Sehr geehrte Damen und Herren

Wir tun heute einen Schritt für die Westumfahrung Zürichs, einen Schritt in der Bewältigung des Agglomerationsverkehrs in der Schweiz, einen Schritt hin zu einer nachhaltigen Mobilitätspolitik, einen Schritt, dem sehr viele Schritte vorangegangen sind, planerische, politische, rechtliche Schritte. Die Richtung wurde zum Teil geändert, immer wieder haben wir uns neu orientiert, indem wir Einwände, Befürchtungen, Argumente berücksichtigten. Diesem heutigen Teilschritt werden viele weitere folgen müssen.

Teil eines Ganzen (I): Umfahrung Birmensdorf und Westumfahrung

Was wir heute feiern, ist der erste  Teil der Zürcher Westumfahrung. Wir eröffnen also den Teil eines Ganzen. Der Üetlibergtunnel wird 2008 eröffnet. Dann möchten auch viele Menschen in der Stadt Zürich und im Sihltal aufatmen, so wie die Birmensdorfer heute aufatmen.  Wenn 2010 die Autobahn durchs Knonauer Amt eingeweiht wird, kehrt auch in diesen Dörfern Ruhe ein.

Wir bewegen uns Schritt für Schritt auf die Lösung der Verkehrsprobleme im Westen von Zürich zu.

Teil eines Ganzen (II): Strasse und Schiene, Infrastrukturfonds

Nach der Eröffnung dieses Autobahnstückes wird den Pendlern wohl etwas fehlen: die wohlvertrauten Staumeldungen aus Urdorf. Bis der Üetlibergtunnel aufgeht, werden diese wohl zuverlässig ersetzt durch Staumeldungen aus der Filderen, wo die Autobahn vorläufig noch aufhört. Und wenn auch dieser Tunnel einmal offen ist, verschieben sie sich wohl oder übel an einen anderen Ort. Neue Strassen kommen uns teuer zu stehen, wenn sie sogleich zu Warteräumen für die Automobilisten werden. Es gibt immer wieder Berechnungen darüber, was es der Volkswirtschaft schade, wenn Arbeitnehmer im Stau statt im Büro sitzen. Wer der wirkliche Verursacher dieser theoretischen Kosten ist, könnte man doch immerhin diskutieren. Ist es der demokratische Prozess, der zwar bei uns lange dauert, aber ein Projekt dann doch für alle akzeptabel macht, oder sind es nicht doch diejenigen, die ein Verkehrsmittel wählen, zu welchem es Alternativen ohne Stau gibt und sogar mit der Möglichkeit zu arbeiten?

Der Verkehr fliesst auch auf neuen Strassen nur dann, wenn diejenigen, die nicht aufs Auto angewiesen sind, den Zug nehmen. Sie kommen damit bequemer und oft sogar schneller ans Ziel. Der Kanton Zürich verfügt über ein leistungsfähiges S-Bahn-Netz, das immer mehr Menschen benutzen. Inzwischen sind es so viele, dass die S-Bahn zu einem Opfer ihres eigenen Erfolges zu werden droht. Wenn die Pendler nicht mehr sitzen können, steigen sie wieder ins Auto. Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen. Mit dem neuen Durchgangsbahnhof und der Glatttalbahn schaffen wir - der Bund und der Kanton Zürich - Infrastrukturen, die garantieren, dass der öffentliche Verkehr eine hervorragende Alternative zum Auto bleibt.

Neue Autobahnen sind ein wichtiges Element unserer Verkehrspolitik in den Agglomerationen. Aber sie sind nur Teil eines Ganzen. Nur wenn sich Schiene und Strasse ergänzen, können die Verkehrsströme in und um die grossen Städte bewältigt werden. Aus diesem Gedanken heraus hat der Bund den Infrastrukturfonds geschaffen. Ein Teil des Geldes fliesst in Projekte des öffentlichen Verkehrs, ein Teil in den Strassenbau. Zürich, aber auch  Basel, Genf oder Bern versuchen mit grossen Projekten, die Pendlerströme in den Griff zu bekommen. Der Infrastrukturfonds garantiert, dass die Mittel dafür auch in Zukunft vorhanden sind. Unabhängig davon, wie gut es der Wirtschaft gerade geht und wie üppig die Steuergelder fliessen. Mit ihm erhalten auch die nächsten Generationen den finanziellen Gestaltungsspielraum, den sie brauchen.

Teil eines Ganzen III: Die Agglomerationen und die Alpentäler

Angesichts unserer eigenen Verkehrsprobleme vergessen wir Agglo-Schweizer und Wirtschaftsmetropolisten vor lauter Stau ja oft, dass wir auch nur Teil eines Ganzen sind. Das Ganze ist die Schweiz. Ein Land, in dem es neben den städtischen Agglomerationen immer noch viele ländliche Regionen gibt. Auch diese haben ihre Verkehrsprobleme - wenn auch ganz andere als wir. Nur die regelmässige Erschliessung mit Bahn und Postauto und der Unterhalt der Strassen macht es möglich, dass die Menschen in der Stadt arbeiten und in ihrem kleinen Dorf leben können. Jede Bewohnerin und jeder Bewohner unseres Landes hat einen Anspruch darauf, mit allen anderen Regionen der Schweiz und mit dem Rest der Welt verbunden zu sein. Das ist ein Teil unserer Grundversorgung, an der die Schweizerinnen und Schweizer so sehr festhalten und auf die sie zurecht stolz sind. Deshalb ist ein Teil des Infrastrukturfonds auch für Projekte in den Berg- und Randregionen reserviert. Weil diese auf unsere Solidarität angewiesen sind, wenn sie eine Zukunft haben wollen. Und wir Städter möchten ja auch gerne schnell in den Bergen sein, wenn wir am Freitag Abend die Bürolampe ausknipsen. Wir sind also auch solidarisch mit uns selber.

Ich werde übrigens heute Abend in Savognin das erste rätoromanische Theater der Schweiz einweihen. Von der Zürcher Westumfahrung auf schnellem Weg zu einem kulturellen Ereignis im Bündnerland - ein fast schon perfekter Werbesport für den Infrastrukturfonds.

Teil eines Ganzen IV: Nachhaltig hält länger

Autobahnen werden heute anders gebaut als früher. In den siebziger und achtziger Jahren war die kürzeste und billigste Variante automatisch die beste. Auch wenn sie mitten durch eine Stadt ging. Die Folgen bekommen wir heute zu spüren: In Schwamendingen müssen wir einen teuren Deckel über eine Nationalstrasse legen, damit die Menschen rundherum leben und atmen können. Die Umfahrung Birmensdorf dagegen verläuft fast ganz unter dem Boden, und sie verläuft dort, wo es der Natur am wenigsten schadet. Diese Lebensräume zu erhalten hat natürlich seinen Preis. Aber diese Investitionen lohnen sich. Denn wirtschaftliche Kriterien sind auch nur Teil eines Ganzen, nämlich der Nachhaltigkeit, die ein Zusammenspiel der Wirtschaft mit sozialen und ökologischen Anliegen garantiert.

Teil eines Ganzen V: Diese und die nächsten Generationen

Wir eröffnen heute einen Teil der Westumfahrung, welche ihrerseits ein Teil des zukünftigen Verkehrssystems Schweiz ist. Wie dieses in ein paar Jahrzehnten aussehen wird, wissen wir heute noch nicht. Und wir wissen auch nicht, ob wir unsere Sache wirklich so viel besser machen als unsere Vorgänger. Die Planer, welche das Ypsilon um die Stadt Zürich herum und die Schwamendinger Stadtautobahn entworfen haben, glaubten, richtig zu handeln und im Wohle der Allgemeinheit.  Künftige Generationen werden mit Sicherheit mehr wissen als wir und andere Erkenntnisse haben als wir. Das liegt daran, dass der menschliche Verstand seine Grenzen hat.  Auch wir Menschen sind nur Teil eines Ganzen, weil wir immer nur einen Teil der Wahrheit erkennen. Das entbindet uns aber nicht von der Verantwortung, nach bestem heutigem Wissen und Gewissen zu planen und zu bauen. Und wenn wir nach bestem Wissen und Gewissen handeln, sind wir vor allem einem Wert verpflichtet: der Nachhaltigkeit.

Das vollkommene Ganze einer Infrastrukturpolitik, die alle Regionen, alle Menschen und all ihre Wünsche abdeckt, die der Umwelt und der Wirtschaft je vollumfänglich gerecht werden, welche unsere Vision der Nachhaltigkeit, die wir anstreben, entspricht, werden nie erreichen. Aber die Teile, die eingeschlagenen Schritte in diese Richtung, die wollen wir tun und die gelingen uns. Und auch wenn wir wissen müssen, dass sich spätere Politgenerationen wieder neu ausrichten, so freuen wir uns heute über einen wichtigen Teilschritt in die Richtung, an die wir glauben.

Teileröffnung Westumfahrung