Liebe Stimmbürgerinnen und Stimmbürger

Wir stimmen am 10. Juni darüber ab, ob der Bistumsartikel aus der Verfassung gestrichen werden soll.

Der Bistumsartikel bestimmt, dass Bistümer in der Schweiz nur mit Genehmigung des Bundes errichtet werden dürfen.

Der Bistumsartikel stammt aus den Zeiten des Kulturkampfes. So bezeichnen wir die heftigen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten im 19. Jahrhundert. Damals wurden verschiedene konfessionelle Ausnahmebestimmungen in unsere Verfassung aufgenommen. Sie wurden mit der Zeit gestrichen, zuletzt im Jahr 1973 das Jesuitenverbot. Uebrig geblieben ist einzig der Bistumsartikel.

Parlament und Bundesrat befürworten einhellig die Aufhebung dieses Artikels, und zwar vor allem aus drei Gründen:

Erstens schränkt der Bistumsartikel die Glaubens- und Gewissensfreiheit ein. Diese gewährt allen Glaubensgemeinschaften das Recht, sich frei zu organisieren, also auch selber über die Gebietseinteilung zu bestimmen. Der Bistumsartikel verstösst gegen diesen Grundsatz.

Zweitens verletzt der Bistumsartikel das Gebot der Rechtsgleichheit; denn er wendet sich praktisch nur gegen die katholische Kirche. Alle anderen Glaubensgemeinschaften können - zu Recht - ihre interne Organisation selber regeln. ·

Drittens widerspricht der Bistumsartikel unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Die Schweiz hat sich verpflichtet, die Religionsfreiheit rechtsgleich zu schützen. Einschränkungen sind nur gestattet, wenn dies zum Schutz der öffentlichen Sicherheit nötig ist.

Der Bistumsartikel widerspricht aus all diesen Gründen wichtigen Grundsätzen unserer Verfassung. Er hat in einer modernen und freiheitlichen Verfassung nichts zu suchen.

Dies wird heute kaum mehr bestritten. Dennoch möchten verschiedene Glaubensgemeinschaften und religiöse Interessengruppen die Diskussion um den Bistumsartikel dafür einsetzen, eigene Anliegen politisch durchzubringen. Anliegen, die mit dem Bistumsartikel gar nichts zu tun haben.

Einige Anliegen sind durchaus verständlich. Ich fände es aber falsch, die Diskussion über religiöse Anliegen auf der Basis eines Bistumsartikels zu führen, der weitherum als überholt empfunden wird. Dieser Artikel ist auch der falsche Weg, um Schützenhilfe beim Bund zu holen. Denn es ist nicht die Aufgabe des Staates, sich in die inneren Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft einzumischen.

Liebe Stimmbürgerinnen und Stimmbürger! Wer die Gründe für die Aufhebung des Bistumsartikels ohne Vorurteile und Emotionen prüft, muss zum Schluss kommen, dass der Bistumsartikel ein Ueberbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit ist.

Er ist völlig überholt.

Zusammen mit dem Bundesrat und der grossen Mehrheit des Parlaments empfehle ich Ihnen daher, den Bistumsartikel aus unserer Verfassung zu streichen.

Abstimmung vom 10. Juni 2001 über den Bistumsartikel. Abstimmungsempfehlung von Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold