Sehr geehrte Damen und Herren

Die beiden Asylrechtsvorlagen, über die wir am kommenden 13. Juni abzustimmen haben, bilden die notwendige Grundlage, damit unsere langjährige und erfolgreiche Asyl- und Flüchtlingspolitik fortgesetzt werden kann. Ziel ist dabei die Gewährung von Schutz an diejenigen, die ihn benötigen, unter gleichzeitiger Bekämpfung von Missbräuchen. Diese beiden Eckpfeiler wurden bei allen Revisionen des Asylgesetzes in gleichem Masse beachtet; und auch bei der aktuellen Revision hat sich der Gesetzgeber entschieden für die Beibehaltung des Gleichgewichtes zwischen liberalem und repressivem Recht ausgesprochen.

Die neue Bestimmung über die vorübergehende Schutzgewährung ist genau für Kriegsvertriebene gedacht, wie sie gegenwärtig aufgrund der Krise im Kosovo in grosser Zahl zu uns kommen. Dies kann das Abstimmungsverhalten beeinflussen. Ich hoffe aber, dass vor allem wahrgenommen wird, dass wir in ausserordentlichen Zeiten, wie wir sie heute erleben, ein vereinfachtes Verfahren brauchen, um die Situation zu bewältigen. Und ich hoffe auf die Einsicht, dass wir bei der späteren Aufhebung der vorübergehenden Schutzgewährung in Bezug auf die Ausreisefristen nicht mehr 26 verschiedene kantonale Praktiken haben sollten, wie dies bei den bosnischen Kriegsvertriebenen der Fall war. Dadurch kann auch die Rückkehr gefördert werden. Denn an die Rückkehr müssen wir bereits heute denken.

Das neue Asylgesetz übernimmt zu einem grossen Teil geltendes Recht, führt aber auch gewisse Neuerungen ein. Diese werde ich Ihnen im folgenden darlegen und anschliessend zu den umstrittenen Punkten Stellung nehmen.

In den ersten drei Kapiteln des Gesetzes sind folgende Regelungsbereiche hervorzuheben:

Das neue Gesetz trägt den frauenspezifischen Fluchtgründen Rechnung. Besteht beispielsweise der Verdacht, dass eine asylsuchende Person geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe geltend machen will, wird ein Befragungsteam organisiert, welches ausschliesslich aus Leuten desselben Geschlechts besteht.

Ebenfalls neu im Gesetz ist die Regelung über das Verfahren am Flughafen, das ein wichtiges und notwendiges Element unseres Asylrechts darstellt. Der Flughafen darf nicht zum offenen Einreisetor in die Schweiz werden. Daher rechtfertigt sich die Regelung, wonach die vertiefte Prüfung der Herkunft, des Reiseweges oder der Gefährdungssituation von Asylsuchenden bereits im Transitbereich des Flughafens durchzuführen ist.

Im zweiten Kapitel des neuen Asylgesetzes fanden zur wirksamen Bekämpfung von Missbräuchen zusätzliche Nichteintretenstatbestände Eingang. Das Parlament hat diese Bestimmungen mittels des Bundesbeschlusses über dringliche Massnahmen im Asyl- und Ausländerbereich vorzeitig am 1. Juli 1998 in Kraft gesetzt. Hierüber stimmen wir am 13. Juni separat ab. Dabei geht es vor allem um drei Bestimmungen:

Personen, die ein Asylgesuch einreichen und den Asylbehörden ihre Identitätspapiere vorenthalten, um dadurch das Überprüfen ihrer Asylgründe zu erschweren oder um nach einem negativen Ausgang des Asylverfahrens ihre Wegweisung zu verzögern oder gar zu verhindern, sollen einen Nichteintretensentscheid erhalten. Es wird also ein beschleunigtes und vereinfachtes Verfahren durchgeführt. Mit dieser Massnahme sollen Asylsuchende motiviert werden, vorhandene Papiere abzugeben.
Die neue Bestimmung richtet sich ausschliesslich gegen Asylsuchende, die ihre Papiere bewusst zurückhalten oder vernichten. Diese Fälle gibt es leider. Sie sind keine Erfindung von fremdenfeindlichen Kreisen. Die Papierfetzen von zerrissenen Pässen an unserer Grenze sind real. Sie sind keine Erfindung von fremdenfeidlichen Kreisen. Sie stammen von Asylsuchenden, denen klar ist, dass sie nicht verfolgt sind, und die beabsichtigen, nach einem negativen Asylentscheid die Wegweisung zu verzögern oder zu verhindern. Wie Sie, meine Damen und Herren, wissen, ist kein Staat bereit, abgewiesene Asylsuchende ohne Nachweis der Staatsangehörigkeit zurückzunehmen. Wir brauchen diese Bestimmung unbedingt, um mit solchen Fällen überhaupt umgehen zu können. Das Gesetz sagt aber klar, dass bei entschuldbaren Gründen für das Fehlen von Papieren und bei Hinweisen auf Verfolgung trotz des Nichtvorlegens von Identitätsdokumenten ein ordentliches Asylverfahren durchgeführt wird. Dass die Asylbehörden diese Ausnahmebestimmung im Sinne des Gesetzgebers anwenden, beweisen die Zahlen. Die Bestimmung über das Nichteintreten wegen fehlender Papiere wurde seit Inkrafttreten im vergangenen Sommer nur 264 mal angewandt. Im übrigen zeigt gerade das aktuelle Beispiel der Asylsuchenden aus dem Kosovo, dass die Behörden die Problematik der Papierlosen differenziert zu betrachten wissen. Bei Flüchtlingen aus dem Kosovo wird grundsätzlich auf die Gesuche eingetreten, weil bekannt ist, dass ihnen bei der Vertreibung systematisch alle Papiere abgenommen wurden. Asylsuchende ohne Papiere haben also mehr als bloss eine Chance, ins ordentliche Asylverfahren aufgenommen zu werden. Ganz im Gegensatz zu dem, was die SFH (Schweizerische Flüchtlingshilfe) in einem Schreiben an ihre Gönnerinnen und Gönner anhand der "Geschichte von Nazlie B." weis zu machen vesuchte. Denn in Wahrheit würde auch nach dem neuen Recht - das bereits seit dem 1. Juli 1998 in Kraft ist - auf ihr Gesuch eingetreten.
Häufiger angewandt wird die zweite Nichteintretensbestimmung des dringlichen Bundesbeschlusses. Sie sanktioniert jene, die ihre Identität absichtlich verheimlichen. Nach altem Recht konnte dies nur durch einen Vergleich der Fingerabdrücke rechtsgenüglich nachgewiesen werden. Neu dürfen auch andere Beweismittel beigezogen werden, weil sich beispielsweise die Angabe einer falschen Staatsangehörigkeit mit Fingerabdrücken nicht nachweisen lässt. Eine Täuschung bezüglich der Nationalität kann nun mit länderkundlichen Fragen und einer wissenschaftlichen Analyse des verwendeten Wortgebrauchs nachgewiesen werden. In den ersten zehn Monaten seit der Anwendung des neuen Artikels wurden immerhin 1'593 Nichteintretensentscheide gefällt, was zeigt, wie nötig diese Bestimmung ist.
Der dritte neue Nichteintretenstatbestand betrifft Fälle, in denen Personen sich über eine gewisse Zeit illegal in der Schweiz aufgehalten haben und erst dann, wenn sie von den Behörden aufgegriffen werden, ein Asylgesuch einreichen. Sie wollen dadurch die Wegweisung verhindern oder zumindest verzögern. Oft reichen auch straffällige Ausländer, welche erwischt worden sind, ein Asylgesuch ein. Dies darf nicht sein, und diese Personen sollen so schnell wie möglich ausgeschafft werden.

In Zusammenhang mit dem Nichteintretensentscheid haben Gegner kritisiert, dass innert 24 Stunden Beschwerde eingelegt werden muss, um eine sofortige Abschiebung zu verhindern. Dies verunmögliche es vielen der häufig mittellosen, rechts- und sprachunkundigen Asylsuchenden, eine seriöse Beschwerde einzulegen. Dem ist entgegenzuhalten, dass in der Praxis - beispielsweise im Flughafenverfahren - sehr oft Beschwerden eingereicht werden. Die Asylsuchenden haben im Flughafen die Möglichkeit, eine dort tätige Vertretung eines Hilfswerks zu kontaktieren oder einen Rechtsvertreter beizuziehen. Zudem zeigen sich die Behörden bei den formellen und inhaltlichen Anforderungen sehr kulant. Die Beschwerdemöglichkeit ist unter diesen Bedingungen also sehr wohl gewährleistet.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Aufhebung des Fristenstillstandes für Asylverfahren während der Feiertage. Dem öfters geäusserten Vorwurf, dadurch würden rechtsstaatliche Garantien aufgehoben, ist entgegenzuhalten, dass der Fristenstillstand nach übereinstimmender Lehrmeinung nicht als zentrales Element eines rechtsstaatlichen Verfahrens gilt.

Das eigentliche Kernstück der Vorlage ist die Regelung über die Gewährung vorübergehenden Schutzes im 4. Kapitel. Als Schutzbedürftige gelten Personen, welche zwar nicht individuell verfolgt werden und deshalb die Flüchtlingseigenschaften nicht erfüllen, die aber aufgrund von kriegerischen Ereignissen in ihrem Heimatstaat ein Schutzbedürfnis aufweisen. Das Konzept des vorübergehenden Schutzes basiert im wesentlichen auf den folgenden drei Elementen:

Der Bundesrat trifft den Entscheid, ob und wie vielen Personen aus einem Krisengebiet vorübergehend Schutz gewährt wird.
Das Verfahren wird - im Gegensatz zur geltenden Regelung für die kollektive vorläufige Aufnahme - so gestaltet, dass die Behörden keine aufwendigen Individualverfahren durchführen müssen. Die Asylverfahren werden so zu sagen sistiert. Trotzdem ist aber garantiert, dass die Behörden den betroffenen Personen Asyl gewähren können, wenn sich herausstellt, dass sie die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Das heisst: wenn eine Person offensichtlich individuell verfolgt ist, kann ein Asylverfahren durchgeführt und mit einem positiven Entscheid abgeschlossen werden. Auch später, wenn der Status als Schutzbedürftiger wieder aufgehoben wird, hat jede betroffene Person Anrecht auf das rechtliche Gehör. Stellt sich dann heraus, dass sie die Flüchtlingseigenschaft erfüllt, kann Asyl gewährt werden. Die Behauptung, Bürgerkriegsflüchtlinge hätten keinen Zugang zum Asylverfahren, stimmt somit nicht.

Gerade in der aktuellen Situation zeigt sich doch, dass man mit den individuellen Aufnahmeverfahren gemäss geltendem Asylrecht dem Zustrom an Flüchtlingen nicht gerecht wird.

Die Betroffenen sollen in ihre Heimatstaaten zurückkehren, sobald die Situation dies erlaubt. Demnach ist bei der Aufnahme Schutzbedürftiger in der Schweiz nicht ihr dauernder Aufenthalt das zentrale Anliegen, sondern die Rückkehr in ihren Heimatstaat, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen ist. In diesem Zusammenhang steht auch die Rückkehrhilfe.

Es ist hervorzuheben, dass das Gesetz für die vorübergehend aufgenommenen Schutzbedürftigen wesentliche Verbesserungen schafft. So haben diese im Gegensatz zum alten Recht bereits zu Beginn ihres Aufenthaltes Anspruch auf Familienzusammenführung.

Bedeutsam sind auch die Änderungen im Fürsorgebereich. In Anbetracht der prekären Finanzlage der öffentlichen Hand spielen finanzielle Aspekte naturgemäss eine wichtige Rolle. Folgende Bestimmungen sollen künftig kostensenkend wirken:

Zum einen wird die Rechtsgrundlage für die pauschale Abgeltung von Fürsorgeleistungen ausgedehnt.

Zum anderen sind künftig ausschliesslich die Kantone für die Ausrichtung der Fürsorgeleistungen an anerkannte Flüchtlinge verantwortlich, während dies heute in die Kompetenz der anerkannten Hilfswerke fällt. Selbstverständlich erstattet der Bund seinerseits den Kantonen die Kosten für die Fürsorge in Form von Pauschalen zurück. Diese Rückerstattung erfolgt, bis den betroffenen Personen eine Niederlassungsbewilligung erteilt wird. Die anerkannten Hilfswerke, die bisher diese Aufgabe wahrgenommen haben, bleiben weiterhin Partner des Bundes - als ständige und gesetzte Teilnehmer bei den Befragungen der Asylsuchenden zu ihren Asylgründen.

Als umfangreiche Neuerung fallen die Bestimmungen über den Datenschutz ins Auge. Das entsprechende neue Kapitel im Asylgesetz regelt umfassend den Schutz und die Bearbeitung von Personendaten im Asylbereich. Die Bestimmungen bilden die rechtlichen Grundlagen für die Führung elektronischer Register und legen die Grundsätze für den Datenaustausch mit anderen Behörden fest.

Die restlichen vier Kapitel des neuen Asylgesetzes umfassen den Rechtsschutz, die internationale Zusammenarbeit sowie die Straf- und Schlussbestimmungen.

Die beiden Asylrechtsvorlagen widerspiegeln verschiedene Anliegen in ausgewogener Weise. In humanitärer Hinsicht finden politisch Verfolgte und Kriegsvertriebene im Rahmen eines möglichst einfachen, gleichzeitig aber möglichst zuverlässigen Verfahrens Schutz. Unter repressiven Aspekten bietet der dringliche Bundesbeschluss Lösungen, um Missbräuche im Asylbereich effizient zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf einen wichtigen Punkt hinweisen. Von verschiedener Seite ist die Ansicht geäussert worden, die beiden Asylvorlagen vom kommendem Juni sollten unabhängig voneinander beurteilt werden. Das könnte im Endergebnis zu einer Annahme des Gesetzes, aber zu einer Ablehnung des dringlichen Bundesbeschlusses führen. Ein solches Resultat hätte schmerzhafte Folgen. So wäre die Prüfung von mutmasslich falschen Angaben bei der Staatsangehörigkeit mittels wissenschaftlicher Analysen nicht mehr möglich. Auch fiele unter diesen Bedingungen die Möglichkeit des Nichteintretens bei nachgereichten, unbegründeten Asylgesuchen weg. Wesentliche Elemente bei der Bekämpfung des Missbrauchs im Asylwesen stünden somit nicht mehr zur Verfügung. Damit aber würde einer der beiden Pfeiler unserer Asyl- und Flüchtlingspolitik gefährdet: nämlich die Beibehaltung des Gleichgewichtes zwischen liberalem und repressivem Recht.

Der Krieg in Kosovo beeinflusst die Abstimmungskampagne und wohl auch die Abstimmung. Das ist verständlich und unausweichlich, doch dürfen wir dabei eines nicht vergessen: Dieses Gesetz ist nicht für eine kurzfristige Krisensituation - nicht für Kosovo - geschaffen worden. Bei diesem Gesetz geht es um eine längerfristige Regelung. Es ist deshalb unabdingbar, dass das Volk beide Asylvorlagen bestätigt.

Asylgesetz und Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen im Asyl- und Ausländerbereich