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Prof. Dr. Ruloff hat mich eingeladen, im Rahmen des Vortragszyklus "Moral und Moralismus in Politik und Wirtschaft" ein Referat über die Bekämpfung der internationalen Kriminalität zu halten. Ich bin dieser Einladung gerne gefolgt. Im tagespolitischen "Courant normal" sind solche Vorträge eine willkommene Gelegenheit, sich tiefer und umfassender mit einer politischen Frage auseinander zu setzen.

Ich werde Ihnen deshalb in erster Linie meine überlegungen zu einer Gesamtstrate-gie im Kampf gegen das organisierte Verbrechen darlegen. Eine Gesamtstrategie, die nicht nur die Strafverfolgungsbehörden betrifft, sondern die alle Kräfte der Gesellschaft erfordert. Insbesondere auch diejenige der Wirtschaft.

Denn die Organisierte Kriminalität hat Berührungspunkte mit der Wirtschaft:

sie benutzen beide dieselben Instrumente und dieselben Kanäle
die Abgrenzung, wann bei einer Wirtschaftstätigkeit ein deliktisches Verhalten beginnt, ist manchmal recht fliessend
der Staat ist deshalb bei der Bekämpfung der OK auf die Unterstützung der betroffenen oder potenziell bedrohten Unternehmen angewiesen.

Das führt zu einer höheren Verantwortung der Wirtschaft gegenüber Staat und Gesellschaft, sich am Kampf gegen die Organisierte Kriminalität aktiv zu beteiligen. Ich werde deshalb den Bezug zwischen OK-Bekämpfung und Verantwortung der Wirtschaft näher ausleuchten.

In diesem Zusammenhang werde ich auch etwas tiefer auf die Geldwäschereibekämpfung eingehen, wie das von Herrn Ruloff gewünscht wurde. Das ist auch nahe liegend, denn die Schweiz ist hier als einer der weltweit führenden Finanzplätze besonders herausgefordert, sich überlegungen zu machen. In dieser Frage ist mein Departement allerdings nicht alleine tätig. Auch das Finanzdepartement hat seine Aufgaben im Bereich der Geldwäschereibekämpfung.

Und ich möchte auch vorausschicken, dass die Geldwäscherei die Folge anderer Delikte ist. Delikte, die sich unter Umständen weit weg von der Schweiz abspielen, die ihre Fäden aber oft auch bis in die Schweiz ziehen.

Die Organisierte Kriminalität

Es gibt kaum ein Land auf dieser Erde, das nicht von organisierter internationaler Kriminalität bedroht ist. Auch die Schweiz nicht. Die "alte" organisierte Kriminalität, z.B. die bekannte italienische Mafia, ist fast schon zum verklärten Mythos in Hollywood-Manier geworden.

Heute haben wir es mit einer neuen, umfassenden Dimension von OK zu tun. Kriminelle Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie rasch und äusserst flexibel auf veränderte Situationen reagieren können. Sie können oft dazu auf einfach verfügbare finanzielle Mittel zurückgreifen. Mittel, über die die Strafverfolgungsbehörden nicht verfügen.

Die Akteure des organisierten Verbrechens arbeiten grenzüberschreitend, flexibel und vernetzt. Sie sind wie ein Wirtschaftsunternehmen geschäftsmässig organisiert. Es sind eigentliche Wirtschaftsunternehmen, die allerdings ihre Gewinne aus illegaler, menschenverachtender Tätigkeit schöpfen, und diese Gewinne in die legale Wirtschaft einschleusen.

Das Ausmass der grenzüberschreitenden, internationalen Kriminalität ist enorm. Aktuelle Schätzungen internationaler Organisationen verdeutlichen dies:

Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass jährlich weltweit zwischen 1'200 Milliarden und 3'000 Milliarden Franken Geldwäschereiprozesse durchlaufen. Das sind 2 bis 5 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts!

Und gemäss der UNO beträgt das Marktvolumen des Drogenhandels jährlich etwa 600 Milliarden Franken!

Zum Vergleich: Das gesamte Budget des Bundes sieht in diesem Jahr Ausgaben von 50 Mrd. vor. Diese Relationen müssen wir uns bewusst machen. All das sprengt die Grenzen des Handlungsspielraumes nationaler Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden! Da brauchen wir uns keine Illusionen zu machen. Und trotzdem: Wir dürfen diese Situation nicht einfach hinnehmen, sondern unser Engagement ist noch mehr gefordert. Wir, die Regierung, Sie alle, tragen Verantwortung für unseren Rechtsstaat.

Ich spüre oft auch die Tendenz, dass man sagt: "Der Aufwand lohnt sich nicht, der betrieben wird, um jemanden für wenige Jahre (oder überhaupt) hinter Gitter zu bringen." Ich kann nachvollziehen, wenn man zögert, enorme Summen für Rechtshilfeverfahren und Prozessführung zu bezahlen, um dem Recht Nachachtung zu verschaffen. Aber: In welcher Welt leben wir, wenn wir aus rein finanziellen Gründen darauf verzichten wollen, Strafverfolgung zu betreiben? Das ist nicht meine Welt. Das entspricht nicht meinen Vorstellungen vom Funktionieren des Rechtsstaates.

Der Rechtsstaat hat die Verbrechen zu verfolgen, auch wenn kein eigentlicher "Return on Investment" im wirtschaftlichen Sinne dabei herausschaut. Es ist unsere Aufgabe, stabile, sichere Verhältnisse zu schaffen. Das sind, wie Sie wissen, nicht zu unterschätzende Standortbedingungen auch für die Wirtschaft. Dazu wurde der Staat von der Gesellschaft beauftragt. Er trägt die Verantwortung für die Erstellung und die Durchsetzung der Gesetze. Er ist deshalb auch als Einziger mit dem Gewaltmonopol betraut. Der Staat untersteht demgegenüber der demokratischen Kontrolle. Aus diesem Grund kann auch kein anderer als der Staat diese Aufgaben wahrnehmen, keine private Firma, kein Konzern und keine einzelne gesellschaftliche Gruppierung.

Aber der Staat allein kann seine Aufgaben nicht losgelöst von der Gesellschaft erfül-len. Er ist auf die Mitwirkung der anderen gesellschaftsrelevanten Kräfte angewiesen. Auch die Wirtschaft hat eine Verpflichtung gegenüber dem Staat und der Gesellschaft, die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität aktiv zu unterstützen.

Im weiteren brauchen wir uns auch darüber nichts vorzumachen, dass die Grenzen zwischen legaler und illegaler Geschäftstätigkeit sind nicht immer leicht erkennbar sind. Das kann für die Involvierten leicht zu einem moralischen Dilemma führen. Denn: Die organisierte Kriminalität ist für die meisten von uns eine ferne, unbekannte Sache, ohne Bezug zu unserem Alltag. Wir bringen sie meistens mit Drogen- oder Menschenhandel in Verbindung.

Aber jede und jeder von uns kann unvermittelt mit Tätigkeiten konfrontiert werden, die einen Bezug zu organisierter Kriminalität haben können. Zum Beispiel:

wenn Sie beim Verkauf der Ferienwohnung ein Angebot zu klar übersetztem Preis erhalten;
wenn Sie als Unternehmerin ein Investitionsangebot unklarer Herkunft erhalten;
oder wenn Sie als Vermögensverwalter oder Anwalt grosszügige Kommissionen für Betreuung zweifelhafter Geschäfte angeboten erhalten.

Aus meiner früheren beruflichen Tätigkeit als Wirtschaftsprüferin weiss ich, dass man immer die einfachen Fragen beantworten sollte:

Verstehe ich das Geschäft, das zur Diskussion steht?

Stimmen die Kosten-Nutzen-Überlegungen meines Geschäftspartners mit meinen Überlegungen überein? Wenn nicht, sind die Differenzen erklärbar?

Kenne ich die Rolle der Beteiligten, die dahinter stecken?

Die Lage der Schweiz

Im Gegensatz zu anderen Staaten haben sich in der Schweiz traditionell zwar keine grösseren Strukturen organisierter Kriminalität etabliert. Und wie die bisherigen Ermittlungen seit dem 11. September zeigen, lassen sich auch keine Strukturen des organisierten Terrorismus bei uns erkennen.

Doch unser Land ist von den Begleiterscheinungen kriminellen Handelns betroffen. Das eigentlich Gefährliche für die Schweiz ist die Komplizenschaft von Personen und Gesellschaften, die hier ansässig sind, mit grossen kriminellen Organisationen im Ausland. Das zeigt beispielsweise der Fall des mutmasslichen Zigarettenschmugglers Gerardo Cuomo. Der Schaden durch negative Schlagzeilen für den Finanzplatz ist gross. Wir bieten damit gegenüber Vorwürfen aus dem Ausland eine Angriffsseite, die sich auch auf einer moralischen Ebene bewegt.

Niemand will gerne bezichtigt werden, zu wenig gegen die Kriminalität zu tun. Auch ich nicht. Und ich nehme an, Sie auch nicht!

Was wir also brauchen, ist eine ebenso vernetzte, flexible und grenzüberschreitende Gegenstrategie. Weil die organisierte Kriminalität selber vernetzt, flexibel und grenzüberschreitend ist.

Um erfolgreich zu sein, wollen wir die OK aber auch dort treffen, wo sie am empfindlichsten ist, nämlich bei ihrer Wirtschaftlichkeit. Die OK und die WK sind so lange eine Plage, wie sie lukrativ sind. So lange sich damit fette Gewinne erwirtschaften lassen, werden sie immer in mehr oder weniger grossem Ausmass existieren.

Unsere Strategie / Was tun wir?

Erstens wollen wir uns zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität besser vernetzen. Damit meine ich die Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden, betroffenen Wirtschaftskreisen und der Gesellschaft. Und zwar zum Einen durch die kontrollierte Selbstregulierung durch die Unternehmen selber. Die Wirtschaft ist das Feld, auf dem sich die OK abspielt. Da mir viel an der wirtschaftlichen Freiheit liegt, will ich nicht alles und jedes durch Gesetze regeln.

Aber Freiheit bedeutet auch Verantwortung, Verantwortung für die Sicherung dieser Freiheit. Ich nehme hier das Beispiel der Geldwäschereibekämpfung, weil dies für die Schweiz als einer der weltweit führenden Finanzplätze ein sehr wichtiger Bereich ist. Es braucht die Kooperationsbereitschaft und es braucht das aktive Engagement der Banken selber, um die organisierte Kriminalität an einem ihrer wichtigsten Nerven zu treffen, nämlich bei der Geldwäscherei.

Die Bankiervereinigung hat bei der Geldwäschereibekämpfung mit der Vereinbarung über Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB) eine Pionierrolle gespielt. Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit. Die Sorgfaltspflicht ist in der Bekämpfung der Geldwäsche ein komplexes und gleichermassen grundlegendes Konzept.

Die Statistik der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) im Bundesamt für Polizei (BAP) zeigt, dass rund drei Viertel aller Meldungen wegen Verdachts auf Geldwäscherei von Bankinstituten kommen. Die Qualität der gemachten Meldungen ist im Vergleich zum Ausland ausgesprochen gut: Deutlich mehr als 70 Prozent der Meldungen können von der Meldestelle für Geldwäscherei wegen begründetem Verdacht an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden. Im Ausland gehen zwar teilweise deutlich mehr Meldungen ein; davon wird aber nur ein sehr kleiner Teil auch als relevant erachtet und an die Strafverfolger weitergeleitet.

Ausserhalb des Finanzsektors im engeren Sinn bestehen allerdings noch gewisse Lücken bei der Bekämpfung der Geldwäscherei. Eine Untersuchung einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Wirtschaftskriminalität in Europa hat er-geben, dass in Europa nur knapp die Hälfte der befragten Unternehmen interne Richtlinien zur Meldung von Wirtschaftsdelikten an die Behörden festgelegt haben. In der Schweiz verfügt aber lediglich ein gutes Drittel der befragten Unternehmen über solche Richtlinien.

Zudem: Fast die Hälfte der in der Schweiz befragten Unternehmen melden wirt-schaftskriminelle Delikte erst ab einer bestimmten Deliktsumme. In Europa verfügen etwa vier von zehn Firmen über eine solche Schwellenwertregelung. Statt also kon-sequent mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, versucht gemäss dieser Untersuchung ein guter Teil der schweizerischen und der europäischen Firmen, wirtschaftskriminelle Vorfälle gütlich zu regeln.

Ich kann diese Regelung und dieses Vorgehen zwar nachvollziehen, aus der Sicht des Unternehmers. Aber ich halte das für gefährlich! Dadurch wird eine Mentalität des "Es-ist-alles-erlaubt,-was-nicht-ausdrücklich-verboten-ist" gefördert. Dieser Hal-tung, dieser Mentalität, will ich energisch engegentreten. Vor allem, wenn es um Organisierte und Wirtschaftskriminalität geht! Hier appelliere ich an die Wirtschaftsunternehmen, sich gemeinsam mit dem Staat verstärkt dem Kampf gegen die interna-tionale Kriminalität zu verschreiben. Weil es letztlich auch darum geht, gemeinsam Bedingungen für ein vertrauenswürdiges Wirtschaftsklima zu schaffen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Werkplatzes Schweiz zu erhalten. Das können wir nicht delegieren, dafür müssen wir schon gemeinsam sorgen.

Die Banken haben mit ihren Standesregeln ja gezeigt, dass Selbstregulierung funktionieren kann. Andere Branchen sollten dem Beispiel der Banken folgen. Auch ausserhalb des Finanzsektors tätige Unternehmen sind aufgerufen, ihre Verantwortung wahrzunehmen und Wirtschaftsdelikte konsequent und unabhängig von bestimmten Schwellenwerten den zuständigen Behörden zu melden. Die Wahrnehmung dieser moralischen Verantwortung liegt im langfristigen Eigeninteresse der Wirtschaft. Die erfolgreiche Abwehr krimineller Angriffe auf unseren Wirtschafts- und Finanzplatz setzt bei den präventiven Vorkehrungen in den Betrieben an.

Standesregeln lassen sich übrigens auch als Qualitätszeichen vermarkten. Dies zeigt beispielsweise die Initiative von elf weltweit tätigen Grossbanken, die sich im Dezember 2000 in den so genannten Wolfsberg Principles freiwillig zu einer verstärkten Bekämpfung der Geldwäscherei verpflichtet haben.

Aber nicht nur die Selbstregulierung steht hier zur Diskussion. Die Wirtschaft ist zum anderen auch eine zentrale politische Kraft. Ich meine das nicht im Sinne: "Wer zahlt, befiehlt". In unserer Gesellschaft regiert eben nicht nur das Geld, sondern es gibt auch Werte zu verteidigen. Werte wie unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung oder wie die Solidarität unter den Einwohnerinnen und Einwohnern, auf der im Wesentlichen der Landesfeinden beruht. Das sind Werte, die auch der Wirtschaft als Basis dienen und die geschützt werden müssen. Also trägt auch sie eine wesentliche Verantwortung mit, diese Werte zu erhalten und zu schützen. Das setzt auch politisches Engagement voraus.

Ich bin mir aber nicht so ganz sicher, ob sich alle Unternehmer unseres Landes dessen auch wirklich bewusst sind. Und wenn sie es sind, bin ich mir auch nicht sicher, ob sie bereit sind, die damit verbundene Mitverantwortung gegenüber der Gesellschaft auch wahrzunehmen. Auch die zum Teil heftige Gegenwehr einzelner Finanzintermediäre gegen die Unterstellung unter das Geldwäschereigesetz lassen bei mir gewisse Zweifel am Willen gewisser Wirtschaftskreise aufkommen, den Kampf gegen die Kriminalität zu unterstützen. Diese Entwicklung ist kontraproduktiv. Solche Vorfälle lassen insbesondere am Willen zweifeln, langfristig zur Sicherheit, zur Stabilität und zur Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schweiz beitragen zu wollen. Das schadet auch unserem internationalen Ansehen und führt zu internationalem Druck, wie etwa auf das Bankgeheimnis. Und schliesslich besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft selber durch die OK unterlaufen wird. Mir ist durchaus bekannt, dass vielen Betroffenen der Aufwand unverhältnismässig vorkommt oder dass sie am Vor-gehen der Behörden zweifeln. Darüber kann man diskutieren, das ist meines Erachtens legitim. Sich aber der Kontrolle entziehen zu wollen, darf nicht die Konsequenz sein!

Ich komme zum zweiten Punkt unserer mehrdimensionalen Strategie: Wir wollen mehr Flexibilität in der Verbrechensbekämpfung erhalten. Wir wollen rasch, zielgerichtet und effizient auf sich verändernde Bedrohungsbilder reagieren können. Dies setzt voraus, dass wir zur richtigen Zeit die richtigen Mittel zur Verfügung haben, um den Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu meistern. Und das geht nur, wenn wir die nötigen Instrumente und Strategien vorher bereitstellen.

Dazu gehört auch die Steigerung der Kapazitäten und der Professionalität der Strafverfolgungsbehörden, wie sie durch die Effizienzvorlage verlangt wird. Seit Anfang dieses Jahres liegt die Kompetenz zur Strafverfolgung gegen die OK und gegen schwere Fälle von Wirtschaftskriminalität beim Bund. Das bedeutet einen Ausbau unserer Kapazitäten bei der Bundesanwaltschaft, beim Bundesamt für Polizei und beim Eidgenössischen Untersuchungsrichteramt bis 2004 von 120 auf rund 550 Stellen. 120 davon sind bereits besetzt.

Wir brauchen hier nicht nur Polizisten, sondern wir brauchen auch Fachleute aus der Wirtschaft - EDV-Spezialisten, Banken-Spezialisten etc. Leute also, die über Erfahrungen aus der Wirtschaft verfügen. Seit rund einem halben Jahr unterstützen wir gemeinsam mit der Wirtschaft und den Kantonen das Nachdiplomstudium zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. Es wird an den Wirtschaftsfachhochschulen Luzern und Neuenburg angeboten. Das Ziel ist die Ausbildung von Spezialisten, die sowohl bei den Behörden als auch bei den Unternehmen eingesetzt werden können, um Wirtschaftskriminalität zu erkennen und zu bekämpfen.

Das ist in meinen Augen ein zentraler Aspekt: Der Austausch zwischen Praktikern aus der Wirtschaft und Praktikern aus der Verbrechensbekämpfung. Hier sind Staat und Wirtschaft in einer direkten Partnerschaft eingebunden. Ich erwarte hier auch von allen Partnern ein starkes Engagement und danke all jenen, die sich dafür einsetzen.

Das dritte Element unserer Strategie ist der Ausbau der internationalen Zusammenarbeit. Die internationale Zusammenarbeit ist für die erfolgreiche Bekämpfung gegen die OK entscheidend. Dazu gehören die Intensivierung der internationalen Zusam-menarbeit der Justiz- und Polizeibehörden, die Durchsetzung hoher einheitlicher Standards auf internationaler Ebene für die Verbrechensbekämpfung und die Mitberücksichtigung bei Entscheiden, die sich auf unser Land auswirken.

Die Wirtschaft mit ihren internationalen Kontakten und Einflussmöglichkeiten spielt für unseren liberal geprägten Staat da natürlich wiederum eine zentrale Rolle. Niemand kennt die Auswirkungen von Globalisierung und Mobilität besser als sie. Es gibt allerdings immer noch Leute, die meinen, eine politische Abschottung würde sich mit der wirtschaftlichen Offenheit unseres Landes vereinbaren lassen. Gerade im aktuellen Abstimmungskampf um den UNO-Beitritt höre ich immer wieder als Argument, damit liessen sich die grenzüberschreitenden Gefahren abwenden. Aber diese Leute scheinen eines vergessen zu haben: Geschlossene Grenzen sind geschlossene Grenzen in beide Richtungen.

Ich habe immer wieder betont: Eine Grenze-Dicht-Politik ist der falsche Weg. Sowohl in der Migrationspolitik wie auch im Bereich der Inneren Sicherheit. Das ist keine Frage der politischen Ideologie sondern hat mit realistischer Einschätzung zu tun. Wir brauchen einen Ausbau der internationalen Kooperation. Zum einen kommen wir nicht darum herum, uns mit dem europäischen Sicherheitsraum zu befassen. Zum anderen spielt aber auch zunehmend die globale Dimension eine Rolle.

Der europäische Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist die logische Folge des europäischen Binnenmarktes. Mit "Schengen" hat die EU - als Kompensation zur Abschaffung der Binnengrenzen - ein wirksames Netz im Bereich der poli-zeilichen und justiziellen Zusammenarbeit errichtet. Ein Netz, das sie ständig ausbaut. Wir haben mit den Bilateralen sektoriellen Verträgen Ja gesagt zu diesem europäischen Binnenmarkt. Es liegt deshalb in unserem eigenen Interesse, auch Ja zu sagen zur europäischen Sicherheitszusammenarbeit, in welcher Form auch immer.

Schengen ist der Kern dieser Sicherheitszusammenarbeit und damit auch Kern unserer Strategie der europaweiten Kooperation. Das Schengener Informationssystem gilt als Herzstück einer effizienten Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung allgemein. Und damit auch gegen typische OK-Delikte wie Menschenschmuggel, Drogenhandel, Autoschieberei u.a.m.

Ich denke, wir würden unserer Verantwortung für die Sicherheitsinteressen unseres Landes nicht gerecht, wenn wir die Chance nicht genutzt hätten, hier in die Verhandlungen mit der EU einzusteigen. Verschiedene Leute, auch aus Wirtschaftskrei-sen, stehen unserem Vorgehen allerdings nach wie vor immer noch kritisch gegenüber. Insbesondere was den Bereich der Rechtshilfe betrifft, der im Schengener Acquis über die justizielle Zusammenarbeit ebenfalls thematisiert ist.

Ich denke aber: Wer für die wirtschaftliche öffnung ist - und das ist ja die Mehrheit in unserem Land, wie die Abstimmung über die bilateralen Verträge im Mai 2000 ge-zeigt hat -, wer den Zugang zu den Märkten fordert, der sollte eigentlich auch bereit sein, diesen Zugang abzusichern. Denn jede wirtschaftliche öffnung eröffnet ja auch neue Möglichkeiten für die internationale organisierte Kriminalität. Und zwar bereits heute schon.

Forderungen, wonach der bilaterale Weg abgebrochen und stattdessen der EU-Beitritt vorangetrieben werden soll, kann ich nicht nachvollziehen. Ich finde es staatspolitisch und auch aus der Sicht der schweizerischen Sicherheitsinteressen falsch, Schengen abzulehnen, weil ein EU-Beitritt mehr bringen würde. Das hiesse, das zurzeit Unmögliche zu fordern, um das heute Mögliche zu verhindern. Wir können die heutigen Herausforderungen an die Innere Sicherheit nicht ignorieren. Die Lösungssuche kann nicht beliebig lange hinausgeschoben werden.

Der Bundesrat will deshalb diese Verhandlungen um einen Schengen-Beitritt der Schweiz führen. Und der Bundesrat wird nach Abschluss der Verhandlungen eine eingehende Beurteilung der Ergebnisse vornehmen. Ich habe deshalb auch kein Verständnis für jene, die von Beginn weg eine Mitwirkung an Schengen ablehnen, mit der Begründung, es gäbe zu viele offene Fragen. Wenn man nicht bereit ist, die Beantwortung dieser offenen Fragen aktiv anzugehen, dann nimmt man die Verant-wortung nicht wahr!

So viel zur europäischen Zusammenarbeit.

Auf der globalen Ebene hat die UNO als einzige weltumspannende Organisation längst eine zentrale Rolle in der globalen Verbrechensbekämpfung eingenommen. Sie ist damit auch für die innere Sicherheit unseres Landes ein wichtiger Eckstein.

Denn: Wir wollen erstens, dass weltweit einheitliche Standards für die Verbrechens-bekämpfung durchgesetzt werden. Unter der Schirmherrschaft der UNO werden Konventionen beschlossen, welche die Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung auf globaler Ebene verbessern.

So haben die Vereinten Nationen schon vor dem 11. September 2001 eine ganze Reihe von übereinkommen gegen die organisierte Kriminalität geschaffen: zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, gegen transnationale organisierte Kriminalität, zur Bestrafung von Taten des organisierten Verbrechens und der Geldwäscherei. Ich brauche wohl nicht speziell zu betonen, wie zentral diese Abkommen für unseren international führenden Bankenplatz sind! Ein ähnliches übereinkommen will die UNO auch bei der Bekämpfung der Korruption ausarbeiten.

Ich werde oft gefragt, was denn nun die Schweiz noch machen müsse, um diese Standards zu erfüllen. In der Regel ist es eben gerade umgekehrt: Solche Standards sind Minimalstandards, welche wir bereits erfüllen. Und es ist unser Interesse, dass möglichst viele Staaten dieser Erde diese Minimalstandards erfüllen.

Wir wollen zweitens, dass die Ursachen von internationalen Verbrechen an den Wur-zeln angepackt werden. Die UNO spielt weltweit eine führende Rolle bei der Ursachenbekämpfung von internationaler Kriminalität und Migration. Ich nenne einige Stichworte: Sicherheit, Frieden, Menschenrechte, Förderung der Demokratie, Abbau sozialer Gegensätze und humanitäre Hilfe, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Hier sollen alle Nationen zusammensitzen. Wir auch!

Und wir wollen alle Bereiche miteinander koordinieren können! Das können wir nicht, wenn wir nur in den einzelnen Untergruppen der UNO sitzen. Die UNO-Vollversammlung ist sozusagen der einzige globale "runde Tisch", an dem alle gleichzeitig Platz nehmen. Wir wollen ja nicht bloss mithören, sondern wir wollen, dass unsere Stimme tatsächlich zählt.

Es freut mich, dass sich die Wirtschaft stark für den Beitritt engagiert. Und ich hoffe, dass es uns gemeinsam gelingen wird, dass Volk - und Stände! - am 3. März dem UNO-Beitritt zustimmen werden. Ich zähle aber auch darauf, das jeder Einzelne selber an die Urne geht. Auch das ist eine Form der moralischen Verantwortung.

Schluss

Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit. Wir bewegen uns hier auf der recht heiklen Gratwanderung zwischen der Garantie der Sicherheit für unsere Bevölkerung und der Wahrung der Freiheit jedes Einzelnen.

Ich will unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Kräfte immer wieder die richtige Balance finden. Man hat uns von verschiedenster Seite nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 das Lob entgegengebracht, dass wir nicht überreagiert hätten. Ein selten einmütiges Urteil. Aber wir dürfen uns nicht blenden lassen: Der 11. September war zwar ein sichtbares Zeichen des internationalen Terrorismus. Und je nach Organisation werden seine Ressourcen auch aus der organisierten Kriminalität geschöpft.

Die organisierte Kriminalität ist aber auf der Strasse, für den Bürger und für die Bürgerin meist kaum spürbar. Was auch schon manche dazu verleitet hat, zu behaupten, sie würde überschätzt oder sei gar nicht vorhanden. Dabei sind wir gerade hier am meisten gefordert!

Wir müssen ebenso wie die organisierte Kriminalität grenzüberschreitend, professionell und vernetzt denken und agieren. Wenn wir erfolgreich sein wollen, dann müssen die gesellschaftlichen Kräfte, insbesondere Wirtschaft und Staat, zusammenspannen:

Der Staat hat eine Verpflichtung, seine Bürger auch vor den nicht so sichtbaren Gefahren zu schützen. Ohne dass er dazu gleich zu einem Polizeistaat mutiert. Das ist nicht unsere Absicht!

Die Wirtschaft hat eine Verpflichtung gegenüber dem Staat, ihn in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zu unterstützen.

Darauf zähle ich!

Die Bekämpfung der internationalen Kriminalität: grenzüberschreitend - flexibel - vernetzt