Sehr geehrter Herr Professor Redaelli
Sehr geehrter Herr Oggier
Sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich, wieder einmal in Zürich zu sein. Ich mag diese Stadt sehr. Zum einen verbinden mich Jugenderinnerungen und familiäre Beziehungen mit Zürich. Zum anderen schätze ich die Dynamik und Weltoffenheit dieser Region.

Es freut mich überdies, dass ich am heutigen Weltgesundheitstag der WHO zu Ihnen sprechen darf; das Datum für einen gesundheitspolitischen Anlass ist gut gewählt!

Der Weltgesundheitstag 2011 steht unter dem Motto „Gemeinsam Antibiotikaresistenzen verhüten und bekämpfen –  Wer heute nicht handelt, kann morgen nicht mehr heilen.“ In Anlehnung daran könnte das Motto für die schweizerische Gesundheitspolitik heissen: „Gemeinsam handeln für eine optimale Vorsorge und eine optimale medizinische Versorgung der Bevölkerung zu tragbaren Kosten.“

Das Interdisziplinäre Zürcher Symposium führt den Schlüssel für ein zukunftsgerichtetes Gesundheitswesen im Titel – die Interdisziplinarität. Dieser Leitgedanke wird meines Erachtens für die Zukunft unseres Gesundheitswesens bestimmend sein. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist in allen Lebensbereichen, aber speziell auch im Gesundheitswesen eine gefragte Qualität.
Und die Nachfrage danach wird in Zukunft noch steigen. Davon bin ich überzeugt!

Da mir der Gedanke der Zusammenarbeit und Interdisziplinarität sehr am Herzen liegt, ist es mir eine Ehre, Ihnen heute einige Überlegungen zur gesundheitspolitischen Strategie des Bundesrates mit auf den Weg zu geben.

Meine Damen und Herren

Betrachtet man die politischen Diskussionen im Gesundheitswesen, dann fällt eines auf: Im Vordergrund stehen Probleme und Schwierigkeiten. Dagegen ist viel zu wenig von Lösungen die Rede. Die Akteure im Gesundheitswesen konzentrieren sich zu stark auf die Probleme, statt auf die Lösungen.

Stellen Sie sich auf die Seite der Lösungen und der Problemlöser! Denn nur so lassen sich die Weichen richtig und vor allem rechtzeitig stellen, um für die künftigen Herausforderungen gewappnet zu sein.

Welches ist aber das Ziel unserer Bemühungen? Die Antwort ist einfach: Im Zentrum steht der Mensch. Die Menschen sollen möglichst gesund sein und sie sollen es möglichst lange bleiben. Bei Krankheit oder Unfall sollen sie möglichst rasch wieder gesund werden.

Diese einfache, aber zentrale Zielsetzung ist sicher unbestritten. Aber die nächste Frage wird sein: wie viel darf das kosten?

Verbesserungspotenziale nutzen

In diesem Zusammenhang ist oft von der Kostenexplosion im Gesundheitswesen die Rede. Trifft dieses Bild der Explosion, also eines einmaligen, heftigen Ereignisses zu? Ich glaube nicht, denn wir beobachten seit den 1960er Jahren einen fast linearen Wachstumstrend im Gesundheitsbereich, aber keine einmalige Explosion.

Die Gesundheitskosten wachsen in der Schweiz wie auch im Durchschnitt der OECD-Mitgliedstaaten wesentlich rascher als das Bruttoinlandprodukt. Im internationalen Vergleich belegt die Schweiz aktuell den 3. Platz hinter den USA und Frankreich.

Die Hauptgründe für den Kostenanstieg sind überall mehr oder weniger dieselben, nämlich der medizinisch-technische Fortschritt und insbesondere die demographische Entwicklung.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine aktuelle Zahl nennen. im Jahr 2010 ist es gelungen, die Gesundheitskosten zulasten der Krankenversicherung zu stabilisieren.

Das Wachstum betrug im letzten Jahr 1,8 Prozent, die zweitniedrigste Wachstumsrate seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes im Jahre 1996. Das durchschnittliche Kostenwachstum seit 1996 lag bei 4,3 Prozent.

Das ist ein gutes Zwischenresultat, aber wir  dürfen uns darauf nicht ausruhen. Zudem: Die Kostenentwicklung ist wichtig, aber die Zahlen allein sind nicht das Mass aller Dinge. Sie sagen nämlich nichts darüber aus, was wir für das Geld bekommen, was also der Nutzen ist.

Ein wichtiger Indikator für den Nutzen bzw. die Qualität des Systems ist die Lebenserwartung der Menschen. Diesbezüglich belegt die Schweiz im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz. So beträgt die aktuelle durchschnittliche Lebenserwartung rund 85 Jahre für Frauen und 80 Jahre für Männer. Zum Vergleich: 1970 betrug die Lebenserwartung rund 76 Jahre für Frauen und rund 70 Jahre für Männer.

Wir leben im Durchschnitt also rund 10 Jahre länger als noch vor 40 Jahren; und die Prognosen gehen von einer weiter steigenden Lebenserwartung aus…

Die Menschen werden aber nicht nur älter, sie fühlen sich auch gesund. In der letzten Gesundheitsbefragung des Bundesamtes für Statistik 2007 bezeichneten 87 Prozent der Befragten ihren Gesundheitszustand als gut bis sehr gut. Ein hoher Wert, der seit einigen Jahren konstant ist.

Meine Damen und Herren

Die Qualität unseres Gesundheitswesens ist gut, die erwähnten Indikatoren illustrieren das.
 
Dennoch besteht erhebliches Verbesserungspotenzial, um die Qualität zu erhöhen, die Effizienz zu steigern und somit die Kosten zu dämpfen. 2006 kam die OECD in ihrem Bericht über das Gesundheitssystem der Schweiz zum Schluss, dass wir dieselbe Qualität deutlich kostengünstiger haben könnten.

Der Bundesrat teilt diese Ansicht und ist gewillt die vorhandenen Potenziale zu nutzen. Das mit dem bereits genannten Ziel, optimal vorzusorgen und die Menschen optimal – und nicht maximal – zu versorgen, zu tragbaren Kosten.

Unsere gesundheitspolitische Strategie, um dieses Ziel zu erreichen, basiert auf drei Achsen:

1. Stärkung der Aufsicht über die soziale Krankenversicherung
2. kurzfristige Sparmassnahmen
3. mittel- und langfristige Reformen

Auf diese drei Achsen der Strategie möchte ich im Folgenden eingehen.

Transparenz erhöhen und Vertrauen gewinnen

Zur ersten Achse: Die aktuelle Aufsicht über die soziale Krankenversicherung ist ungenügend. Angesichts der hohen Beträge – rund 24 Milliarden Franken – um die es hier geht, ist das erstaunlich.

Darum hat der Bundesrat beschlossen, die Aufsicht zu stärken. Das Aufsichtsgesetz, das bis Mai in der Vernehmlassung ist, hat zum Ziel, eine effektive Aufsicht zu ermöglichen, die Transparenz zu erhöhen und den regulierten Wettbewerb zu stärken. Die Eckwerte dieses Gesetzes sind: bessere Regeln für die Corporate Governance, die Erweiterung der Sanktionsmöglichkeiten und die Konsolidierung der Bestimmungen zu Prämien und Reserven.

Das Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes hängt natürlich von der parlamentarischen Beratung ab. Aber ich hoffe, dass sich die gesundheitspolitischen Akteure auf die Seite der Lösungen stellen und so ein rasches Inkrafttreten ermöglichen. Das wäre wichtig, um das Vertrauen in das System, das in den letzten Jahren merklich gelitten hat, wiederherzustellen.

Um die Stärkung des Vertrauens geht es auch bei der Problematik der so genannt kalkulatorischen Reserven. Diese sind entstanden, weil in einzelnen Kantonen im Verhältnis zu den Kosten zu hohe und in anderen Kantonen zu tiefe Prämien bezahlt wurden. Dadurch haben sich in Kantonen mit zu tiefen Prämien rechnerische Defizite und in Kantonen mit zu hohen Prämien Überschüsse angehäuft.

Der Bundesrat hat an seiner gestrigen Sitzung eine Lösung für diese Problematik, die die Politik nun seit geraumer Zeit beschäftigt, vorgeschlagen. Diese besteht in einer Korrektur der Prämien mittels Abzügen bzw. Zuschlägen und erfordert eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes.

Diese Lösung ist nicht perfekt. Aber es ist eine Lösung, die fair, transparent und geeignet ist, die Grundproblematik in vernünftiger Zeit zu lösen und das angeschlagene Vertrauen in das Funktionieren des Systems wiederherzustellen. Wir werden die Gesetzesänderung gegen Mitte des Jahres in die Vernehmlassung schicken.

Bereits heute appelliere ich aber an die verschiedenen Akteure, die Chancen und nicht die Risiken in den Vordergrund zu rücken. Die Suche nach der Lösung und nicht jene nach dem Haar in der Suppe, sollte im Fokus stehen.

Kurzfristige Sparmassnahmen

Meine Damen und Herren

Damit komme ich zur zweiten Achse, den kurzfristigen Sparmassnahmen.

Nachdem das Parlament im letzten Herbst 2010 das Massnahmenpaket zur Eindämmung der Kostenentwicklung abgelehnt hat, haben Bundesrat und Departement verschiedene Sparmassnahmen auf Verordnungsebene beschlossen.

Erstens wurden Massnahmen Im Bereich der Medikamentenpreise beschlossenen. Diese zielen darauf ab, Generika zu fördern und die Preise nach Patentablauf von Originalmedikamenten zu senken.
 
Diese Massnahmen haben ein Kostensenkungspotenzial von 50 Millionen im Jahr 2011 bis 230 Millionen ab dem Jahr 2015. Zudem laufen ab 2012 einige wichtige Patente ab, was zu Einsparungen von mehreren hundert Millionen Franken führen sollte.

Diese neuen Sparmassnahmen vervollständigen die Massnahmen, die bereits Ende 2009 im Medikamentenbereich getroffen wurden und von denen wir ab diesem Jahr Einsparungen von etwa 400 Millionen Franken erwarten.

Zweitens wurden die Beiträge der obligatorischen Krankenversicherung an medizinische Mittel und Gegenstände gesenkt und die Beiträge der Patienten für die Verpflegung bei einem Spitalaufenthalt moderat erhöht.
 
Diese beiden Massnahmen bringen Kosteneinsparungen von rund 200 Millionen Franken pro Jahr.

Schliesslich sei an dieser Stelle drittens auf die Vereinbarung der Versicherer betreffend die Telefonwerbung und die Maklertätigkeit verwiesen.
Diese haben sich auf Anregung des Departements des Innern auf einen Verhaltenskodex geeinigt, der die Tätigkeiten im Bereich Versicherungsvermittlung und Telefonmarketing stark einschränken wird. Diese Vereinbarung wird die Gesamtrechnung für die Versicherten um jährlich 60 bis 100 Millionen Franken entlasten.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch bekannt geben, dass das Bundesamt für Gesundheit den Versicherten und Versicherern im Hinblick auf die Prämien 2012 einen kostenlosen Vergleichsdienst zur Verfügung stellen wird. Damit werden entsprechende Maklergebühren überflüssig.

Diese Sparmassnahmen haben Bundesrat und Departement beschlossen, nachdem der Nationalrat das dringliche Massnahmenpaket im vergangenen Herbst in der Schlussabstimmung abgelehnt hatte.

Damit haben wir konkrete Lösungen präsentiert, mit denen Einsparungen von rund einer Milliarde Franken pro Jahr erzielt werden. Das entspricht etwa 4 Prozentpunkten der Prämien der Grundversicherung.
 
Diese wirkungsvollen Massnahmen kommen der ganzen Bevölkerung und besonders den Familien zugute. Eine vierköpfige Familie (zwei Erwachsene, zwei Kinder) wird dadurch um rund 400 Franken pro Jahr entlastet.

Die genannten kurzfristigen Massnahmen mögen einigen zu wenig weit gehen und anderen zu weit. Aber sie wurden zu einem wesentlichen Teil von den betroffenen Akteuren mitgetragen, da der Wille zur Lösungssuche die Bedenken überwog.

Sehr geehrte Damen und Herren

Diese kurzfristigen Massnahmen sind wichtig. Am wichtigsten sind aber die mittel- und langfristigen Reformen im Gesundheitswesen – womit ich zur dritten Achse komme.
Nur tiefgreifende Reformen werden es ermöglichen, die Qualität zu steigern und die Effizienz zu verbessern und dadurch die Kosten nachhaltig zu dämpfen.

Bei den mittel- und langfristigen Reformen möchte ich drei Bereiche hervorheben:

1. die Prävention und die Früherkennung;
2. die neue Spitalfinanzierung oder besser gesagt die Finanzierung der Leistungen der Spitäler;
3. die integrierte Versorgung und der Risikoausgleich.

Vorbeugen ist besser als Heilen

Meine Damen und Herren

Chronische Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Osteoporose sowie Herz-Kreislauferkrankungen verursachen heute bereits rund drei Viertel der Gesundheitskosten. Diese Krankheiten sind aufgrund der Tatsache, dass wir immer älter werden eine grosse Herausforderung für die Gesellschaft. Ausgehend vom Jahr 2000 wird bis 2020 wird gemäss Schätzungen mindestens ein Viertel mehr Menschen an einer dieser chronischen Krankheiten leiden.

Im Vergleich zu den drei Säulen der Krankenversorgung – der Behandlung, Rehabilitation und Pflege – ist die vierte Säule, jene der Prävention, Gesundheitsförderung und Früherkennung von nicht übertragbaren Krankheiten wenig entwickelt.

Gemäss Ansicht des Bundesrates und der Mehrheit der nationalrätlichen Gesundheitskommission besteht hier strategischer Handlungsbedarf. Denn wir haben ein gesundheits-, volkswirtschaftlicher und gesellschaftliche ein Interesse daran, dass die Menschen möglichst gesund altern.

Namentlich die Wirtschaft sollte Interesse an gesunden Mitarbeitenden haben. Denn nur gesunde Menschen sind produktiv. Wenn Sie krank sind fehlen sie am Arbeitsplatz und die Produktivität im Unternehmen sinkt,

Darum müssen wir in die Prävention investieren. Oder einfacher gesagt: Vorbeugen ist besser als Heilen. Dass dieses Sprichwort stimmt, muss ich Ihnen als Ärzten nicht erklären.

Nur ist es so, dass es dem Bund bisher verwehrt ist, im Bereich der nicht übertragbaren Krankheiten aktiv zu werden; der Bund kann hier nicht vorbeugen, sondern quasi nur heilen.

Das Präventionsgesetz, das nächste Woche im Nationalrat beraten wird, soll hier Abhilfe schaffen. Zusammen mit unseren Partnern – den Kantonen, den Gesundheitsorganisationen und der Wirtschaft – wollen wir eine kohärente Präventionsstrategie mit Zielen und Prioritäten entwickeln. Koordination und Effizienz sollen verbessert und Doppelspurigkeiten vermieden werden.

Das Ziel ist es, die Prävention wirksamer zu machen und mit den vorhandenen Mittel mehr Wirkung zu erzielen. Hierfür sollen vorhandene Kompetenzen und Strukturen genutzt werden.
 
So soll die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz die nationalen Programme im Bereich der stark verbreiteten und bösartigen Krankheiten umsetzen und die Bundesstellen, die Kantone und Dritte bei der Planung von Präventionsprogrammen unterstützen. Dagegen soll nach dem Willen der Kommission und des Bundesrats auf die Errichtung einer neuen Struktur – eines Präventionsinstituts – verzichtet werden.

Im Dialog haben wir hier eine naheliegende, aber innovative und gute neue Lösung erarbeitet. Es ist nun am Nationalrat sich zusammen mit dem Bundesrat ebenfalls auf die Seite der Lösung zu stellen.

 
Finanzierung der Spitalleistungen: den Teufel nicht an die Wand malen

Sehr geehrte Damen und Herren

Damit komme ich zum zweiten Punkt. Der Spitalfinanzierung, die derzeit viel zu reden gibt.

Diese sollte eigentlich nicht Spitalfinanzierung heissen, denn es geht ja genau nicht darum Objekte zu finanzieren, sondern neu die Leistungen der Spitäler. Korrekterweise sollte man also von der Finanzierung von Spitalleistungen sprechen.

Diese Finanzierung und vor allem die Einführung der DRG geben derzeit viel zu reden. Die Schweiz führt hier nach dem Willen der Akteure, nämlich der Spitäler und Versicherer unter Einbezug der Kantone ein in Deutschland im Jahr 2003 eingeführtes und getestetes System ein.

Dieses wird natürlich noch „helvetisiert“, das heisst den Schweizer Besonderheiten angepasst.

Das DRG-System verknüpft – einfach ausgedrückt – medizinische und ökonomische Information miteinander und bezweckt mehr Transparenz und Effizienz.

Die Kritiker des Systemwechsels sehen allerdings viele Probleme auf uns zukommen. Befürchtet wird, dass die Patienten zu früh entlassen werden [es ist von „blutigen Entlassungen“ die Rede] und dass der ökonomische Druck zu Qualitätseinbussen und Lohndruck führen werde.
Wenn ich diese Diskussionen verfolge, habe ich wie mein Vorredner den Eindruck, dass viele Probleme den DRG zugeschoben werden, die  nichts oder höchstens am Rande damit zu tun haben.

Wie erwähnt, kennt Deutschland das System der Fallpauschalen und hat bereits mehrere Jahre Erfahrung mit dem System. Und die Erfahrungen sind, wie mir anlässlich eines Besuchs im vergangenen Februar in Berlin bestätigt wurde, gut.
Qualitätseinbussen seien nicht festzustellen. Vielmehr sei die Wirtschaftlichkeit der stationären Versorgung gestiegen und es könne eine verbesserte Transparenz über die stationären Leistungen festgestellt werden.

Interessant war auch die Aussage, dass man beim Systemwechsel gewisse Probleme und Anpassungsschwierigkeiten gehabt habe, diese aber nach rund eineinhalb Jahren – und damit rascher als erwartet – eliminiert werden konnten.

Wir haben keinen Grund zur Annahme, dass sich die Situation in der Schweiz anders darstellt als in Deutschland. Im Gegenteil: Wir können von den Erfahrungen Deutschlands lernen!

Dennoch, und weil uns die Qualität der Versorgung wichtig ist, verlangt der Bund als flankierende Massnahme von Spitälern und Versicherern Qualitätskonzepte, damit es spitalintern zu keinen Qualitätseinbussen kommt.
 
Für zusätzliche Transparenz sorgen die Qualitätsindikatoren, die als weiteres Kontrollinstrument künftig jährlich erhoben und publiziert werden.

Meine Damen und Herren

Das System der neuen Finanzierung der Spitalleistungen wird und muss am 1. Januar 2012 eingeführt werden. Niemand kann erwarten, dass das System ab dem ersten Tag perfekt funktioniert. Aber man sollte den Teufel nicht an die Wand malen!
Wie das Beispiel Deutschland zeigt, braucht es eine Übergangsphase, bis das System vollständig greift.

Fehlanreize in der Finanzierung längerfristig beseitigen

Meine Damen und Herren

Seit Jahren stellen wir fest, dass die Kosten im spitalambulanten Bereich überdurchschnittlich steigen. Dennoch sinken die Kosten des stationären Bereichs nicht.
Zum einen ist das auf den medizinischen Fortschritt zurückzuführen; heute werden Behandlungen ambulant durchgeführt, die noch vor wenigen Jahren stationär durchgeführt werden mussten. Zum anderen ist es aber auch so, dass es in der Finanzierung Fehlanreize gibt.

Dieser Ansicht ist auch die Gesundheitspolitische Kommission des Ständerates. Sie hat letzte Woche mittels Motion gefordert, die Fehlanreize im System zu beseitigen, die auf die unterschiedliche Finanzierung des ambulanten und stationären Bereichs beruhen.

Der Bundesrat teilt diese Meinung. Auch er ist der Ansicht, dass es eine einheitliche und transparente Finanzierung braucht.
Das lässt sich aber nicht von heute auf morgen realisieren. Bis in diesem Dossier die Lösungen im Vordergrund stehen und die Probleme in den Hintergrund rücken, braucht es noch einiges an Zeit und Arbeit. Aber der Bundesrat ist gewillt, zusammen mit den Kantonen diese Arbeit in Angriff zu nehmen.

 
Integrierte Versorgung: Ungenutztes Potenzial ausschöpfen

Ein Projekt, das dagegen schon ziemlich reif ist, ist die Vorlage über die integrierte Versorgung und die Verfeinerung des Risikoausgleichs, der dritte Punkt der längerfristigen Reformen.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass die integrierte Versorgung das Versicherungsmodell der Zukunft ist. Das Ziel ist es, dass sich innerhalb der ersten drei Jahre ab Inkrafttreten der Vorlage 60 Prozent der Versicherten einem integrierten Versorgungsnetz anschliessen. Das würde zu Einsparungen von rund einer Milliarde Franken führen.

Im Zentrum stehen aber nicht die Einsparungen, sondern die Qualität der Behandlung. Und damit komme ich auf den Begriff der „Interdisziplinarität“ – dem Leitmotiv Ihres Symposiums – zurück. Interdisziplinarität ist bei der integrierten Versorgung der Schlüssel zum Erfolg. Nur das koordinierte und qualifizierte Zusammenspiel verschiedenster Berufsgruppen bringt die gewollte Qualitätssteigerung.

Es leuchtet ein, dass eine koordinierte Behandlung sowohl in Bezug auf den effizienten Mitteleinsatz als auch in Bezug auf die Qualität Vorteile hat gegenüber einem Puzzle von isolierten Massnahmen. Kurz: Interdisziplinarität und Teamwork steigern die Qualität und senken die Kosten.

Sehr geehrte Damen und Herren

Die integrierte Versorgung ist für alle Beteiligten, für Versicherte, Versicherer und Leistungserbringer ein Positivsummenspiel. Davon bin ich überzeugt.

Die Patienten werden besser versorgt, weil Doppelspurigkeiten dank kohärenten und kontrollierten Behandlungspfaden vermieden werden. Zudem sollen sie gemäss dem vorliegenden Entwurf von einem tieferen Selbstbehalt profitieren.

Die integrierte Versorgung ist auch für Ärztinnen und Ärzte interessant. Gruppenpraxen und Versorgungsnetze ermöglichen flexiblere Arbeitszeitmodelle als traditionelle Einzelpraxen. Stellvertretungen und Notfalldienste lassen sich leichter regeln.
Versorgungsnetze fördern zudem die Teamarbeit und steigern – wie bereits erwähnt – die Qualität. Damit gewinnen Sie als Ärzte auch die Gesamtsicht über die Behandlungskette zurück; eine Sichtweise, die mit der hohen Spezialisierung der ärztlichen Tätigkeit zum Teil verloren gegangen ist.

Versorgungsnetze steigern somit auch die Berufsattraktivität, was für die künftige Versorgung ebenfalls wichtig ist. Schliesslich wird auch die Stellung der Grundversorger aufwertet. Denn der von einem Patienten gewählte Arzt ist für diesen in aller Regel die erste Anlaufstelle in einem Versorgungsnetz.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf den gestrigen Entscheid des Bundesrates betreffend die Volksinitiative über die Hausarztmedizin zu sprechen kommen.
Der Bundesrat hat beschlossen, der Initiative einen direkten Gegenentwurf auf Verfassungsebene gegenüber zu stellen.

Der Gegenentwurf nimmt die berechtigten Anliegen der Initiative auf, namentlich in Bezug auf Anerkennung und Aufwertung der Grundversorger.

Der Gegenentwurf beschränkt sich aber nicht auf die Hausarztmedizin. Vielmehr soll die integrierte Grundversorgung im Zentrum stehen, die für alle zugänglich und von hoher Qualität sein soll.

Die Hausärzte nehmen in diesem System natürlich eine zentrale Rolle ein. Der Gegenentwurf berücksichtigt aber auch die Rolle und das interdisziplinäre Zusammenspiel der universitären und nichtuniversitären Gesundheitsfachleute; beispielsweise die wichtige Rolle der medizinischen Praxisassistentinnen, kurz MPA.

Gemäss Ansicht des Bundesrates bietet der direkte Gegenentwurf einen geeigneten Rahmen für die Sicherung und Weiterentwicklung einer integrierten Grundversorgung, die den Bedürfnissen der Bevölkerung und den veränderten Lebensweise – Stichwort Teilzeitarbeit – entspricht. Der Gegenentwurf ging gestern in die Vernehmlassung. Ich bin gespannt auf die Resultate.

 
Qualitätswettbewerb statt Jagd auf gute Risiken

Meine Damen und Herren

Ich habe erwähnt, dass die integrierte Versorgung für Versicherte, Leistungserbringer und auch für die Versicherer Vorteile bringt.

Die Versicherer können sich mit innovativen Produkten, beispielsweise für bestimmte chronische Krankheiten profilieren. Also: Qualitätswettbewerb anstelle der Jagd auf gute Risiken.

Voraussetzung hierfür ist ein gut funktionierender Risikoausgleich. Das Parlament hat das erkannt und diesbezüglich eine gute Lösung in die Managed Care Vorlage integriert: Die Verfeinerung des Risikoausgleichs mit einem weiteren Morbiditätsfaktor.
Meines Erachtens bildet diese Verfeinerung einen integralen Bestandteil der Managed Care Vorlage. Es sind zwei Seiten derselben Medaille, die nicht getrennt werden sollten.
Der Entscheid hierüber liegt nun aber beim Parlament.

Wie genau und in welchem Tempo sich die integrierte Versorgung weiter entwickelt, hängt aber nicht nur vom Beschluss der eidgenössischen Räte ab.

Entscheidend wird sein, wie die Leistungserbringe, die Versicherten und die Versicherer die Gesetzesbestimmungen umsetzen, respektive die neuen Möglichkeiten nutzen.

 
Meine Damen und Herren

Ich habe Ihnen einige zentrale Elemente der gesundheitspolitischen Strategie des Bundesrates dargelegt.

Eine Strategie, die darauf abzielt, besser vorzusorgen und die Menschen besser zu versorgen.

Dabei habe ich versucht, Ihnen aufzuzeigen, dass in allen Bereichen der Strategie Lösungsvorschläge existieren – bei der Aufsicht, den kurzfristigen Massnahmen und der längerfristigen Reformprojekten.

Diese Lösungsvorschläge sind vielleicht nicht bis ins letzte Detail perfekt und sie lösen auch nicht alle Probleme. Aber das Entscheidende ist: es sind rationale und gangbare Lösungen. Damit diese realisiert werden können, braucht es aber den Willen einer politischen Mehrheit, sich auf die Seite der Lösung zu stellen.

Ich denke, dass wir alle, die wir verantwortungsvolle Akteure der Gesundheitspolitik sind, unseren Beitrag zu leisten haben. Wir müssen ein Teil der Lösung sein, nicht des Problems.

 
Sehr geehrte Damen und Herren

Ich danke Ihnen herzlich für alles, was Sie jeden Tag für die Gesundheit der Menschen in unserem Land leisten. Sie leisten damit einen zentralen Beitrag für ein qualitativ hochstehendes und effizientes Gesundheitswesen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, eine anregende Diskussionsrunde mit vielen Ideen und Lösungen.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Interdisziplinäres Zürcher Symposium „Die Zukunft der Schweizer Gesundheit“