Es gilt das gesprochene Wort

Steigt jemand in die Politik ein, darf er sich auf eine spannende Zeit freuen. Er muss sich aber auch auf ein hartes Los gefasst machen. Denn ein Politiker hat die Aussicht auf nur zwei garantierte Feiertage: Nämlich am Tag seiner Wahl und am Tag seines Rücktritts. Dazwischen geht's hoch und runter, aber weder ganz oben noch ganz unten sind sich alle immer einig, wo oben und wo unten ist.

Nur wenige Politiker haben jedoch die Aussicht auf einen dritten sicheren Feiertag. Dieses Privileg haben nämlich nur die Präsidenten eines Rates! Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, lieber Claude, geniessen Sie diesen Tag!

Ich freue mich auf unsere gelegentliche Nachbarschaft im Nationalratssaal, ich links von Ihnen, - protokollarisch korrekt - nicht ganz auf Ihrer Augenhöhe und Sie immer im Rücken spürend, vor allem wenn ich zu lange werde. Ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen gelingt von Ihrer Ruhe und Gelassenheit, von Ihrem Ordnungssinn, von Ihrer Raffinesse und Feingefühl etwas an Ihre Kolleginnen und Kollegen im Ratssaal weiterzugeben - beispielsweise in den anstehenden Beratungen zum Budget.

Wenn im Turnus alle Kantone die Ehre hätten, das höchste Amt im Land zu vergeben, dann wären seit der letzten Feier an dieser Stätte nun 26 Jahre vergangen und der Kanton Basel-Landschaft dürfte seit 1848 zum sechsten Mal einen Freudentag wie den heutigen begehen. Herr Nationalrat Janiak ist aber erst der dritte Baselbieter nach Emil Frey 1876 und Hans-Rudolf Nebiker 1992 auf dem höchsten Stuhl der Eidgenossenschaft. Die Politik verläuft in unserem Land eben nicht nach Reissbrett und Schema, besonders nicht die Personalpolitik. Wahlen sind oft wie Naturereignisse: sanft im Anfang, heftig im Ablauf und ungewiss im Ausgang. Schon manch eine oder einer ist solchen Gewalten zum Opfer gefallen.

Die Wahl von Herrn Nationalrat Claude Janiak zum höchsten Schweizer war nun beileibe kein politisches Donnerwetter. Sie ist vielmehr ein krönender Höhepunkt jahrelanger herausragender Parlamentsarbeit. Und wie bei allen eidgenössischen Karrieren steht der Wohnkanton am Beginn. Nur ein Jahr nach seinem Einzug in eine WG in Bubendorf wurde er bereits in den dortigen Gemeinderat gewählt. Auch nach seinem Umzug nach Binningen folgte im ersten Anlauf die Wahl in den Einwohnerrat. Viele Wahlsiege folgten, sei es für Parteiämter, sei es in seiner Wohngemeinde, sei es im Kanton oder sei es nun neu auch auf nationaler Ebene. Er beherrscht es mit unkonventionellen Slogans in die Wahlen zu schreiten. 1999 beispielsweise mit einem Spruch, der sowohl durch bürgerliche Wahlsiege aufgeschreckte Linke als auch allen Rechten gefallen musste: "Gegen-steuern"

Fritz René Allemann, der feinsinnige Beobachter der Eigenarten unserer Kantone und ihrer Leute betitelte das Kapitel über den Stand ‚Baselland': Vom Bauernland zum Industriekanton.

Er verwies auf die revolutionäre Unruhe, aus der das Baselbiet erwuchs und wie es im Anfang seines Bestehens zu einem beliebten Tummelplatz für politische Abenteurer und tumultuöse Volksbewegungen wurde. Heute gehört diese Hektik längst der Vergangenheit an. Basel-Landschaft hat den Geist kritischer Wachsamkeit gegenüber dem Staat und eine breite Palette politischer Bewegungen beibehalten, und der Stand ist zudem helvetisch bis in die Knochen geblieben.

Der Kanton vermochte sich frühzeitig zu industrialisieren, ohne die Wurzeln zur Landwirtschaft zu verlieren. Die sozialen und politischen Folgen dieses Vorgangs führten zu einem imposanten Aufschwung zum heute modernen Staatswesen.

In solcherart fruchtbarem Klima wurzelt Claude Janiaks politische Saat. Hier fühlt er sich wohl. Hier musste er sich als Parlamentarier anfangs behaupten, Zeichen setzen und Überzeugungsarbeit leisten. Hier begann deshalb die Wahl des heutigen 30. November.

Im Namen des Bundesrates gratuliere ich Ihnen, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, zur glanzvollen Ernennung in das höchste Amt, das unser Land zu vergeben hat. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. Durch Ihr integrierendes Wesen und dank Ihrer souveränen Beherrschung unserer demokratischen Prozesse ist das Ratspräsidium in guten Händen. Ein spannendes und herausforderndes Jahr steht vor uns. Sie werden uns mit der Ratsglocke zu den nötigen Etappen dieses Weges rufen.

Unser Land steht vor einem beträchtlichen Reformbedarf in verschiedensten Bereichen, aber es basiert auf einem soliden Fundament. Die Gründe für unseren Wohlstand fussen auf bekannte Trümpfe. Ich denke an die Chancengleichheit, die leistungsorientierte Wirtschaft, die gute Infrastruktur, den schonungsvollen Umgang mit der Umwelt, die niedere Steuerbelastung, die Umsetzung der Schuldenbremse, das funktionierende Sozialnetz, die Offenheit gegenüber dem Ausland und in Gesellschaftsfragen. Ich gehe davon aus, dass wir alle hier diese Punkte als Trümpfe ansehen. Uns unterscheiden je nach politischer Ausrichtung bloss die Reihenfolge und die Gewichtung der einzelnen Trümpfe.

Der Erfolg unseres Landes hängt zweifellos von diesen sogenannt harten Fakten ab. Warum besteht aber oft der Eindruck, unser Land sei blockiert? Weshalb haben wir das Gefühl, es sei uns Förderliches und Verbindendes abhanden gekommen? - Die Antwort liegt im sogenannt weichen Bereich, bei gemeinsamen Werten und in Fragen des Umgangs miteinander. Die Trümpfe sind somit zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für das Gedeihen unseres Landes! Es braucht noch etwas anderes.

Unser Land ist gross geworden dank Werten wie Arbeitsfrieden, Freiwilligenarbeit, Verhandlungskultur, Meinungsvielfalt, handlungsfähigen Behörden und Respekt. Unsere Trümpfe würden ohne diese verbindenden Werte ihre Kraft verlieren und mit der Zeit nicht mehr stechen.

Heute werden einige dieser Werte verteufelt. Es wird Staatsverdrossenheit gesät, es wird diffamiert und es wird mit Halbwahrheiten gespielt. Nicht der Spaltpilz und nicht die Axt machen die Schweiz aus, sondern es ist der Handschlag für das gemeinsame Ziel. Die verbindenden Werte machen zusammen mit den harten Trümpfen letztlich die Willensnation Schweiz aus.

Und vor allem: Es braucht Personen, die diese Werte verkörpern, für diese Werte einstehen und für diese Werte hinstehen. Und damit bin ich wieder bei Claude Janiak angelangt. Er verkörpert für mich in vorbildlicher Weise den modernen, ausgleichenden und offenen Geist, den wir in unserem Land mehr denn je brauchen.

Wahlfeier Nationalratspräsident Claude Janiak