hat die institutionellen Fragen in eine mittelfristige Strategie zur Konsolidierung und Erneuerung des bilateralen Wegs eingebettet. Wir streben parallele Fortschritte in verschiedenen Dossiers und eine ausgewogene Gesamtlösung an.

Nach dem Eintreten auf die institutionellen Fragen sollen in einer zweiten Phase neue Verhandlungsdossiers eröffnet (u.a. REACH, Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik GSVP) und bestehende Verhandlungen vorangetrieben und zum Abschlussgebracht werden (u.a. Energie, Erneuerung der Forschungskooperation). Auch soll ein Mandat im Bereich der Zinsbesteuerung verabschiedet werden. Als dritte Phase streben wir schliesslich einen Gipfel mit der EU im nächsten Jahr an, an dem einiges besiegelt und anderes mit neuen politischen Impulsen versehen werden kann.

Ich bin überzeugt, dass es uns gelingen wird, mit einem gesamtheitlichen und koordinierten Ansatz gemeinsam mit der EU eine solide und umfassende Basis für die Weiterführung des bilateralen Wegs zu schaffen. Denn das ist im Interesse der Schweiz wie der EU.

Auf gutem Weg – dank Ihnen allen

Meine Damen und Herren

Ich habe in dieser Standortbestimmung einige weltpolitische Trends aufgegriffen und dargelegt, wie unwägbar künftige Entwicklungen sind. Auch habe ich einige Herausforderungen diskutiert, mit denen sich die Schweiz gegenwärtig konfrontiert sieht.

Die Schweiz ist gut aufgestellt, die Herausforderungen zu meistern. Voraussetzung hierfür ist, dass wir weitsichtig agieren, hart arbeiten (oft härter als andere), die Kooperation im Inland und mit ausländischen Partnern pflegen und uns auch getrauen, ausgetretene Pfade zu verlassen – out of the box…

Zum Schluss ist es mir ein grosses Anliegen, Ihnen allen für Ihr bisheriges und künftiges Engagement zu danken. Sei es in der Zentrale oder in den Vertretungen rund um den Globus: Jeder und jede von Ihnen leistet einen wichtigen Beitrag an unsere Aussenpolitik. Politik ist nicht nur Dienst am Menschen. Politik wird auch von Menschen gemacht. Sie, meine Damen und Herren, sind das Rückgrat der Schweizer Aussenpolitik. Mein Dank gebührt dabei sowohl den EDA-Mitarbeitenden als auch Ihren Partnern und Angehörigen, die zu unserem Engagement viel beitragen und dabei im Ausland nicht immer einfache Bedingungen vorfinden.

Gemeinsam haben wir bereits einiges erreicht. Und doch liegt vor uns noch eine Menge Arbeit, um die Interessen und Werte der Schweiz zu verteidigen. Nutzen Sie die Gelegenheit dieser Botschafterkonferenz, um Themen zu vertiefen, den Austausch zu pflegen und innovative Antworten auf die Herausforderungen zu entwickeln, denen sich die Welt und die Schweiz gegenüber sieht.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Engagement!

«Antizipation, Kooperation, Innovation: Drei Voraussetzungen für wirksames aussenpolitisches Handeln»