Es ist für mich eine Ehre und auch eine grosse Freude, das ISC Symposium 2003 zu eröffnen.

Mit dem Thema "Seeking Responses in Times of Uncertainity" setzt sich das ISC ein äusserst ambitiöses Ziel: das Ziel, dass die Diskussionen der nächsten Tage dazu beitragen werden, neue, kreative und nachhaltige Wege im Umgang mit den Unsicherheiten zu finden, mit welchen wir konfrontiert sind.

Seit jeher bietet das ISC Symposium eine Plattform für den Dialog zwischen "Decision Maker" der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft.Eine solche Plattform für den Dialog ist heute sicher wichtiger denn je.Es ist Tradition, dass "Decision Makers" - Leader - sich treffen, um Probleme, mögliche Strategien und mögliche Wege zu diskutieren.

Es ist auch Tradition, dass Politiker - und Politikerinnen - zu solchen Diskussionen beitragen, mit Strategien, Lösungen, Reformen... und manchmal neuen Gesetzesvorlagen.

Ich möchte das Thema in meinem Eröffnungsvotum etwas anders angehen und damit für Ihre kommenden Gespräche auch zum Nachdenken anregen:Lassen Sie mich dieses Treffen von Führungspersönlichkeiten dazu benutzen, um vor allem über echtes und nachhaltiges Leadership zu sprechen.

Angesichts des seit längerem nicht gerade beeindruckenden Vertrauensniveaus der Bevölkerung in die Elite der Wirtschaft und Politik vermag der Titel meines Beitrages "Verantwortungsbewusstes Leadership - gerade auch in schwierigen Zeiten" nicht provokativ genug erscheinen.

Ich könnte Sie auch fragen: Ist das Attribut eines wahren Leaders, nämlich "Public Responsibility", ausverkauft?

Wie auch immer, für ein wirtschaftliches und auch politisches Streitgespräch über die Wege, welche die zukünftigen echten Leader der Politik und der Wirtschaft beschreiten sollten, wäre es allemal ein guter Ausgangspunkt.

Heute scheint "Unsicherheit" das einzige zu sein, was wir über die Zukunft mit Sicherheit aussagen können. Die ökonomische Grosswetterlage ist nicht berauschend. Viele Unternehmen leiden. Der "Vertrauensindex" , meine sehr geehrten Damen und Herren, in die Unternehmensleitungen grosser multinationaler Unternehmen steht historisch tief.Doch woran krankt das heutige Unternehmertum?

Eine Analyse der Probleme ist oft vielschichtiger und komplexer, als dies der Öffentlichkeit je zugetragen wird, oder von Ihr überhaupt wahrgenommen wird .Das Problem von "Unsicherheit" stellt sich somit in zunehmenden Masse. Nicht selten versuchen die Board of Directors und CEO's, Unternehmenskrisen lediglich mit Gründen im wirtschaftlichen Umfeld zu kommentieren. Dies scheint mir zu einfach.

Der Lehrsatz der strategischen Führung: "Das wirtschaftliche Umfeld ist Quelle von Chancen und Gefahren für das Unternehmen" hat durchaus seine Berechtigung. Die heutige Lage kann jedoch nicht nur durch das Umfeld begründet werden.Der Vertrauensschwund scheint seinen Ursprung nicht ausserhalb, sondern innerhalb der Unternehmen zu finden, dort wo eigentlich das Herz schlagen müsste: in den Unternehmensleitungen.

Früher wurden "Business Ethics"- Fälle diskutiert wie das Exxon Unglück vor Alaska, Finanzskandale in Europa und Asien, versuchte Beeinflussung von Präsidentschaftswahlen in bestimmten Ländern, oder unsichere Arbeitsbedingungen in Schwellenländern. Heute erhalten Unternehmensführer insbesondere harsche Kritik für Besitzstandwahrung, die mangelnde Übernahme sozialer Verantwortung in Krisensituationen, für nicht transparent gemachte Total Compensation und Abgangsentschädigungen, das ungenügende Engagement für die Belegschaft, das unsorgfältige Erledigen nicht delegierbarer Aufgaben...

Dies alles und noch vieles mehr löst in unserer Bevölkerung - und bei den Investoren - Kopfschütteln aus. Obwohl diese Fälle eigentlich Einzelfälle sind, gerieten viele Unternehmensführer und Verwaltungsräte in ein schlechtes Licht. Tatsache ist, dass in vielen der angeprangerten Fälle Manager ihre eigentlichen Hauptaufgaben aus den Augen verloren haben, nämlich... ihr Unternehmen im Interesse aller Stakeholder zu führen. Ein kurzfristig ausgerichteter Denkansatz hat zu den Ausrutschern der letzten Zeit geführt.

Wo steht der Staat?

Diese Vertrauenskrise könnte den Staat dazu verleiten, nun auf die Unternehmensführung in bedeutendem Ausmass einzuwirken, damit die Ende des letzten Jahrtausends hochgehaltene, kurzfristige Manager- und Shareholderorientierung einer vernünftigen langfristigen Stakeholder-Balance weicht. Doch macht es Sinn, ist dies überhaupt machbar? Kann der Staat mit Gesetzen langerfristiges Handeln der Führungsetagen sicherstellen, damit sie sich nicht nur auf die kurzfristige Maximierung des Aktionärswerts konzentrieren?

Man sagt, Politik wird bedeutungsloser. Grosse Unternehmen kennen keine Landesgrenzen. Die Globalisierung führt zunehmend zu Bedeutungsverlust des Nationalstaates bei Standortfragen. Klar erkennbar ist die unaufhaltsame globale Entwicklung, die durch die Mittel der nationalen (Wirtschafts-) Politik nur begrenzt zu beeinflussen ist.

Was muss hieraus als Konsequenz abgeleitet werden? Die aktuelle Debatte zu Corporate Governance führt den Staat zu grundsätzlichen Überlegungen auch für die Schweiz.

Heutige Diskussionen im Bereich Corporate Governance fokussieren stark auf "erhöhte Transparenz" und "Controls", sei es auf Gesetzes- oder auf Selbstregulierungs-Ebene. Neue Standards und die Weiterentwicklungen von Standards rund um das Thema "Unsicherheiten" zeigen dies klar auf. Mögliche Anpassungen im Bereich der Corporate Governance, welche die Checks und Balances noch verstärkt institutionalisieren, werden zur Zeit auch in der Schweiz diskutiert.

Corporate Governance beinhaltet bekanntlich nicht nur den Control Aspekt, sondern auch den Führungs-Aspekt, die eigentliche Leitung eines Unternehmens. Ich denke, dass dieser zweite Aspekt in diesem Zusammenhang der zentrale ist. Nur stellt sich hier die Frage: Können staatliche Regulierung oder Selbstregulierung hier wirklich etwas beitragen? Einen Beitrag leisten ja - aber nur begleitend. Denn: Gute Führung ist Chefsache.

Regulierungen können nicht Selbstverantwortung ersetzen. Und ein Selbstregulierungs-Codex kann nicht die Glaubwürdigkeit von Unternehmensführern ersetzen. Auch Schranken bezüglich der richterlichen Überprüfbarkeit von Geschäftsentscheiden sind wichtig, denn: "Without risk, you are out of business". Mut soll nicht bestraft werden, solange Systematik und Sorgfalt für risikovolle Strategie- und Umsetzungsentscheide respektiert wurden. Der Staat soll mit Gesetzen Rahmenbedingungen und "faire" Spielregeln für die Akteure im Markt setzen.

Ein solches Rahmenwerk soll sicherstellen, dass gewisse Grundregeln des fairen Wirtschaftens eingehalten werden und Missbrauch verhindert wird. Wer aber meint, dass saubere Dokumentationen bestehender Kontrollen über "Financial Reporting Procedure Risks" oder die Beschreibung von Board Committees und deren Aufgaben in Satzungen ein verantwortungsbewusstes Leadership garantieren, der täuscht sich. Es ist nicht die Sache des Staates, Fehler zu vermeiden - dies wäre auch nicht möglich.

Wir brauchen Menschen. Gerade in schwierige Zeiten brauchen wir den verantwortungsbewussten Leader und die verantwortungsbewusste Leaderin!Es geht nicht nur darum, Antworten in unsicheren Zeiten zu suchen. Sondern es geht vor allem darum, Wirtschaft und Unternehmen durch unsichere Zeiten zu führen.

Nun macht es leider den Anschein - zumindest wird es so wahrgenommen - unsere Manager seien gut gerüstet für "Gute Zeiten", doch überraschend schlecht gerüstet für "schwierige Zeiten". Und ich stelle die Frage: haben wir ein Führungsproblem? Wie auch immer konkret ausgestaltet, unsere gängigen Management-Approaches und Führungsinstrumente sind zu relativieren.

Theorien sind lernbar - auch durch Manager, welche alle erwünschten Führungsqualitäten vermissen lassen. Theorien sind lediglich notwendig, aber nicht hinreichend, um in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld erfolgreich zu bestehen und das Vertrauen der wichtigen Anspruchsgruppen zu geniessen. Gute Methoden führen tendenziell zu gutem Management, und doch bleibt Leadership eine ganz andere Sache!

Nun, welches sind die Wesensmerkmale jener "richtigen Leute", die zum heutigen, schwierigen Zeitpunkt der weltweiten Wirtschaft wieder mehr Leben einhauchen können? Lassen Sie mich drei wesentliche Merkmale herausgreifen, welche in meinen Augen verantwortungsbewusstes Leadership in Wirtschaft - und auch Politik - ausmachen.

Es braucht "Courage".

Leadership bedeutet weit mehr als nur Kontrolle - freiwillig oder mit Druck des Staates. Statt Besitzstandwahrung braucht es Mut, etwas Neues anzupacken.Um die Chancen zu kennen, gezielt zu nutzen und die Risiken geschickt zu managen, bedarf es einer grundlegenden Risikobereitschaft. Denn ohne Risiko entsteht kein Business und ohne Business kein Gewinn. Ein Leader ist ein Förderer einer offenen, optimistischen und toleranten Unternehmenskultur. Er hat den Mut, neue Wege zu beschreiten, dies mit dem Risiko, Fehler zu machen.

Es braucht "Care".

Leadership bedeutet auch Vernunft und sorgfältige Erledigung aller Führungsaufgaben. Ich meine beispielsweise, dass die am Entscheid beteiligten Manager unbefangen und unabhängig sein sollen, dass im Rahmen der Entscheidfindung mit gehöriger Sorgfalt vorgegangen wird, dass die Entscheidträger in gutem Glauben handeln. Und letztlich: dass Geschäftsentscheide transparent vorliegen.

Und es braucht "Commitment".

Leader zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie das Change Management weg von kurzfristiger hin zu langfristiger Perspektive persönlich anführen und vorleben. Ihre Handlungen sollten auf das langfristige Fortbestehen und Wohlergehen des Unternehmens ausgerichtet sein, also nachhaltig gestaltet sein. Leader leben vor, was sie selber proklamieren. Und Leader stehen zu ihren Fehlern.

Diese drei Merkmale sind nicht oder nur teilweise erlernbar! Trotzdem und gerade deshalb: die Selektion von verantwortungsbewussten Leadern ist wichtig. Denn Wohlstand bedarf einer funktionierenden Wirtschaft. Und eine funktionierende Wirtschaft basiert auf Vertrauen in ihre Unternehmensführer und einer verantwortungsvollen Politik.

Der Weg zurück zum Vertrauen ist lang!

Die gelebte ethische Verantwortung und das persönliche Verhalten der Wirtschaftsführer und Politiker spielt dabei die wichtigste Rolle. Ich bin mir bewusst, dass auch ein perfektes Verhalten der Akteure nicht alle heutigen Probleme beim Leadership in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft löst. Und schon gar nicht kurzfristig! Also was brauchen wir?

Einerseits: Die objektiven Schwächen im Bereich der "Checks and Balances" in den Unternehmen ausmerzen. Andererseits muss sich die Wirtschaft wieder vermehrt verstehen als Teil der Gesellschaft, sich mit ihren Realitäten befassen und dadurch eingebunden sein in die Verantwortung für die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. Die Beziehungen der Wirtschaftsführer zu den politischen Leadern werden zu oft wahrgenommen als blosse Interessenvertretung oder als Versuche, Einfluss zu nehmen auf politische Entscheidungen. Dieser heute leider oft portierte Eindruck ist fatal für das Vertrauen in beide Partner: Wirtschaft und Politik.

Hier sind wir alle gefordert!

Ein für die Menschen glaubwürdiger Dialog zwischen Politik und Wirtschaft bedarf erstens der ständigen Pflege, zweitens der Transparenz und drittens der kritischen Auseinandersetzung mit weiteren indirekt beteiligten Gruppen, wie zum Beispiel Gewerkschaften, Interessenverbänden etc.

Ein natürlicher Umgang und ein selbstverständlicher Gedankenaustausch zwischen Leadern in Politik und Wirtschaft, ohne sich gleich des Verdachts auszusetzen, dass Absprachen getroffen werden oder Partikularinteressen nachgelebt wird. Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich dankbar, wenn Sie sich mit Ihrer Führungspersönlichkeit dafür einsetzen, dass insbesondere auch der Dialog zwischen den politischen und wirtschaftlichen Leadern intensiviert wird. Dies stets mit dem Ziel, aktiv zum Wohle der Menschen zu handeln.

Sie, als Leader bedeutender Unternehmungen, und wir als Politikerinnen und Politiker, haben es in der Hand, zusammen wieder ein Klima des Vertrauens zu schaffen.

Dafür danke ich Ihnen!

"Verantwortungsbewusstes Leadership - gerade auch in schwierigen Zeiten" (Public Responsibility - Sold out)