Sehr geehrte Damen und Herren

Weshalb braucht es ein neues Gesetz?

Die Schweiz war während Jahrhunderten ein unerschöpfliches Reservoir von jungen Männern, die als Söldner im Ausland dienten und sich im Dienste fremder Herren gegenseitig die Köpfe einschlugen. Vielleicht ist diese historische Erfahrung der Grund dafür, dass wir heute besonders aufmerksam und auch skeptisch sind, was private polizeiliche oder militärische Sicherheitsleistungen im Ausland angeht. Auf jeden Fall ist die Schweiz eines der ersten Länder, das jetzt eine klare Regelung schaffen will für solche Sicherheitsdienstleistungen.

Braucht es dieses neue Gesetz überhaupt? In den letzten Jahren haben sich grosse internationale Firmen in der Schweiz niedergelassen, die Sicherheitsdienstleistungen in Krisen- und Konfliktgebieten anbieten, zum Beispiel Handelsschiffe durch Piratengewässer begleiten oder in Afghanistan, Irak oder Libanon Einrichtungen und Personen schützen. Die Schweiz ist für solche Firmen als Sitz interessant, weil sie als neutraler und demokratischer Kleinstaat weltweit hohe Wertschätzung geniesst. Und die Firmen sind bis heute keinen gesetzlichen Schranken unterworfen.

Das soll sich nun ändern. Der Gesetzesentwurf, den der Bundesrat heute dem Parlament überwiesen hat, verbietet Aktivitäten, welche die Interessen unseres Landes beeinträchtigen oder die Schweiz gar in fremde Konflikte hineinziehen könnten.

Ein bedeutender Teil aller privaten Militär- und Sicherheitsdienstleistungen wird heute in Krisen- und Konfliktgebieten erbracht. Die Unternehmen setzen dabei Milliardenbeträge um. Die Einhaltung der Menschenrechte lässt häufig zu wünschen übrig. Es gibt Fälle, in denen Söldnerfirmen ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung von der Schusswaffe Gebrauch machen.

Die Schweiz kann diesen Missstand nicht im Alleingang beheben. Mit dem Gesetze, das wir vorlegen, wollen wir nicht länger dulden, dass unser Land als Basis für Aktivitäten dient, welche die Menschenrechte verletzen. Es ist ein Kernanliegen der schweizerischen Aussenpolitik, dass die Menschenrechte respektiert werden - auch von den Anbietern privater Sicherheitsdienstleistungen.

Was regelt der Gesetzesentwurf?

Was bringt der Gesetzesentwurf? Auf sechs zentrale Punkte möchte ich gerne kurz eingehen.

Der erste Punkt betrifft die allgemeine Meldepflicht.
Private Sicherheitsdienstleister, die von der Schweiz aus im Ausland tätig werden wollen, unterstehen künftig einer Meldepflicht. Sie haben jede Tätigkeit vorgängig der zuständigen Bundesbehörde zu melden, zum Beispiel also einen Auftrag zum Personenschutz oder zur Bewachung von Liegenschaften im Ausland.

Die Meldepflicht soll sicherstellen, dass der Bund über neuste Entwicklungen zeitgerecht informiert ist. Genau dies ist bisher nicht der Fall. So waren es im August 2010 die Medien, welche die Eintragung der weltweit tätigen Sicherheitsfirma "AEGIS Group Holdings SA" im basel-städtischen Handelsregister bekannt machten.
Das zweite wichtige Element des Gesetzesentwurfs ist das Verbot bestimmter Tätigkeiten.
Verboten werden Söldneraktivitäten von Firmen sowie die Rekrutierung oder Ausbildung von Privatarmeen in der Schweiz. Solche Tätigkeiten sind mit der Aussen- und Neutralitätspolitik unseres Landes unvereinbar. Verboten werden auch Sicherheitsdienstleistungen, welche die Empfänger zur Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen nutzen. Darunter fällt zum Beispiel die Mithilfe beim Betrieb eines Gefängnisses, in dem gefoltert wird.
Behördliche Verbote
Drittens muss die zuständige Bundesbehörde [im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)] auch andere Tätigkeiten von Sicherheitsfirmen verbieten, wenn sie feststellt, dass diese schweizerische Interessen beeinträchtigen. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein Sicherheitsunternehmen, das in der Schweiz ansässig ist, nachrichtendienstliche Tätigkeiten gegen ein totalitäres Regime ausübt oder im Auftrag eines anderen Staates an einer Geiselbefreiungsoperation im Ausland teilnimmt.
Unproblematische Dienstleistungen können dagegen ohne weiteres im Ausland erbracht werden. Ich nenne zwei Beispiele: Der Schutz eines humanitären Hilfskonvois oder Kontrolleinsätze bei Konzerten oder Sportanlässen im Ausland.

Wichtig ist viertens, dass der Gesetzesentwurf auch Holding-Gesellschaften erfasst.
Eine Sicherheitsfirma kann sich folglich nicht darauf berufen, dass sie in der Schweiz nur einen Holding-Sitz hat und ihre operative Tätigkeit ausschliesslich vom Ausland aus steuert. Dies ist konsequent, denn die Beurteilung, ob eine Sicherheitsfirma Schweizer Interessen beeinträchtigt oder nicht, hängt ja nicht von deren Organisationsform ab, sondern von den effektiven Tätigkeiten.
Das fünfte wichtige Element sind die Sanktionen.
Verstösse gegen das Gesetz oder behördliche Anordnungen ziehen Sanktionen nach sich. Die verantwortlichen Personen können in schweren Fällen mit Freiheitsentzug bis zu drei Jahren bestraft werden. Vorgesehen sind auch administrative Sanktionen, also beispielsweise die Liquidation des Geschäftsvermögens eines Unternehmens.
Sechster und letzter Punkt: Der Einsatz von Sicherheitsfirmen durch Bundesbehörden.
Schliesslich regelt der Gesetzesentwurf auch den Beizug von Sicherheitsfirmen durch den Bund für Schutzaufgaben im Ausland. Solche Einsätze sind zum Beispiel dann nötig, wenn ein fremder Staat nicht in der Lage ist, den Schutz der Schweizer Botschaft zu garantieren. In einer solchen Situation kann das Botschaftspersonal sehr rasch in grosse Gefahr geraten. Es braucht dann gezielte Schutzmassnahmen, und sei es nur, um eine geordnete Evakuierung des Personals sicherzustellen.

Der Gesetzesentwurf nennt klare Voraussetzungen für solche Einsätze. Unter anderem verlangt er, dass die betreffende Firma für qualifiziertes Personal und seriöse Ausbildung garantiert, interne Kontrollen durchführt und einen guten Ruf sowie einwandfreies Geschäftsgebaren nachweisen kann. Polizeilichen Zwang oder polizeiliche Massnahmen darf das Sicherheitspersonal nur dann anwenden, wenn es dafür ausgebildet ist, die Schutzaufgabe nicht anders erfüllt werden kann, und der Bundesrat dies ausdrücklich bewilligt hat.

Pionierarbeit der Schweiz auf internationaler Ebene

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzesentwurf hat nicht nur eine innerstaatliche Bedeutung. Mit ihm leistet die Schweiz auch ein Stück Pionierarbeit auf der internationalen Ebene. Unser Land war federführend bei der Erarbeitung des sogenannten "Montreux-Dokuments" von 2008. Dieses Dokument wird inzwischen von 43 Staaten unterstützt. Es hält fest, wie private Sicherheitsfirmen das geltende Völkerrecht zu beachten haben, und nennt "good practices" für den staatlichen Umgang mit solchen Firmen. 2010 hat die Schweiz auch massgeblich zur Lancierung des "internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister" beigetragen. Diesen Verhaltenskodex haben inzwischen über 500 Sicherheitsfirmen angenommen, darunter die wichtigsten global tätigen Unternehmen.

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf geht die Schweiz ein grenzüberschreitendes Problem jetzt also auch im eigenen Land an. Sie übernimmt damit international Verantwortung: Es kann uns nicht egal sein, was Firmen oder Holdings, die ihren Sitz in der Schweiz haben, im Ausland tun. Wir brauchen eine kohärente Politik, die nicht an den Grenzen des Landes Halt macht.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Söldnerfirmen in der Schweiz verbieten: Statement von Bundesrätin Simonetta Sommaruga