Sehr geehrte Damen und Herren
Liebe Musikanten

Hoffentlich sind Sie heute Morgen voll im Takt, verpassen keinen Einsatz, und haben noch „Puste", wenn ich so sagen darf.

Denn das grosse Jubiläumsfest läuft ja über mehrere Tage, und dies fast rund um die Uhr...

Doch Sie, die Tambourinnen und Tambouren, Pfeiferinnen und Pfeifer aus der ganzen Schweiz, haben auch allen Grund, so richtig zu feiern. Denn es ist bereits das 25. Eidgenössische Tambouren und Pfeiferfest! Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zu diesem Jubiläum! Und freue mich, heute bei Ihnen sein zu dürfen!

Ich möchte für einmal nicht von den Boni der Banker, vom Aktienrecht oder von Steuerabkommen sprechen. Das verstehen Sie sicher gut. Doch ein Begriff aus der Finanzwelt - das „Triple A" - kommt mir unweigerlich in den Sinn, wenn ich hier bei Ihnen bin. Tripple A oder „3 mal ein A", das ist das höchste aller Qualitätssiegel.

Die Post hat den Anfang gemacht. Für das Jubiläum der Tambouren und Pfeifer hat die schweizerische Post eine sehr hübsche Sondermarke herausgegeben. A-Post natürlich. Wer weiss, vielleicht gibt's auch für den Bundesrat einmal eine Sondermarke. B-Post oder Drucksache.

Und Sie feiern im Berner Oberland, in Interlaken, am Fusse der Jungfrau. Das ist - Walliser und Bündner bitte kurz weghören - wohl der schönste Schneeberg der Schweiz! Und Gastkanton ist - ja, ein weiterer Superlativ oder das dritte A - das Wallis. Das Matterhorn ist ja, liebe Bernerinnen und Berner, auch nicht schlecht.

Doch was soll ich da als Bündnerin eigentlich noch sagen? Ich gestehe einfach ganz neidlos: dieses Jubiläumsfest hat eben ein erstklassiges Rating!

Es hat allerdings auch einige Jahrhunderte gedauert, bis dieses erstklassige Rating zu Stande kam. Sie wissen das natürlich viel besser als ich: die Tambouren und Pfeifer sind die Urform der Schweizer Militärmusik. Dieses schweizerische „Spiel" ist mit den Schweizer Söldnern sogar in ganz Europa zu einem Begriff geworden. Seit 600, 700, 800 Jahren gibt es sie, unsere Tambouren und Pfeifer. Sie sind sogar um einiges älter als das Schiesspulver.

Der Schweizerische Verband der Tambouren und Pfeifer ist jedoch - etwa im Vergleich zu den Schützen - noch relativ jung. Es gibt ihn „erst" seit 1906. Doch keine Sorge. Ich habe per Zufall ein Bild zum Eidgenössischen Schützenfest von Bern im Jahre 1885 gesehen. Ein Bild mit Bären statt Menschen. Mit Bären in etwas feucht-fröhlicher Feststimmung natürlich, die Gewehre locker an die Tische und Bänke der Festhütte angelehnt. Und im Zentrum des Bildes, dominierend, wacker und aufrecht? Nicht etwa Schützen, nein. Im Zentrum des Bildes, unter dem Schweizer Kreuz, natürlich eine Formation von Tambouren und Pfeifern!

Ulrich Im Hof, ehemaliger Professor für Schweizer Geschichte, schrieb zu eben diesem Bild: „Die Schützenfeste im 19. Jahrhundert waren Höhepunkte des patriotischen Erlebens".

Oder anders gesagt: Schützen, Jodler, oder eben Tambouren und Pfeifer waren für das Werden der Eidgenossenschaft von grösster Bedeutung!

Weshalb, können wir uns fragen, weshalb war und ist dem so, dass Eidgenössische Feste wie das heutige hier in Interlaken für die Schweiz so wichtig sind? Wir sind keine „natürliche" Nation. Wir hatten kein Königshaus. Wir hatten keine einheitliche Sprache. Wir hatten kein festes und alles bestimmendes Zentrum. Wir sind das, was man eine „Willensnation" nennt. Eidgenossen, die recht verschieden sind. Die nach und nach zahlreicher geworden und zusammen gewachsen sind. Die zusammen wachsen wollten.

Was macht denn den Willen zu dieser Eidgenossenschaft aus? Wie findet das gemeinsame Wollen seinen Ausdruck?

Einige suchen die Antwort bei den anderen. Und sprechen... von der bürokratischen EU. Den finsteren Ausländern. Das stimmt ja erstens nicht. Das sind verzerrte Bilder. Und zweitens hilft uns der Blick auf andere nicht weiter. Darauf lässt sich keine echte Identität gründen. Wer sich über andere definiert, verleugnet sich letztlich selbst.

Nein: es geht um eigene Inhalte. Um eigene Werte. Um eigene Traditionen. Sie schaffen das Gemeinsame. Sie schaffen Identität und Heimat. Die Tambouren und Pfeiferinnen und Pfeifer haben viel zu diesem Gemeinsamen beigetragen. Und sie tun es heute noch.

Die gemeinsame Musik, der gemeinsame Einsatz, das gemeinsame Ziel - das verbindet und schafft Identität. Über alle Grenzen, zwischen Sprachen, Bergen, Tälern, Dörfern und Städten hinweg. Das ist gelebte, wirkliche Schweiz. Sie lebt und liebt Traditionen, wie sie die Tambourinnen und Tambouren und Pfeiferinnen und Pfeifer quer durch alle Kantone verkörpern.

Ein „Eidgenössisches", wie es unser heutiges Fest darstellt, hat dabei stets seinen eigenen, ganz besonderen Status. Denn die Eidgenossenschaft ist natürlich mehr als die Summe ihrer 26 Kantone. Das Ganze ist immer mehr als seine Teile.

Das Eidgenössische, die eidgenössische Dimension, das heisst doch: Zu wissen, dass wir voneinander lernen können. Zu wissen, dass wir gewisse Dinge besser gemeinsam als alleine lösen können. Zu wissen, dass wir nicht alle alles, und erst noch sofort, haben können. Sondern zu wissen, dass es einen Ausgleich, dass es gemeinsame Regeln, dass es manchmal ein Zurückstehen zu Gunsten des Anderen braucht.

Das ist das Eidgenössische, das Sie heute leben und feiern! Und das Sie mit grossem Engagement an die Jungen, an den Nachwuchs weiter zu geben versuchen. Dafür möchte ich Ihnen ganz besonders danken!

Diese gelebte, wirkliche Schweiz, die Sie an unsere Kinder weiter geben, lebt Traditionen. Doch sie lebt die Traditionen nicht nur mit dem Blick zurück. Sondern sie schafft neue Traditionen, mit dem Blick nach vorn. Wir verbinden Altes mit Neuem, wir verbinden Eigenes mit Fremden, wir verbinden Harmonien mit Dis-Harmonien.

Gerade die Musik spielt uns das immer wieder vor!

Viele andere, neue Musik-Instrumente sind inzwischen zu den Tambouren und Pfeifen hinzu gestossen. Sie kamen nicht aus dem Nichts: einige dieser Instrumente stammen aus dem 17. Jahrhundert. Die Türken haben sie uns näher gebracht. Was die Menschen damals als „Türkenmusik" bezeichnet haben, ist heute längst in unserem legendären „Spiel" aufgegangen.

Und Sie alle spielen heute landauf, landab wohl auch andere Rhythmen als vor einigen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten. Jazz, Blues, Pop und Rock - wir hören die Klänge aus Afrika, Süd- und Nordamerika, die da und dort auch in Ihrer Musik mit-swingen.

Eben: Altes und Neues, Eigenes und Fremdes verbinden. Das ist Musik. Und das macht auch die Schweiz aus.

Wirbeln Sie also weiter für die gute Sache der Tambouren und Pfeifer: heute an diesem Fest, morgen wieder zu Hause!

Pflegen Sie Traditionen, lieben und leben Sie Traditionen! Komponieren Sie Neues, schlagen und pfeifen Sie Neues! Schaffen Sie Bilder, unvergessliche Klang-Bilder unserer unverwechselbaren Eidgenossenschaft!

Dafür danke ich Ihnen im Namen des Bundesrats! Und wünsche Ihnen noch einen wunderschönen Tag!

Alles Gute, viele bereichernde Begegnungen, gute Heimkehr heute Abend.
Und nun geniessen wir miteinander das 25. Eidgenössische Tambouren- und Pfeiferfest...und freuen uns dann auf das 26.!

25. Eidg. Tambouren- und Pfeiferfest