Liebe Mitglieder der Thurgauer FDP,
sehr geehrte Damen und Herren

Es freut mich, heute bei Ihrer Gottlieber Tagung dabei sein zu können. Es ist die fünfundfünfzigste (55.) Ausgabe. Wenn man bedenkt, dass Sie diese Veranstaltung jährlich durchführen, so liegt deren Gründung weit zurück. Es muss Mitte des letzten Jahrhunderts gewesen sein!

Man sagt mir, diese Tagung sei seit jeher der jährliche gesellschaftliche Höhepunkt der Thurgauer FDP. Auch dazu möchte ich Ihnen gratulieren. Politik und Geselligkeit gehören zusammen! Politik darf auch lustig sein! Nein, sie muss sogar lustig sein. Denn die Politik wird von Menschen gemacht. Sie ist keine trockene Materie.

Das ist allerdings kein Plädoyer für eine reine Politik der Emotionen. Gerade wir von der FDP sind für eine vernunftgesteuerte Politik. Wir wollen keine Politik der Ressentiments und Vorurteile. Wir wollen auch die Fakten sehen und diese beurteilen.

Wichtigkeit der Gesundheitspolitik

Einer der wichtigsten Politikbereiche in diesem Zusammenhang ist die Gesundheitspolitik. Gesundheit ist eines der höchsten Güter für jeden Menschen. Mit zunehmendem Alter wird man für diesen Wert zudem empfänglicher.

So ist für jeden ein gut funktionierendes Gesundheitswesen wichtig. Der Staat soll seinen Beitrag leisten. „Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zur persönlichen Verantwortung und privaten Initiative dafür ein, dass jede Person die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält“, heisst es denn auch in Artikel 41b unserer Bundesverfassung.

Sind sich nun damit alle einig und die Gesundheitspolitik unumstritten? Sie wissen, dass dies keinesfalls so ist. Linke und Bürgerliche haben ganz andere Visionen des Gesundheitswesens. Die Gesundheits- und Sozialpolitik könnten gar zu einem ganz wichtigen Wahlkampfthema werden.

Traditionellerweise treten bei guter Wirtschaftslage jeweils andere Themen wie die Gesundheitspolitik in den Vordergrund. Wir stimmen zudem nächstes Jahr über die linke Einheitskasseninitiative und vielleicht auch über die SVP-Initiative ab. Wenn das Referendum zustande kommt, werden wir im Sommer auch über die 5. IV-Revision abstimmen.

Gesundheitswesen bringt uns Wachstum

Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass es dem Gesundheitswesen sehr gut geht. Man vergisst es oft: Das Gesundheitswesen trägt zu einem wesentlichen Teil zum Wirtschaftswachstum bei. Es beträgt mehr als 11% des BIP. Rund 400'000 Menschen arbeiten in diesem Sektor.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel über die Entwicklung. Noch 1994 betrug der Anteil der Exporte von hochwertigen Pharmaprodukten 16% der gesamten Branchenexporte. Fünfzehn Jahre später beträgt dieser Anteil schon 42%.

Analysen zeigen zudem, dass immer mehr Menschen immer mehr bereit sind, etwas für die Gesundheit zu tun. Die Konsequenz: Die Menschen sind gesünder, leben länger und profitieren vom technologischen Fortschritt.

Das Gesundheitswesen darf somit nicht nur als Kostenfaktor betrachtet werden. Reines Kostendenken wäre fehl am Platz. Vielmehr brauchen wir ein gesundes „Kosten-Nutzen-Denken“. Wir Liberalen wollen eine hohe Qualität für alle zu einem vernünftigen Preis.

Erste Bilanz

Das Gesundheitswesen muss bezahlbar bleiben. Bei meinem Antritt im EDI vor vier Jahren habe ich mir darum ein grosses Ziel gesetzt: Ich will erreichen, dass die durchschnittliche Steigerung der Prämien weniger als 2% über der Steigerungsrate des Lebensmittelindexes liegt.

Vor meinem Amtsantritt im EDI wurde dieses Ziel, Prämiensteigerungen nicht mehr als 2% über derjenigen des Lebensmittelindexes, weitaus verfehlt. Die Krankenkassenprämien stiegen seit der Einführung des KVG bis 2003 jährlich durchschnittlich um sechseinhalb Prozent (6,5%). Und dies mit steigender Tendenz. In den beiden letzten Prämienjahren 2002 und 2003 musste sogar eine je über neunprozentige (9%) Steigerung hingenommen werden. Dies alles, obwohl die Reserven der Krankenkassen gleichzeitig gesenkt wurden. Eine grosse Kasse hatte 2003 gar nur noch 5% Reserven.

Haben wir unser Ziel erreicht? Noch nicht ganz. Ich glaube aber, das Ergebnis lässt sich sehen: Seit vier Jahren beträgt die Prämienzunahme durchschnittlich unter 4%. Und dies mit einer Tendenz zu einer Stabilisierung. Dieses Jahr lagen wir gar unter 3 Prozent. Ich bin überzeugt, dass wir auch nächstes Jahr darunter liegen können.

Hätte man dies noch vor einigen Jahren für möglich gehalten? Wohl kaum. Trotzdem wurde es möglich. Doch wir müssen ständig daran arbeiten. Es ist ein täglicher Kampf und Krampf.

Ich bin froh, wenn auch meine politischen Freunde, die hie und da etwas Kritik üben, merken, dass sich etwas geändert hat. Die Zahlen und Fakten beweisen es.

Massnahmen der letzten 12 Monate

Ich möchte nun nicht sämtliche Massnahmen aufzählen, die zu dieser erfreulichen Entwicklung beigetragen haben. Ich nenne als Beispiele einige der kostensenkenden Massnahmen der letzten zwölf Monate. Sie werden merken: Wir setzen überall an, niemand wird verschont.

Diese Massnahmen sind nicht immer beliebt. Aber sie tragen in ihrer Gesamtheit dazu bei, dass die Prämien weniger steigen.

• Senkung des Taxpunktwertes bei Laboranalysen. Auf den ersten Januar 2006 senkte das EDI den Taxpunktwert für alle Laboruntersuchungen, die in der Analyseliste aufgeführt sind. Der Spareffekt beträgt rund 60 Millionen Franken. Begründung: Der technische Fortschritt ermöglicht eine höhere Produktivität. Dies erlaubt es, den Kunden einen Teil zurückzuerstatten.

• Senkung des Höchstvergütungsbetrages bei Mitteln und Gegenständen: Auf den ersten Januar 2006 senkte das EDI ebenfalls den Maximalbetrag, der bei medizinischen Hilfsmitteln von der Grundversicherung vergütet wird. Der Spareffekt beträgt rund 26 Millionen Franken. Begründung: Das Preisniveau in der Schweiz ist zu hoch. Es ist nicht erklärbar, warum dieselben Gegenstände bei uns einige zehn Prozent mehr kosten als in Deutschland.

• Komplementärmedizinische Leistungen: Seit Mitte 2005 werden fünf komplementärmedizinische Leistungen nicht mehr von der Grundversicherung bezahlt. Der Spareffekt beträgt 80 Millionen Franken. Begründung: Die von Frau Dreifuss in Auftrag gegebenen Studien zeigen, dass die erwähnten komplementärmedizinischen Leistungen nicht den Anforderungen des Gesetzes entsprechen. Dies besagt, dass alle Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein müssen.

• Erhöhung des Selbstbehalts für Originalpräparate zur Förderung von Generika: Seit dem ersten Januar 2006 wird auf Originalpräparaten, zu denen ein Generikum besteht, ein Selbstbehalt von 20 Prozent erhoben. Beim Generikum beträgt dieser nach wie vor 10 Prozent. Der Spareffekt beträgt gegen 150 Millionen. Begründung: Es gibt keinen Grund, bei genau gleich wirksamen Produkten das Teurere zu verschreiben.

• Preissenkungen von Medikamenten (Vereinbarung mit Industrie): Die Preise von allen Originalpräparaten, welche die Grundversicherung bezahlt und deren Patent abgelaufen ist, wurden bis zum 1. Juli 2006 gesenkt. Bei rund 400 Medikamenten konnte der Preis um durchschnittlich 30 Prozent gesenkt werden. Der Spareffekt ist mindestens 250 Millionen Franken auf ein Jahr gerechnet. Begründung: Das Volumen des Medikamentenmarktes steigt auf jeden Fall wegen des veränderten Konsumverhaltens der Menschen. Darum sind die Gesamtkosten im Griff zu behalten.

Andere Massnahmen sind vorher erfolgt, weitere werden folgen. Es gibt keine Wundermittel. Die Gesundheitskosten werden aufgrund des technischen Fortschritts und der Demographie weiter steigen. Aber dort, wo man sparen kann, soll man es machen.

Die Wirkung der Massnahmen und die Kostenentwicklung in den verschiedenen Bereichen verfolgen wir über ein Monitoring, das über Internet einsehbar ist. Alle Daten sollen möglichst rasch allen zu Verfügung stehen, damit bei Bedarf auch sehr rasch korrigiert werden kann. Zudem steigert dieses Instrument die Transparenz. Es wird aufgezeigt, wer und was die Kostentreiber sind.

Vorlagen im Parlament

Für eine langfristig günstige Entwicklung ist es notwendig, dass auch das Parlament weiter in Richtung mehr Effizienz und Wettbewerb im Gesundheitswesen geht.

Die kürzlich erschienene OECD-Studie hat uns bestärkt, auf diesem Weg fortzufahren. Aber vergessen wir nicht: Der Bundesrat ist eine Exekutivbehörde. Er kann nur Vorschläge machen. In einer Demokratie fällt das Parlament die Entscheidungen, wenn es um Gesetzesänderungen geht. Einiges, wie die Ausdehnung der Prämienverbilligung insbesondere für Familien mit Kindern, ist schon verabschiedet. Andere Vorlagen sind im Moment in der Kommission des Nationalrats in Diskussion.

Der Ständerat hat seine Aufgaben sehr gut gemacht. Er hat den Vorlagen über den Selbstbehalt, über die Spitalfinanzierung und über die Pflegefinanzierung schon zugestimmt. In der Wintersession wird zudem die „managed care“-Vorlage verabschiedet.

Wir kommen vielleicht in der Debatte auf diese wichtigen Vorlagen zurück. Gemeinsam ist all diesen Vorlagen, dass der Wettbewerb und die Transparenz gestärkt werden soll. Es sind Vorlagen, die Anreize schaffen, damit das Gesundheitswesen auch effizient betrieben wird.

Es handelt sich deshalb um liberale, aber gleichzeitig pragmatische Vorlagen. Die Bürger wollen nämlich, dass Ihre Prämien nicht für ineffiziente Strukturen und bürokratische Hindernisse verwendet werden.

Mehr Kaufkraft für die Bevölkerung

Nun gibt es einige, die genau das kritisieren: Einige der Massnahmen von Couchepin hätten ja nur das Ziel, das Prämienwachstum zu senken. Es tönt wie ein Vorwurf. Als ob nicht wichtig wäre, wieviel die Prämien steigen.

Liebe Freisinnige,
gerade uns darf das nicht egal sein. Gerade darauf sollten wir doch stolz sein. Die weniger hohe Prämiensteigerung bedeutet nämlich, dass seit vier Jahren sehr viel Geld, Hunderte von Millionen Franken, bei den Bürgern geblieben sind!

Wir Liberalen wissen, dass dies wichtig ist. Dieses Geld fliesst nämlich wieder in den Wirtschaftskreislauf. Wenn die Menschen mehr zum Ausgeben haben, ist dies gut für die Konsumentenstimmung. Und dies kurbelt wiederum die Wirtschaft an.

Vermeintliche Wundermittel

Nun gibt es links und rechts von uns Parteien, die Wundermittel propagieren. Die SVP-Initiative suggeriert, dass die Prämien bis zu 30% sinken können. Wie dies aber ohne Qualitätsverlust und Leistungseinbussen für die gesamte Bevölkerung bewerkstelligt werden soll, ist allen ein Rätsel. Sogar den Initianten selbst.

Die linke Initiative ist noch gefährlicher. Sie suggeriert ein anderes Wundermittel: Die Einheitskasse. Wir wissen: Was gut tönt, ist noch lange nicht gut. Wundermittel sind oft Irrwege.

Genau ein solcher Irrweg stellt diese Initiative dar. Denn sie würde die heute erreichten Fortschritte rasch wieder in Frage stellen. Es ist ein bürokratischer Vorschlag, der umgehend eine Steuer- und Prämienerhöhung zur Folge hätte. Wir Freisinnige dürfen das nicht zulassen.

Ich lade Sie ein, den Text dieser Initiative genau zu lesen. Vor allem der zweite Absatz ist auch wichtig. Dort wird einer kleinen Gruppe von Leuten erlaubt, die Steuern zu erhöhen. Das ist demokratiepolitisch bedenklich.

Die Initiative sieht vor, dass die Einheitskasse durch einen Verwaltungsrat und einen Aufsichtsrat geführt wird. Diese Räte würden durch eine jeweils gleiche Anzahl Vertreterinnen oder Vertreter der Behörden, der Leistungserbringer und der Versichertenorganisationen zusammengesetzt. Diese Organe können nun, ohne demokratische Legitimierung, die Prämien festlegen!

Die Folgen der Einführung einer Einheitskasse

Ich möchte Ihnen kurz die weitreichenden Folgen dieser Initiative beschreiben.

Zur ersten Forderung: Die Krankenversicherung soll für die ganze Schweiz von einer einzigen Institution durchgeführt werden: der Einheitskasse. Dies würde zu einer mächtigen Monopolstellung dieser Kasse führen.

Die Versicherten, aber auch die Ärzte sowie die Spitäler und alle anderen Leistungserbringer hätten nur noch einen Verhandlungspartner. Jede Form von Wettbewerb und alle damit verbundenen Vorteile würden so wegfallen. Ist das liberal?

Die Anreize zu kostenbewusstem Verhalten würden durch den Wegfall des Wettbewerbs geschwächt. Heutige Instrumente, welche die Eigenverantwortung der Versicherten stärken, würden beseitigt.

Fällt der Wettbewerb weg, wird aber auch das Innovationsverhalten gebremst. Die Versicherten würden jegliche Freiheit bei der Wahl ihres Versicherers verlieren. Sie wären in ein starres System, das ihnen alle Bedingungen ohne Ausweichmöglichkeiten aufzwingt, eingebunden.

Neue Steuern

Die zweite Forderung der Initiative betrifft die Finanzierung. Die verlangte Einführung von Prämien nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten kommt der Schaffung einer neuen Einkommens- und Vermögenssteuer gleich.

Einer in diesem Punkt vergleichbaren Vorlage, der Volksinitiative "Gesundheit muss bezahlbar bleiben " (Gesundheitsinitiative) erteilte das Schweizer Stimmvolk 1993 zu Recht eine klare Absage.

Es ist anzunehmen, dass mit dem neuen System vor allem der Mittelstand, dem der grösste Teil der Versicherten angehört, getroffen würde. Eine Umsetzungsstudie der Initianten, von der einige Elemente in der Presse erschienen sind, zeigt, dass der Mittelstand die Zeche zu bezahlen hätte. Darum wird diese Studie seitdem unter Verschluss gehalten.

Zudem: Ein grosser Teil der Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen bezahlt heute keine Prämie, indem diese ganz über die Prämienverbilligung übernommen wird. Je nach Ausgestaltung der von der Initiative vorgeschlagenen Finanzierung könnten diese Versicherten mit einer Prämie belastet werden. Ist das sozial?

Es ist auch zu erwarten, dass in einem solchen System die Bedeutung der Prämienregionen verwässert wird. Es entsteht die Tendenz einer gewissen Angleichung der Prämien unter den Kantonen – ungeachtet dessen, dass die Kostenunterschiede erheblich bleiben. Der kostenbewusste Thurgau würde also bestraft!

Heutiges System hat sich bewährt

Das heute geltende Finanzierungsmodell hat sich durchaus bewährt und seine rasche Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Es bietet vor allem viele Möglichkeiten, Anreize zu Kosten sparendem Verhalten der Versicherten und der Leistungserbringer zu schaffen.

Mit den besonderen Versicherungsformen (wählbare höhere Franchisen, eingeschränkte Wahl der Leistungserbringer und Bonusversicherung) haben der Gesetzgeber und in der Folge die Krankenversicherer davon Gebrauch gemacht.

Liberalen Weg weiterverfolgen

Warum habe ich im Detail vorgeführt, was die linke Einheitskasseninitiative im schweizerischen Gesundheitswesen bewerkstelligen würde?

Weil ich glaube, dass es sich lohnt, für liberale Lösungen zu kämpfen. Und wenn Vorschläge auf dem Tisch sind, die unseren Idealen zutiefst widersprechen, so sollten wir dagegen kämpfen.

Diese Initiative ist letztlich eine grosse Chance für den Freisinn sich zu profilieren. Wir können das Volk von unseren Ideen überzeugen und aufzeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Sie wissen es: Häufig sind es kontradiktorische Debatten, die ein Thema in die Schlagzeilen bringen. Unbestrittenes interessiert niemanden.

Ich möchte Sie daher aufrufen. Benutzen Sie die Gesundheitspolitik als positives Wahlkampfthema für den Freisinn. Wir können erste Erfolge aufweisen und wir wissen, dass linke Ideen nicht zum Ziel führen.

Ich glaube, das Volk steht auf unserer Seite.

FDP- die Stimme des Volkes

Dies führt mich zu einem Schlussgedanken. Es fällt ja seit Jahren auf, dass die Parolen der FDP und des Volkes oft dieselben sind. Ich glaube, das sollten wir positiv nutzen und immer wieder betonen.

Das Volk ist nämlich auch pragmatisch und will konkrete Lösungen und Ergebnisse. Es will keine leeren Versprechungen.

Ich habe versucht, Ihnen einige Fakten aufzuzeigen. Nun aber freue ich mich auf die Diskussion. Es freut mich hier bei der FDP Thurgau zu sein und mehr von Ihnen zu erfahren.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Wie krank ist unser Gesundheitswesen und welche Therapien finden sich im liberalen Ärztekoffer?