Sehr geehrter Herr Aussenminister, lieber Miroslav Lajčák,
Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident,
Sehr geehrter Herr Präsident der ch-Stiftung,
Sehr geehrter Herr Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen,
Sehr geehrter Herr EU-Generaldirektor,
Sehr geehrte Damen und Herren Staats- und Regierungsräte,
Meine Damen und Herren,

1. Einleitung

Sie sind heute hier zusammengekommen, um die Thematik der Personenfreizügig-keit und der Migration zu diskutieren. Das Datum könnte nicht besser gewählt wor-den sein: In genau einem Monat werden sich das Schweizer Stimmvolk und die Kantone, die Sie vertreten, an der Urne zum Thema äussern.

Bei der Abstimmung vom 9. Februar 2014 steht aber nicht nur die Frage der Zuwan-derung zur Debatte. Es geht um viel mehr: wir müssen entscheiden, ob wir eine vernünftige Öffnung der Schweiz befürworten und den bilateralen Weg mit der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten fortführen wollen.

Der bilaterale Weg mit der EU ist heute der erfolgreiche Weg der Schweiz in Europa. Er steht für Eigenständigkeit und Wohlstand unseres Lands. Kernstück des bilateralen Wegs ist die Personenfreizügigkeit. Sie bringt uns jene Arbeitskräfte, die unsere Wirtschaft braucht, um anhaltend Erfolg zu haben. Damit dies langfristig so bleibt, müssen wir gemeinsam die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen und den Herausforderungen des Wachstums mit gezielten Massnahmen begegnen.

Doch zur Personenfreizügigkeit, zu einer marktgesteuerten Migration, gibt es keine Alternative. Denn entweder wir verfolgen «ad absurdum» die falsche Lösung, welche die Initiative vorschlägt und legen die Kontingente so hoch fest, dass sie keinen begrenzenden Effekt auf die Einwanderung haben. Dies ist nicht das Ziel der Initiative, aber es erlaubt uns, den Bedürfnissen unserer Unternehmen, unserer Spitäler, unserer Restaurants, unserer Hotels, unserer Altersheime oder unserer Landwirtschaftsbetriebe gerecht zu werden. Diese Kontingente würden nichts einschränken, würden aber Unsicherheit, Langsamkeit und Trägheit für Unternehmen mit sich bringen. Sie würden Kosten verursachen und somit das Wirtschaftswachstum belasten. Firmen könnten zögern sich in der Schweiz niederzulassen.

Oder aber die Kontingente würden zu tief festgelegt, sodass sie nicht mehr den Be-dürfnissen der Schweizer Wirtschaft entsprechen würden. Auch in diesem Fall würden sie das Wirtschaftswachstum unseres Landes bremsen. Zudem – und dies ist zentral – würde eine Annahme der Initiative den gesamten bilateralen Weg der Schweiz mit der EU in Frage stellen. Auch dies hätte wiederum Folgen für Wirt-schaft, Wohlstand und Beschäftigung in unserem Land.

In beiden Fällen erreichen wir also keine Verbesserung der Situation, keine glaub-hafte Lösung, sondern stehen vor neuen Problemen, Kosten und schaffen einen Bremsklotz für unseren Wohlstand.

2. Wichtigkeit der Beziehungen Schweiz-EU

Das Erfolgsmodell Schweiz basiert auf Sicherheit, Wohlstand und Eigenständigkeit. Institutionen wie die direkte Demokratie, das Milizsystem oder der föderalistische Staatsaufbau sorgen für Bürgernähe und politische Stabilität.

Es war übrigens höchst interessant, Ende letzten Jahres eine abendfüllende Sen-dung auf einem öffentlichen französischen TV-Sender zu sehen, der das Erfolgsmodell Schweiz analysierte. „Y-a-t-il un miracle suisse ?“ fragte diese Sendung und identifizierte u.a. die Innovation, die Bildung, den Föderalismus, die direkte Demokratie und die liberalen Regeln unseres Arbeitsmarktes als zentrale Erfolgsfaktoren.

Aber unser Erfolg basiert auch auf unserer Öffnung und unserer Beziehung zum umliegenden Europa. Und dies schon seit jeher! Schon im Mittelalter war der Handel Schlüssel zum Erfolg und zur Unabhängigkeit unserer Täler. Salz, unabdingbar in der Küche und in den Ställen der Bewohner der Waldstätten und der anderen Talschaften, kam beispielsweise aus Tunesien. Seit ihrer Gründung ist die Schweiz ein Land der Offenheit und des Handels – zwei Schlüsselfaktoren für ihren Erfolg. Die Schweiz liegt im Herzen Europas. Mit den Staaten dieses Kontinents und mit der Europäischen Union teilt die Schweiz kulturelle und geschichtliche Werte.

Zu Recht also bezeichnete mein Vorredner, Aussenminister Lajčák, in seiner frühe-ren Funktion als Managing Director in der EU-Kommission die Schweiz als – ich zitiere – «nächster Nachbar, kulturell, historisch und geografisch». Ich möchte Aus-senminister Lajčák danken, dass er heute hier ist und dass wir uns in Interlaken wiedersehen, nachdem ich im August 2013 für einen Arbeitsbesuch in der Slowakei weilte. Bei diesem Besuch tauschten wir uns auch über die Aktivitäten der „Višegrad-Gruppe“ aus. Es zeigte sich, dass die darin verbundenen Länder Slowakei, Polen, Ungarn und Tschechien ähnliche Projekte für die Entwicklung und menschliche Sicherheit im Rahmen der östlichen Partnerschaft verfolgen wie die Schweiz. Die Višegrad-Staaten sind zusammengekommen, um mehr Gewicht innerhalb der EU zu erhalten, ein bisschen wie die Kantone, diese „Mitgliedstaaten der Schweiz“. Sie treffen sich in thematischen oder regionalen Konferenzen, so wie hier in Interlaken, um ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. Lieber Miroslav, eigentlich musst Du Dich hier wie zuhause fühlen, hier im Kreis dieser „Interlaken-Gruppe“ der Schweizer Kantone!

Die östliche Partnerschaft ist innerhalb der Europäischen Nachbarschaftspolitik nur eines von vielen Projekten, mit denen die EU Wohlstand und Perspektiven für die Menschen bringt, um so den Frieden und die Stabilität in Europa auf lange Frist zu sichern. Wir sollten diese Errungenschaft anerkennen und nie vergessen, dass Europa nach dem Krieg ein Trümmerfeld war.

Meine Damen und Herren

Das Jahr 2014 hat eben erst begonnen. In diesem Jahr erinnern wir uns an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren und an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Im Verlauf dieses Jahres möchte ich mit Schülern und Studenten über die Katastrophe des ersten Weltkrieges und über die Friedenspolitik heute diskutieren. Denn es ist unsere Aufgabe – vor allem mit Bezug auf die Jugend – niemals zu vergessen, dass diese Kriege, die beide in Europa ihren Anfang nahmen, Katastrophen unvorstellbaren Ausmasses waren, für unsern Kontinent, für unsern Planeten und für die gesamte Menschheit. In den entsetzlichen Erfahrungen der Schützengräben von Verdun und den grauenhaften Vernichtungslager in ganz Europa wurde der Begriff der Menschlichkeit auf die Probe gestellt wie nie zuvor in der Geschichte, und er drohte ganz seinen Inhalt zu verlieren.

Das doppelte Gedenken in diesem neuen Jahr 2014 mahnt uns an unsere kollektive Pflicht, alles zu tun, damit solche Konflikte sich nicht wiederholen können. Aus der Asche dieses geschundenen und zerstörten Kontinents Europa sind verschiedene Projekte der Integration, Entwicklung und Stabilität, von Frieden und Demokratie in Europa hervorgewachsen, wie der Europarat, die europäischen Gemeinschaften und später die EFTA oder die OSZE. Eines dieser Projekte ist die Entwicklung vor 20 Jahren der Gemeinschaften in die Europäische Union. Getragen vom starken französisch-deutschen Willen zur Versöhnung, hat das Projekt zu einer Öffnung der Grenzen und zur Schaffung des europäischen Binnenmarkts geführt, dem grössten integrierten Markt weltweit, der für die Schweizer Wirtschaft von ganz herausragender Bedeutung ist. Das Projekt EU und, nach dem Fall der Berliner Mauer vor nunmehr 25 Jahren, ihre Erweiterung um 13 Länder Osteuropas, hat dem europäischen Kontinent wirtschaftliche Entwicklung, Stabilität und Frieden gebracht. Friede und Entwicklung anstatt Nationalismen und Krieg, wirtschaftliche Entwicklung anstatt Waffengewalt, dies ist es, das vom Friedensnobelpreis an die EU im Jahr 2012 gewürdigt wurde.

Meine Damen und Herren

Die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union, und sie möchte es auch nicht werden. Der Bundesrat hat in den vergangenen Jahren wiederholt bestätigt, und man verlangt vom Bundesrat immer wieder, es zu sagen, und so sagen wir es also hier und jetzt erneut: Das Beitrittsgesuch von 1992 ist gegenstandslos geworden, sowohl in den Augen des Bundesrates wie aus Sicht der Europäischen Union. Wir ziehen es vor, in unserem eigenen Haus zu leben anstatt uns der Gemeinschaftswohnung von nebenan anzuschliessen. Aber dies soll uns nicht daran hindern, gute Beziehungen mit unserem Nachbarn zu pflegen. Auch wenn sie ihr nicht beigetreten ist, muss die Schweiz anerkennen, dass der europäische Integrationsprozess für den Kontinent vorteilhaft war – und auch für die Schweiz. Wirtschaftlich zuerst, aber bestimmt auch, was Friede, Sicherheit und Stabilität des Kontinents betrifft, den auch wir bewohnen.

Entsprechend wäre es falsch, wenn die Schweiz sich von der EU bedroht fühlen würde. Vielmehr hat die Schweiz allen Grund, die EU als wichtige und nützliche Partnerin zu verstehen, zu der es, getragen von beiderseitigem politischen Willen, möglich ist, Brücken zu bauen, die beiden Seiten zum Vorteil gereichen.

Die Schweiz muss sich ihrerseits als wichtige Partnerin der EU verstehen: als einer ihrer wichtigsten Wirtschaftspartner und einen ihrer wichtigsten Investoren. Eine Partnerin, mit der der diese auf Augenhöhe begegnet. Die Schweiz hat Recht, sich Gehör und Respekt zu verschaffen, aber sie hat keinen Grund, sich als ein bedrängtes Opfer zu fühlen. Der Prozess der europäischen Integration stärkt die Schweiz, er bedroht sie nicht. Die Schweiz ist stark genug um mit diesem Nachbarn eine ausgewogene und gegenseitig vorteilhafte Beziehung zu unterhalten.

Aus diesem Grund unterstützt unser Land selbstständig diesen Prozess der Eini-gung. Mit dem Erweiterungsbeitrag werden wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Fortschritte in den neuen EU-Mitgliedstaaten gefördert. Dieser Beitrag ist eine Solidaritätsbekundung der Schweiz, ein Zeichen für unsere Verantwortung in der Welt, aber auch ein Handeln im eigenen Interesse.

Eines der Projekte, die wir in der Slowakei damit unterstützen, konnte ich im August letzten Jahres besuchen. Die Hilfe der Schweiz wurde in einem sehr bescheidenen Rahmen geboten: ein umgewandeltes Materiallager, ohne irgendwelchen Luxus, um Obdachlosen einen Ort zu bieten, wo sie sich waschen können, etwas Warmes zu essen bekommen und schlafen können. Ich habe gesehen, wie die Schweiz ein bisschen menschliche Wärme bringt und diesen Männern und Frauen Hoffnung und Würde zurückgibt. Es ist ein bescheidener, aber sehr wichtiger Beitrag! Aussenminister Lajcak versicherte uns dabei, dass der Schweizer Beitrag nicht nur aus finanzieller Sicht geschätzt wird. Der Beitrag wird auch als Zeichen der Solidarität des Schweizervolks verstanden.

Die Schweiz hat dieses Jahr bereits zum zweiten Mal die Präsidentschaft der OSZE inne und leistet damit einen weiteren Beitrag zugunsten der Stabilität und der Si-cherheit auf dem europäischen Kontinent.

Meine Damen und Herren,

der Weg der Schweiz in Europa ist eine Erfolgsgeschichte, sie ist aber auch für die EU positiv. Die Schweiz ist der zweitgrösste Investor in der EU (nach den USA) und ihr viertgrösste Handelspartner überhaupt. Zwei Drittel unseres Aussenhandels entfallen auf die EU-Staaten – davon 55 Prozent auf unsere Exporte und 75 Prozent auf unsere Importe. Am wichtigsten sind dabei unsere Nachbarregionen: Das Handelsvolumen mit Baden-Württemberg entspricht in etwa demjenigen mit den USA, oder demjenigen mit Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – den BRICS – … zusammen! Das Handelsvolumen mit Tirol ist grösser als dasjenige mit Brasilien. Und dasjenige mit den italienischen Grenzregionen übertrifft jenes mit China.

Ein stabiler und hindernisfreier Handel zwischen der Schweiz und der EU ist zentral und trägt massgeblich zum Wohlstand in der Schweiz bei. Der bilaterale Weg garantiert uns Zugang zum gesamten Gebiet der Europäischen Union. Er erlaubt uns, unsere Verfassungsziele der Wahrung der Sicherheit, der Unabhängigkeit und des Wohlstands am besten zu erreichen. Deshalb will der Bundesrat diesen Zugang für die Schweizer Wirtschaft festigen und wo nötig den bilateralen Weg erneuern. Denn mit diesem Weg der Schweiz in Europa, hat unser Land die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft konsequent verbessert Das Schweizer Volk hat die Vorteile des bilateralen Wegs anerkannt und hat ihn deshalb seit dem Jahr 2000 schon sieben Mal an der Urne bestätigt.

Die bilateralen Abkommen sind ein komplexes Rechtsgefüge. Allerdings sind auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und der Schweiz komplex. Alle institutionellen Fragen sind komplex und subtil in der Schweiz – dies garantiert auch unsere komplexen Gleichgewichte. Deshalb wird ein Freihandelsabkommen wie etwa jenes von 1972 den Bedürfnissen der Schweizer Wirtschaft schon lange nicht mehr gerecht werden. Ein Freihandelsabkommen enthält im Gegensatz zu den bilateralen Verträgen keine Harmonisierung des Rechtsbestandes und würde den Bedürfnissen, die den engen wirtschaftlichen Verflechtungen der Schweiz im EU-Binnenmarkt entspringen, nicht gerecht.

Denken Sie beispielsweise an die Maschinenindustrie, die ja gerade im Wirtschaftsraum Thun ein wichtiger Arbeitgeber ist. Die bilateralen Abkommen garantieren gegenseitige Anerkennung der Produkteregulierungen. Dadurch haben die hier produzierenden Unternehmen gleich lange Spiesse wie ihre europäischen Konkurrenten und einen hindernisfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt. Gerade in stark regulierten Bereichen wie dem Maschinenbau ist dies – vor allem für kleine und mittlere Unternehmen – ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Will die Schweiz weiterhin mit einer starken und innovativen Wirtschaft punkten, braucht sie die bilateralen Abkommen.

3. Eine erfolgreiche Integrationspolitik für die Schweiz

Meine Damen und Herren

Die Schweiz war ein Auswanderungsland, dann, im 19. Jhd., wurde sie zum Ein-wanderungsland, und heute ist sie ein Land der Integration. Ihr Integrationsmodell funktioniert gut, vor allem, weil wir auf die Menschen angewiesen sind, die hierher-kommen und sich hier niederlassen wollen, und weil unsere dynamische Wirtschaft ihnen Arbeit anzubieten hat. Und es funktioniert auch deshalb gut, weil unsere Immigrantinnen und Immigranten hauptsächlich europäische Wurzeln haben, uns also kulturell nah sind. Diese Integration trägt – dank den Anstrengungen der beteiligten Frauen und Männer – bei zur Verwirklichung des Modells Schweiz und zu ihrem Erfolg. Sie bringen uns ihr Knowhow und verstärken damit unser eigenes.

Wir können berühmte Beispiele nennen: Denken wir etwa an Nicolas Hayek, der im Libanon geboren wurde. An Meret Oppenheim, die Berner Künstlerin, die aus Deutschland stammte. Denken wir an unsern Tennis-Star Stanislas Wawrinka, geboren in Lausanne, Sohn eines tschechischen Vaters. Wir könnten noch unzählige weitere nennen, auch aus früheren Zeiten. Denken wir an Nestlé – aus Deutschland, an Patek – aus Polen, oder an seinen Compagnon Philippe – aus Frankreich. Die Geschichte der Schweizer Uhrenindustrie verdankt auch viel den eingewanderten Hugenotten und ihren Nachfahren, so namentlich Abraham-Louis Breguet. Die Erfolgsgeschichte des Swiss made und der Swissness ist auch jene der Ausländer, die unsere Wirtschaft gut zu integrieren wusste. Diese Arbeiter sind gekommen, um die Bedürfnisse einer starken und dynamischen Wirtschaft zu befriedigen und stellen auch sicher, dass die Einrichtungen des Service public gut funktionieren.

Meine Damen und Herren Staats- und Regierungsräte, Sie wissen besser als ich, dass unsere Spitäler und unsere Alters- und Pflegeheime schlicht und einfach still-stehen würden ohne eine kontrollierte Zuwanderung qualifizierter ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 30% des Personals im Pflegebereich sind Ausländer, in der Hotellerie sind es 40% und in der Forschung – ein Wachstumsmotor für unser Land – gar 50%. Auch die Schweizerische Landwirtschaft beschäftigt 20‘000 Arbeiter, vor allem aus dem osten des Kontinents. Sie werden vor allem im Gemüseanbau dringend benötigt, weshalb der schweizerische Bauernverband gegen die Kontingenten-Initiative kämpft.

Unsere Wirtschaft und unsere Institutionen können sich nicht mit einheimischen Arbeitskräften begnügen um zu produzieren und zu gedeihen. Zur Zuwanderung kommt es, wenn die Wirtschaft Arbeitskräfte braucht und auf dem einheimischen Arbeitskräftemarkt nicht genug davon findet. Wenn hingegen die Unternehmen weniger Leute einstellen, dann geht erfahrungsgemäss die Zuwanderung zurück, wenn auch manchmal mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung.

Mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens mit der EU im Juni 2002 hat sich die schweizerische Migrationspolitik geändert. Von einem schwerfälligen und bürokratischen Kontingentsystem haben wir zu einem System gewechselt, das im Verhältnis zu den EU- und den EFTA-Mitgliedstaaten auf dem Grundsatz des freien Personenverkehrs beruht und hinsichtlich Personen aus Drittstaaten eine Beschränkung kennt. Die Liberalisierung der Einwanderung aus der EU und der EFTA bewirkte massive administrative Erleichterungen, eine deutliche Verringerung der Kosten und Vorschriften, namentlich für die Unternehmen, aber auch eine grössere Flexibilität des Arbeitskräftemarkts. Und dieser Wechsel hat – zusammen mit den übrigen Bilateralen Verträgen mit der EU – unserem Land ein starkes Wirtschaftswachstum beschert. Vergessen wir nicht, dass uns in den 1990er-Jahren dieses Wirtschaftswachstum ganz empfindlich gefehlt hat.

Dank der Personenfreizügigkeit können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Dienstleistungserbringer dort arbeiten, wo es Arbeit hat, und sie können so direkt die Bedürfnisse unserer Wirtschaft befriedigen. Wenn die ausländischen Arbeitskräfte auch keine Arbeitsbewilligung brauchen, um in die Schweiz zu kommen, so müssen sie dazu doch zwei Voraussetzungen erfüllen:

• Sie müssen in der Schweiz innerhalb von sechs Monaten zu einem Arbeits-vertrag kommen.
• Oder aber sie müssen den Nachweis erbringen, dass sie über ein ausrei-chendes Einkommen verfügen und die Lohn- und Arbeitsbedingungen des Empfangsstaates einhalten.

Die flankierenden Massnahmen stellen sicher, dass die Arbeits- und Lohnbedingungen in der Schweiz eingehalten werden. Diese Massnahmen wurden kürzlich verschärft, und mit zahlreichen Kontrollen bekämpfen wir Missbräuche. Die Kantone spielen hier eine wesentliche Rolle. Die Kontrollen erlauben es, am Arbeitsplatz das Einhalten der Arbeitsbedingungen und der Löhne zu kontrollieren. Falls Zuwiderhandlungen festgestellt werden, können gegen die Arbeitgeber Massnahmen ergriffen werden.

Alles in allem: Die Personenfreizügigkeit ist eine kontrollierte Öffnung der Schweiz. Im Rahmen dieser Spielregeln sind es die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts, welche die Migration lenken, immer unter Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der Schweiz.

Diese Regeln sind wirksamer und nützlicher als eine Rückkehr zu starren Grenzen und Kontingenten. Die Personenfreizügigkeit gibt unserem Land die nötige Flexibilität, um im Bereich der Beschäftigungspolitik Angebot und Nachfrage in ein Gleichgewicht zu bringen. Die Volksinitiative, über die wir am 9. Februar abstimmen, fordert Höchstzahlen für die Aufenthaltsbewilligungen von sämtlichen Ausländerinnen und Ausländern. Sie will also zurück zu einem System der Kontingente. Die Schweiz hat Erfahrungen mit diesem System, und weiss, dass sich die Zuwanderung damit keineswegs beschränken lässt. Im Gegenteil: Zur Zeit der Kontingente kamen mehr ausländische Arbeitskräfte in unser Land als heute mit der Personenfreizügigkeit (1961: brutto 204‘862 Personen, also fast 2 Mal soviel wie heute). Das System der Kontingente würde heute wie damals die illegale Einwanderung, eine Zunahme der Schwarzarbeit und eine Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen fördern. Zudem hat dieses System einen sehr grossen bürokratischen Aufwand für Unternehmen und Kantone zur Folge. Die Arbeitsbewilligungen hinken immer den Bedürfnissen der Wirtschaft hinterher.

Die Initiative bietet daher keine Lösungen für die vorhandenen Herausforderungen der Zuwanderung, sondern schafft neue Probleme und schwächt die Schweiz. Was sollen wir zu einem System wechseln, das viele Nachteile hat, wenn es doch viel sinnvoller ist, die Errungenschaften des bilateralen Wegs beizubehalten, zu verbessern und wo nötig gezielte Entlastungsmassnahmen zu treffen? Die Wiedereinführung des Kontingentsystems würde für die öffentliche Verwaltung – auf Kantons- und auf Bundesebene – Folgendes bedeuten: Sie müsste Höchstzahlen festlegen für die Ausländerinnen und Ausländer, die in unser Land kommen dürfen. Dann müsste sie die Kontingente verteilen auf die Regionen und auf die Wirtschaftsbereiche. Anschliessend müsste sie Zehntausende von einzelnen Bewilligungsgesuchen bearbeiten und willkürlich das Recht auf Einwanderung erteilen oder verweigern. Ein solches rigides, kostspieliges und bürokratisches System steht im Widerspruch zu unserer liberalen Wirtschaftsordnung, welche die Schweiz zum Erfolg geführt hat. Kommt hinzu, dass das Kontingentsystem in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass die zuwandernden Arbeitskräfte weniger gut qualifiziert waren als mit dem heutigen System.

Meine Damen und Herren,

Die Personenfreizügigkeit ist ein Trumpf für die Schweiz. Und dies in mehrfacher Hinsicht:

1. Die Personenfreizügigkeit verschafft der Schweiz qualifizierte Arbeitskräfte, ein Schlüssel für unsern wirtschaftlichen Erfolg. Der Schweizer Arbeitsmarkt konnte diese ausländischen Arbeitskräfte problemlos aufnehmen. Die Arbeitslosenzahlen blieben stabil. 2012 wies die Schweiz eine Arbeitslosenquote von 2,9 Prozent auf. Zusammen mit Norwegen, das ebenfalls die Personenfreizügigkeit praktiziert, verzeichnet die Schweiz damit die tiefste Arbeitslosenquote in ganz Europa.

Wir haben auch eine der tiefsten Jugendarbeitslosigkeit in Europa: weniger als 3% (2.4% für die 15-19 Jährigen; 4% für die 20-24 Jährigen), also nahezu so wenig wie im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung. Die Schweiz lässt ihre Ju-gend nicht im Stich, im Gegenteil, sie bietet ihr Perspektiven und dies ist zentral! Auch dies gehört zum Erfolgsmodell Schweiz. Gewisse Unternehmen in der Schweiz hätten ihre Produktion oder Teile davon ins Ausland verlagert, hätten sie nicht auf ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz zurückgreifen können. Das gilt besonders für die Region des Jurabogens. In den 1920er-Jahren hat man dort Unternehmen über die Grenze in die französische Nachbarschaft verlagert, weil man in der Schweiz nicht genug qualifizierte Arbeitskräfte fand. Eine Studie im Bereich der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) zeigt auf, dass annähernd 60 Prozent dieser Unternehmen eine Verminderung der Wettbewerbs- und der Innovationsfähigkeit befürchten, sollte die Schweiz die Personenfreizügigkeit aufgeben. Der Bundesrat möchte diese Arbeitsplätze in der Schweiz behalten. Wir wollen unsere Produkte exportieren, nicht unsere Arbeitsplätze.

2. Die Personenfreizügigkeit leistet einen wesentlichen Beitrag an die Finanzierung unserer wichtigsten Sozialversicherungen. Namentlich trägt sie zu einer nachhaltigen Finanzierung der AHV bei. Die Schweizer Bevölkerung altert. Mit der gegenwärtigen Geburtenrate von 1,53 Kindern pro Frau, würde die Bevölkerung von einer Generation zur nächsten um einen Viertel abnehmen! Die Schweiz muss also junge und gebildete Arbeitskräfte anziehen, auch um ihre Altersvorsorge zu finanzieren. Die AHV funktioniert nicht wie die 2. und die 3. Säule über ein Kapitaldeckungsverfahren, sondern nach dem Umlageprinzip: Die aktive Generation finanziert direkt die Renten der Generationen im Ruhestand. Die Alterung unserer Bevölkerung setzt die Sozialversicherungen finanziell unter Druck. Die ausländischen Arbeitskräfte aus der EU – überwiegend jung und gut ausgebildet – sind bei der AHV hingegen Nettozahler. 2012 trugen sie 6 Milliarden Franken oder 22 Prozent der Beiträge an die 1. Säule, während die von ihnen bezogenen individuellen Leistungen lediglich 15 Prozent der Gesamtleistungen ausmachten.

Ohne Einwanderung wäre die AHV seit über 20 Jahren defizitär. Seit ungefähr 2000 schreibt die AHV aber schwarze Zahlen. Die Differenz betrug in den letzten Jahren mehr als 3 Milliarden Franken (gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen). Über die letzten 10 Jahre gerechnet, hat die Einwanderung über 25 Milliarden Franken zur Finanzierung der AHV beigetragen. Diese positive Auswirkung der Zuwanderung auf die AHV wird zweifellos weitergehen. Unter den Arbeitskräften aus der EU/EFTA ist ein grosser Teil gut ausgebildet – 53 Prozent der zuwandernden Arbeitskräfte sind im Besitz eines Diploms aus dem tertiären Bildungssektor. Aufgrund ihrer oft hohen Löhne zahlen diese Personen Beiträge ein, die über der Schwelle der Maximalrente liegen. Damit sind diese Personen Nettozahler für die AHV: Aufgrund des Solidaritätsprinzips zahlen sie mehr ein, als sie jemals beziehen werden.

3. Die Freizügigkeit trägt auch zur Integration bei, fördert sie doch die Zuwande-rung von Arbeitskräften aus den umliegenden Ländern. Die zuwandernde aus-ländische Bevölkerung ist uns kulturell nah. Zwei Drittel kommen aus EU- und EFTA-Staaten. Allein ein Drittel der Zuwanderer kommt aus Italien, Frankreich und Deutschland. Die jüngste PISA-Studie zeigt – nebst den guten Ergebnissen unserer Schülerinnen und Schüler –, dass die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund funktioniert.

4. Schliesslich haben sich, dank der Personenfreizügigkeit, die in beide Richtungen geht, 435 000 Schweizerinnen und Schweizer (ein Drittel mit Schweizer Pass, zwei Drittel mit Doppelbürgerschaft) in den Ländern der EU niedergelassen und gehen dort einer Arbeit nach.

Wir sehen also: Die Personenfreizügigkeit ist in mehreren Hinsichten ein Vorteil und eine Chance für die Schweiz und für Europa. Sie ist ein wichtiger Gefährte des Erfolgsmodells Schweiz.

4. Wie der Bundesrat den aktuellen Herausforderungen begegnen will

Die Schweiz hat in den vergangenen zehn Jahren insgesamt von der Personenfreizügigkeit profitiert – gleichwohl bringt das Bevölkerungswachstum auch eine Reihe von Problemen und von Herausforderungen mit sich. Man muss die Begleiterscheinungen des Wachstums in den Griff bekommen, und dazu braucht es manchmal etwas Zeit. So muss der Ausbau der Infrastrukturen Schritt halten mit dem Bevölkerungswachstum.

Diese Phänomene sind nicht ausschliesslich Folgen der Personenfreizügigkeit. Gerade im Bereich des Wohnungswesens lassen sich die Schwierigkeiten, die es seit mittlerweile 50 Jahren gibt, nicht einfach mit dem Bevölkerungswachstum erklären. Sie haben ihre Ursachen auch in der abnehmenden Haushaltsgrösse, im steigenden Bedarf an Wohnfläche pro Person, in der gestiegenen Kaufkraft sowie im Wunsch nach Wohnen in urbanen Gebieten.

Was die Mobilität betrifft, stellt man fest, dass die Zahl der mit dem Auto und öffentli-chen Verkehrsmitteln gefahrenen Kilometer seit Jahren konstant zunimmt (2012: total etwa 14 000 Kilometer pro Person). Man stellt fest, dass – alle Transportmittel zusammengenommen – die Mehrheit der gefahrenen Kilometer auf das Konto der Freizeit und nicht des Arbeitsweges geht.
2012 machte der Freizeitverkehr in der Schweiz 45 Prozent aus, der Arbeitsverkehr hingegen nur 31 Prozent. Gewiss verstärken das wiedergewonnene Wirtschafts-wachstum und die Zuwanderung diese Herausforderungen. Es gibt Lösungen dafür, sie brauchen aber Zeit und politischen Willen.

Der Bundesrat arbeitet – in enger Partnerschaft mit den Kantonen, worüber ich mich glücklich schätze – an gezielten Massnahmen gegen die negativen Begleiterscheinungen des Wachstums. Mit diesen Massnahmen sollen die Lebensqualität und der Wohlstand in unserem Land langfristig gesichert werden. Zuwanderungskontingente bieten nichts von alledem.

Wir verfolgen drei Stossrichtungen:

i. Das Potenzial der einheimischen Arbeitskräfte besser ausschöpfen und damit gegen den Mangel an qualifizierten schweizerischen Arbeitskräften ankämpfen.
ii. Die flankierenden Massnahmen verstärken und damit Verstösse gegen die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz bekämpfen.
iii. Unsere Infrastrukturen verbessern.

Was heisst das konkret?

i. Verschiedene Massnahmen sollen es den Unternehmen erlauben, vermehrt qualifizierte Berufsleute direkt in der Schweiz zu finden.

Dazu verfolgt der Bundesrat wir parallel verschiedene Ziele:
- Das Qualifikationsniveau durch die Bildung erhöhen
- Die Innovation fördern
- Anreize für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern

ii. Wir haben die flankierenden Massnahmen verstärkt, namentlich das System der Sanktionen gegen die Arbeitgeber, die sich nicht an die in den Gesamtarbeitsverträgen vorgeschriebenen Mindestlöhne halten. Die Zahl der Kontrollen wurde erhöht und die Kontrollen wurden professionalisiert, sodass eine gezieltere und wirksamere Kontrolle der Löhne möglich wurde: So wurden 2012 insgesamt 39 000 Unternehmen und 152 000 Beschäftigte kontrolliert. Seit Mai 2013 sind ausländische Unternehmen zudem verpflichtet, die Löhne der von ihnen entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzugeben. Die Behörden können bei Bedarf Abklärungen vornehmen, um so jegliches Lohndumping zu verhindern.

iii. Und schliesslich noch zu den Infrastrukturen, die wir auf jeden Fall anpassen und erneuern müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben: Am 9. Februar ent-scheiden Volk und Kantone über die Finanzierung der Eisenbahninfrastrukturen (FABI). Der unbefristete, umfassenden Bahninfrastrukturfonds, den diese Initiative vorsieht, soll Betrieb und Unterhalt des Bahnnetzes, sein Ausbau und seine Anpassungen an künftige Bedürfnisse finanzieren. Der Bundesrat plant auch eine Reform der Strassenfinanzierung im Umfang von 6 bis 7 Milliarden pro Jahr. Im Juni 2013 hat er die Eckwerte dieser künftigen Strassenfinanzierung präsentiert. Kern des neuen Systems ist ein Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr.

Im Bereich Wohnungswesen hat der Bundesrat eine Änderung der Wohnraum-förderungsverordnung lanciert, die es gemeinnützigen Organisationen erlauben soll, Bauland zu erwerben. Mit dieser Änderung der gesetzlichen Grundlagen soll der Bau von günstigem Wohnraum gefördert werden.

Das sind Beispiele von Massnahmen, die es erlauben sollen, das Wachstum sinnvoll zu begleiten, statt es einfach abzuwürgen; die es erlauben sollen, das Erfolgsmodell Schweiz und die Lebensqualität zu erhalten.

1. Schluss: Unseren Wohlstand nicht aufs Spiel setzen

Meine Damen und Herren,

Wir müssen die Bewohnerinnen und Bewohner unseres Landes anhören und ihre Sorgen ernst nehmen. Aber wir müssen ihnen auch klar sagen was die Folgen an-stehender Entscheide sein könnte für den bilateralen Weg, dessen Grundpfeiler die Personenfreizügigkeit ist, und die die Schweiz zurück zum Wachstum geführt hat. Dem bilateralen Weg verdanken wir Beschäftigung und Wohlstand. Die Kontingenten-Initiative würde wahrscheinlich dem bilateralen Weg ein Ende bereiten und würde die Schweiz einen wichtigen Trumpf nehmen. Sie würde das Wachstum abwürgen und uns in eine Periode des Rückzugs und des Niedergangs führen. Das Volksmund sagt dem „das Kind mit dem Bade ausschütten“.

Die Frage der verantwortungsbewussten Öffnung der Schweiz wird in den nächsten Monaten immer wieder im Zentrum der Schweizer Politagenda stehen. Nach der Abstimmung über die Kontingenten-Initiative in einem Monat, wird sich das Stimmvolk später im Jahr auch zur Ecopop-Initiative äussern. Schliesslich wird es wahrscheinlich zum Referendum gegen die Ausweitung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf Kroatien kommen. Machen wir uns nichts vor: Eine Neuverhandlung der Marktzugangsabkommen, wie es die Initianten der Kontingenten-Initiative verlangen, ist kaum realisierbar. Der Bundesrat nähme seine Verantwortung gegenüber den Schweizern nicht wahr, wenn er vorgeben würde, dass es möglich wäre, mit der EU Ausnahmen zur Personenfreizügigkeit zu verhandeln. Das ist nicht der Fall.

Fakt ist auch, dass Abkommen der Bilateralen I miteinander durch die sogenannte „Guillotine-Klausel“ verbunden sind, sie würden wegfallen, sollte das Personenfrei-zügigkeitsabkommen gekündigt werden. Davon betroffen wären die wichtigsten Marktzugangsabkommen, aber es könnte auch die Kooperationsabkommen zur Forschung oder Bildung treffen. Ganz besonders Bildung und Forschung: die Schweiz ist ein Weltmeister in diesem Bereich und ihre Fähigkeit zur Forschung und zur Innovation sind zentrale Pfeiler unserer Mehrwert-basierten Wirtschaft. Der volle Zugang unserer Forscher und unserer Labors zum europäischen System kann ohne den bilateralen Weg nicht gewährleistet werden. Eine ernstzunehmende Gefahr bestünde für die kurz- und mittelfristigen Erfolgschancen unseres Landes. Denn wenn die Forscher die Schweiz verlassen würden, verlässt uns ein Grossteil unseres Wohlstandes und unserer Zukunft.

Der Weg der verantwortungsvollen Öffnung hat es der Schweiz ermöglicht, den Weg des Wirtschaftswachstums zu verfolgen. Eine Abkehr von der Personenfreizügigkeit würde den bilateralen Weg grundsätzlich in Frage stellen und ihm auf jeden Fall ernsthafte Probleme bereiten. Man kann die Einwanderung nicht einschränken, ohne dass die Wirtschaft darunter leidet, wie es die Initianten behaupten. Sie würde darunter leiden. Dessen müssen wir uns bewusst sein, wenn wir am 9. Februar eine Entscheidung treffen müssen. Unsere Jugend hat eine Zukunft und sie hat Arbeit und Perspektiven in der Schweiz. Der Bundesrat und das Parlament will auch den kommenden Generationen Perspektiven und Arbeit bieten. Damit dies gelingt, sind stabile Beziehungen zur EU für die Schweiz und ihre Wirtschaft unerlässlich. Dies erlaubt es uns, das Erfolgsmodell Schweiz zu erhalten.

Das System der Kontingente ist keine Alternative: Es ist schwerfällig, bringt mehr Bürokratie, ist teuer und ineffizient. Es löst keine Herausforderung die mit der Wachstum der Schweiz zusammenhängen sondern stellt uns vor neuen Problemen.
Der Bundesrat wird sich in den nächsten Wochen bis zur Abstimmung dafür enga-gieren, der Bevölkerung diese Zusammenhänge aufzuzeigen – und wir bedanken uns auch für Ihr Engagement, sehr geehrte Damen und Herren Staats- und Regie-rungsräte, um die Folgen dieser Abstimmung zu erklären, damit die Schweizer im vollen Wissen um die Konsequenzen ihre Stimme abgeben.

Meine Damen und Herren

Ich schätze die gute Zusammenarbeit mit der Konferenz der Kantonsregierungen und insbesondere mit ihrem Präsidenten in den letzten Jahren, mit Regierungsrat Pascal Broulis. Danke, Pascal, für diese sehr offene und konstruktive Zusammenarbeit, namentlich im Rahmen des Nationalen Dialogs über die Europapolitik, den wir vor zwei Jahren eingerichtet haben und der uns – auf klaren Grundlagen – einen direkten, nützlichen Austausch erlaubt! Ich freue mich auch auf die künftige Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten der KdK, Regierungsrat Jean-Michel Cina, und mit allen Instanzen der KdK und mit den kantonalen Fachkonferenzen. Ich danke Ihnen für diese Arbeit, die wir zusammen erbracht haben und erbringen werden. Denn die Schweiz ist dann stark, wenn sie zusammensteht und sie vereint ist. Auf diese Weise können wir das Erfolgsmodell Schweiz stärken.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schliessen mit meinen allerbesten Wünschen für Sie alle, für das eben erst begonnene neue Jahr 2014, auf dass es ein gutes, ein konstruktives und ein dynamisches Jahr werde, für Ihren Kanton und für die Schweiz!

«Das Wachstum begleiten und das Erfolgsmodell Schweiz fortführen»