Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren Regierungsräte, 
Nationalräte und Ständeräte
Sehr geehrte Damen und Herren

Ich begrüße Sie herzlich und freue mich sehr über dieses Zusammentreffen hier in Rüschlikon. Der Swiss Re danke ich für das Gastrecht hier im "Centre for Globale Dialogue". Der Name dieses Zentrums ist Programm.

Gestern, heute und morgen sollten wir es vielleicht jedoch "Centre for Globale and National Security Dialogue" nennen.

Besten Dank auch "meinem" Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS für die Organisation dieser dritten nationalen Bevölkerungsschutz-konferenz.

Mit Blick auf die Podiumsdiskussion habe ich mein Kurzreferat zur „Sicherheitsarchitektur der Schweiz“ auf sieben konkreten Thesen aufbaut.

Ich hoffe, dass es auf diese Art und Weise anschließend für alle Beteiligten einfacher sein wird, mir kritische Fragen zu stellen.

These 1:
Die nationale Bevölkerungsschutzkonferenz wird es künftig nicht mehr geben.

Diese erste These lasse ich mit einem Frage-zeichen versehen noch unkommentiert im Raum stehen. Die Begründung liefere ich am Schluss und insbesondere während meiner Ausführungen.

These 2:
Der SIPOL B 2000 ist nach wie vor gültig und richtungweisend. Es besteht deshalb kein Anlass, Armee und Bevölkerungsschutz grund-sätzlich zu ändern und die verfassungsmäßigen Rahmenbe-dingungen unserer Sicherheitsarchitektur grundlegend zu ändern.

Die  Referate der anerkannten Spezialisten für Risiko-, Gefahren-, Bedrohungs- und Verwund-barkeitsanalyse von heute Nachmittag haben deutlich aufgezeigt, dass die im SIPOL B 2000 vorgenommenen Analysen grundsätzlich richtig waren bzw. heute noch richtig sind.

Ich habe ihre Aussagen in den Präsentationen mit Interesse studiert. Sie decken sich mit meinen eigenen Informationen und Wahrnehmungen.
Die Hauptbedrohungen und Hauptgefahren für unser Land bilden damals wie heute die Folgen der Verschiebung von symmetrischer zu asymmetrischer Gewalt sowie die Auswirkungen von natur- und zivilisationsbedingten Kata-strophen, zum Beispiel eine Pandemie.  

In Erwägung dieser Bedrohungs- und Gefahrenlage wurde die Armee XXI und das Verbundsystem Bevölkerungsschutz mit seinen fünf Partnerorganisation konzipiert und umgesetzt.

Das heißt zusammenfassend: Der SIPOL  B 2000 ist nach wie vor gültig und richtungweisend.

Dementsprechend besteht kein Anlass dazu,  Ausgestaltung und Aufträge der Armee und des Bevölkerungsschutzes - wie auch der Polizei - grundlegend zu verändern. 

Und dementsprechend besteht auch kein Grund, die verfassungsmäßigen Rahmenbedingungen unserer Sicherheitsarchitektur grundsätzlich in Frage zu stellen.
Zu diesen Rahmenbedingungen gehören die Neutralität, das Wehr- und Milizsystem sowie die heute geltenden Kompetenz- und Mittelauf-teilungen auf die drei föderalen Ebenen unseres Landes - beispielsweise auch die kantonale Polizeihoheit.  Diese Parameter haben sich bewährt.

These 3:
Die sicherheits-, finanz- und gesellschaftspolitische Ausgangslage hat sich akzentuiert. Dementsprechend ist die Sicherheits-architektur zu optimieren.

Die Herren Tophoven, Schaad, Steinmann und Dombrowsky haben in Ihren Referaten nicht nur die Analysen des Sicherheitspolitischen Berichts 2000 bestätigt.

Sie haben auch aufgezeigt, dass mit der zunehmenden Globalisierung das im Bericht identifizierte Gefahren- und Bedrohungspotenzial gewachsen ist und gleichzeitig auch die Verwundbarkeit der modernen Gesellschaften zugenommen hat.
Meine Damen und Herren, ihre Aussagen implizieren, dass dieser Entwicklung mit zusätzlichen Ressourcen begegnet werden müsste.

Wir alle wissen aber - die vier Herren eingeschlossen - dass die finanzpolitischen Realitäten anders aussehen.

Die für die sicherheitspolitischen Kerninstrumente Polizei, Bevölkerungsschutz und Armee zur Verfügung stehenden Mittel werden immer knapper.

Gemessen an den Gesamtausgaben der Öffentlichen Hand nimmt der Anteil, der für diese Instrumente zur Verfügung steht, kontinuierlich ab - auch real. Dies gilt sowohl für den Bund als auch für die Kantone.

Akzentuiert werden diese gegenläufigen Entwicklungen - größeres Gefährdungspotenzial und weniger Ressourcen - durch einen interessanten gesellschaftspolitischen Mechanismus.

Es ist zwar an und für sich erfreulich, gleichzeitig aber auch erstaunlich, dass die Menschen - auch in der Schweiz - sicherheitspolitische Gefahren verdrängen, wenn es ihnen wirtschaftlich gut geht.

Wir wollen uns solche Schreckensszenarien wie in Madrid und London bei uns in der Schweiz nicht vorstellen - beispielsweise in der weihnächtlich belebten Zürcher Bahnhofstrasse oder in einem mit Pendlern überfüllten Zug, der mit 160 km pro Stunde über die Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist rast.

55 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind nach den Terroranschlägen in New York, Madrid und London nicht ängstlicher geworden. 88 Prozent fühlen sich in der Schweiz sicher. Diese Zahlen stammen aus der jährlich durchgeführten ETH-Studie "Sicherheit".

Vor diesem Hintergrund haben wir, als für die Sicherheit unseres Landes und unserer Bevölkerung Verantwortliche, keine Wahl.

Wenn wir dieser Herausforderung gerecht werden wollen, dann dürfen wir ob dieser dargestellten Entwicklungen nicht lamentieren, sondern wir müssen vielmehr alles daran setzen, die Sicher-heitsarchitektur unseres Landes zu optimieren.

Und zwar aufgrund der gegenläufigen Entwicklungen in zweierlei Hinsicht.

Erstens müssen die sicherheitspolitischen Instrumente und die Einsatzorganisationen noch konsequenter auf die wahrscheinlichsten Gefahren und Bedrohungen ausrichtet werden.

Und zweitens ist deren Effizienz und Effektivität zu erhöhen.

Nebenbei bemerkt: Bezüglich der Armee wollen wir dieser Herausforderung mit dem in der parlamentarischen Behandlung stehenden   Entwicklungsschritt 2008/11 gerecht werden.

(Ev. Ergänzung zu ES 08/11 ?)

These 4:
Der kritische Erfolgsfaktor für die Optimierung der Sicherheits-architektur ist das Zusammenwirken zwischen Bund und Kantonen. Das Rezept dazu heißt Nationale Sicherheitskooperation.

Ausgehend von den Erfahrungen am G8-Gipfel in Evian und am jährlichen WEF in Davos, welche die Grenzen des Föderalismus aufgezeigt haben, sind in den Kantonen und auf Stufe Bund bereits wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit umgesetzt worden.  

In den Kantonen wurden die zivilen Führungs-organisationen optimiert und die verschiedenen Einsatzorganisationen aufeinander abgestimmt.

Dieses zivile System hat sich beispielsweise bei der Bewältigung der Hochwasser vom August 2005 eindrücklich bewährt.

Im polizeilichen Bereich wurden die Arbeits-gruppen "Gesamtschweizerische interkantonale Polizeizusammenarbeit (AG GIP)" und die "AG Operationen (AG OP)" sowie der "Interkantonale Koordinationsstab (IKKS)" ins Leben gerufen.

Auf Stufe Bund - darüber sind Sie im Rahmen eins speziellen Referats informiert worden - schufen wir den Stab Sicherheitsausschuss des Bundesrates (Stab SiA).

Das Ziel all dieser neuen Gremien ist die Steigerung der Effizienz und Effektivität der Führung und der Einsätze.

Ihre Leistungen bestehen vorab in der Koordination und der Führungsunterstützung. Für keines dieser Gremien wurden im Übrigen neue Stellen geschaffen.

Alle diese Gremien sind wichtige Partner im System der Nationalen Sicherheitskooperation NSK.

Diese Gremien optimieren die NSK durch ein klares Rollenverständnis und durch entsprechend klar definierte Aufgaben und Kompetenzen.

Gleichzeitig unterstützt die NSK diese Partner bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.

Im System der NSK werden die Partner-organisationen aller Ebenen ersichtlich. Abläufe und Abhängigkeiten sind einfacher und dadurch  entsprechend rascher erfassbar. So können Doppelspurigkeiten vermieden und Synergien genutzt werden.

Die Weiterentwicklung und Optimierung der NSK ist meines Erachtens sowohl aus sicherheits- als auch aus finanzpolitischen Überlegungen wichtig und zentral.

Insbesondere bin ich überzeugt davon, dass die Gesamtsicht, auf welcher dieses System gründet, die föderalistischen Strukturen unserer Sicher-heitsarchitektur stärkt.

Deshalb habe ich dem BABS, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz den Auftrag erteilt, diesen Prozess im Rahmen seiner Zuständigkeiten voranzutreiben. Dies mit dem Auftrag, dabei alle sicherheitspolitischen Partner miteinzubeziehen.
 
Sie wurden heute Vormittag durch Christoph Flury über den Umsetzungsstand und die weiteren geplanten Arbeiten informiert.

These 5:
Der aktuellste Erfolgsausweis der Nationalen Sicherheits-kooperation sind die Ergebnisse der Plattform KKJPD/VBS.

Zu den Partnern in der NSK gehört natürlich auch die Armee mit ihren subsidiären Einsätzen zu Gunsten der zivilen Behörden.

Auf der Grundlage eines bereits damals durchaus  vorhandenen gemeinsamen NSK-Verständnisses haben der Präsident der KKJPD, Regierungsrat Markus Notter, und ich im Sommer 2005 die Plattform KKJDP/VBS ins Leben gerufen.

Sie haben die Ergebnisse kürzlich der Presse entnehmen können. Diese Ergebnisse sind sehr erfreulich.

Es ist gelungen, Unschärfen in der gegenseitigen Wahrnehmung, welche bisher zu Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt hatten, weitestgehend auszuräumen.

Die Hauptleistung der Plattform besteht aber zweifellos darin, dass die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Armee in sieben klaren, gemeinsam formulierten und allseits akzeptierten Kernaussagen umschrieben werden konnten.

These 6:
Die zentrale Voraussetzung für eine effiziente und effektive Zusammenarbeit ist die gegenseitige Bereitschaft zum Dialog. Im Rahmen der NSK wird diese Bereitschaft erzeugt.

Im Zentrum dieser sieben Kernaussagen steht der Dialog zwischen Polizei und Armee.

Jener Dialog der notwendig ist, um den heutigen komplexen Bedrohungen möglichst effektiv und effizient zu begegnen.

Derselbe Dialog ist jedoch zwischen allen Beteiligten nötig und auch möglich.

Gerade aufgrund der Erfahrungen aus der Plattform KKJDP/VBS bin ich überzeugt davon, dass im Rahmen des Systems der Nationalen Sicherheitskooperation die Bereitschaft für den Dialog bei allen sicherheitspolitischen Partnern erzeugt werden kann.  

Dadurch wird die zentrale Voraussetzung für eine effiziente, effektive Zusammenarbeit geschaffen.
Und diese Zusammenarbeit schließlich ist der Schlüssel für eine stabile Sicherheitsarchitektur unseres Landes.

Was ist nun mit dem Fragezeichen, das ich mit der ersten These in Verbindung brachte?

These 7:
Im kommenden Jahr findet die erste "Konferenz zur Nationalen Sicherheitskooperation" statt.

Ich gehe davon aus, dass ich diese These nun nicht mehr zu kommentieren brauche und freue mich auf die anschließende Podiumsdiskussion.

Besten Dank.
 

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Die Sicherheitsarchitektur der Schweiz