Das Gedenken ist verwandt mit dem Gedanken. Ein Gedenktag ist auch ein Tag für Gedanken. Im Mittelpunkt des „Journée internationale de commémoration en mémoire des victimes de l’Holocauste“ steht daher das Andenken an die Millionen von Opfern, deren Angehörigen, den Überlebenden und allen, die nie wissen werden, unter welch grausamen Umständen ihre Vorfahren verstorben sind. Wir sind in Gedanken mit ihnen.

Wider das Vergessen

Die Erinnerung an die Opfer des Holocaust zu bewahren, bedeutet zunächst die unermüdliche Anstrengung gegen das Vergessen. Das ist ein wichtiger Erziehungsauftrag für das Zusammenleben der Menschen. Vor allem denjenigen, die nach den schrecklichen Geschehnissen geboren wurden, muss dies zeitgemäss vermittelt werden können. Die seit 2004 in den Schweizer Schulen durchgeführten Gedenktage zum Holocaust und der Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind daher wichtig. Der Leugnung des Holocaust muss der Rechtsstaat mit seinen Mitteln entgegen treten.

Auftrag für die Zukunft

Auch mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende und der Befreiung der Vernichtungslager sind wir fassungslos und können nicht begreifen, wie Menschen ihren Mitmenschen solch unsägliche Grausamkeiten antun und Millionen von Menschenleben systematisch und geplant auslöschen konnten. Der Respekt vor diesem Leid gebietet uns eine kompromisslose Mahnung: „Nie wieder“!

Es ist ein Auftrag an die Staatengemeinschaft und an uns alle, Rassenhass und systematische Verfolgung von Menschen nie mehr einen Nährboden zu gewähren. Dies ist keine Leerformel, sondern eine politische Pflicht für ein Gemeinwesen, das auf der Würde des Menschen aufbaut. Denn wir wissen es zu gut: Auch heute noch werden auf der Welt Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Abstammung oder ihrer Lebensformen verfolgt.

Dämme gegen Krieg, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich verantwortungsvolle Politiker insbesondere in den USA und Europa daran gemacht, das Versprechen „Nie wieder Krieg“ einzulösen. Mit der UNO hat die Welt heute eine universelle Friedensorganisation, die gestärkt werden muss, um ihren Auftrag zu erfüllen. In Europa haben die Europäische Union, der Europarat oder die OSZE ein enges Netz von Normen und Werthaltungen gesponnen, welches Krieg und Völkermord praktisch undenkbar macht. Wir wollen dieses institutionelle Sicherheitsnetz weiter weben und die Maschen enger stricken. Mit dem Internationalen Strafgerichtshof ist ein weiterer Schritt gegen Verbrechen an der Menschlichkeit getan.

Zum Schluss möchte ich an diesem Tag all denjenigen Personen und Institutionen danken, welche sich unermüdlich gegen das Vergessen und für eine Welt ohne Verbrechen gegen die Menschlichkeit engagieren. Sie erbringen damit eine menschlich und politisch erstrangige Leistung.

"Ein Tag für Gedanken"