0 - Einführung

Ein Berater, ein Banker und ein Beamter reden darüber, was sie mit ihrem Bonus machen. „Ich mache drei Wochen Golfferien und mit dem Rest kaufe ich eine Yacht“, sagt der Berater. Darauf der Banker: „Ich habe mir einen Ferrari gepostet und mit dem Rest kaufe ich eine Villa auf den Bahamas.“ Nun schauen die beiden zum Beamten, der sagt: „Ich kaufe mir einen schönen Pullover.“ – „Und der Rest?“, fragen die beiden Kollegen. - „Den schiesst mir meine Mutter vor.“

Guten Abend, meine Damen und Herren.

Bei der Frage der Löhne und Vergütungen gehen die Wogen der Empörung – nicht ganz unverständlicherweise – hoch. In der Bewältigung der Finanzkrise spielt sie aber eingestandenermassen nicht die entscheidendste Rolle. So werde ich in meinem Referat „Politische Herausforderungen für den Finanzplatz Schweiz“ aus Zeitgründen nicht näher darauf eingehen.Zuerst möchte ich ein paar Gedanken äussern zur Grosswetterlage an den internationalen Finanzmärkten, die von den Begriffen Euro und Schuldenkrise geprägt wird. Zweitens werde ich die Herausforderungen umreissen, die sich für die Schweiz im internationalen Finanz- und Steuerumfeld stellen. Und drittens möchte ich darlegen, wie die Schweiz konkret diese Herausforderungen zu meistern gedenkt.

Ich freue mich ganz besonders, dies heute in diesem Rahmen zu tun, mitten im Zürcher Finanzdistrikt, bei der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft des Kantons Zürich. Die ZVG engagiert sich seit jeher besonders im Dialog zwischen Politik und Wirtschaft. Ich bedanke mich für die Einladung, an diesem Dialog teilzunehmen.  

1 – Zum aktuellen Umfeld der internationalen Finanzmärkte

Zurzeit bestimmen hauptsächlich zwei Phänomene die „ökonomische Grosswetterlage“ an den Finanzmärkten: Die ökonomischen Auswirkungen der Katastrophe in Japan möchte ich dabei ausklammern, weil deren Ausmass noch nicht absehbar ist.

Das erste „Tiefdruckgebiet“ der globalen Finanzkrise mit Schwerpunkt über den USA hat sich zwar wieder etwas verzogen. Doch die Nachwirkungen sind immer noch spürbar. Die Sanierung der angeschlagenen Banken ist noch nicht abgeschlossen und hat in manchen Ländern tiefe Spuren in den Staatskassen hinterlassen. Und schon kommt vom südlichen und westlichen Rand Europas her eine zweite Front im Form der Euro-Krise aufgezogen.Zu dieser Euro-Krise möchte ich nun zuerst ein paar Gedanken äussern. Ich beschränke mich dabei auf drei Thesen:

Zunächst einmal: Die „Euro-Krise“ ist keine Währungskrise.

„Euro-Krise“ ist ein eher unglücklicher Begriff. Denn sowohl der Innenwert als auch der Aussenwert des Euro sind beachtlich stabil. Dies belegt einerseits die tiefe Inflation im Euroraum. Bezüglich Inflation schneidet der Euro seit seinem Bestehen sogar besser ab als die D-Mark. Andererseits war auch der Wechselkurs  gegenüber anderen Hauptwährungen ziemlich stabil. Gegenüber dem Dollar hat der Euro seit seiner Einführung sogar aufgewertet. Die Euro-Krise ist also keine Währungskrise.Vielmehr handelt es sich um eine Schuldenkrise einzelner Staaten. Diese ist wegen ungenügender Haushaltsdisziplin und Wettbewerbsfähigkeit entstanden – oder wie im Fall Irlands wegen staatlicher Stützung eines maroden Bankensystems. Mit ihren hohen Schuldenquoten erfüllen die meisten Euroländer die Maastricht Kriterien bei weitem nicht – dies ganz im Gegensatz zur Schweiz.

Diese Schuldenproblematik würde sich auch ohne Währungsunion nicht in Luft auflösen, sondern lediglich anders auswirken. So könnten in einem System mit nationalen Währungen die angeschlagenen Länder zwar ihre Wettbewerbsfähigkeit durch eine Abwertung ihrer Währung vorübergehend erhöhen. Dies würde aber für die ausländischen Gläubiger faktisch dasselbe bedeuten wie ein Teilbankrott im Rahmen der Währungsunion. Daneben könnten die betroffenen Staaten auch  ihre Schulden mit einer expansiven nationalen Geldpolitik „weginflationieren“. Dadurch würden die wirtschaftlichen Probleme aber nur verlagert und nicht gelöst. Dass eine eigene Währung keine Gewähr für solide Staatsfinanzen bietet, zeigen unter anderen die USA und Japan. Auch diese Länder leiden unter massiven Haushaltsproblemen –  wobei Japan zur Zeit noch ganz andere, dramatische Herausforderungen zu bewältigen hat. 

Zweitens: Die Spekulation der Finanzmärkte ist nicht die Ursache der Krise.

Die gegenwärtigen Probleme der Eurozone wurden kaum von der Spekulation verursacht – auch wenn dies häufig behauptet wird. Die Spekulation ist eher eine Folgeerscheinung und nicht der Auslöser der Probleme. Zwar leiden Länder wie Griechenland oder Portugal tatsächlich unter deutlich höheren Finanzierungskosten als noch vor fünf Jahren. Die gestiegenen Zinsaufschläge für Staatsanleihen widerspiegeln aber nur das gestiegene Ausfallrisiko dieser Staaten und damit deren Haushaltsprobleme. Die Zinsaufschläge sind ein wichtiges Warnsignal.Man kann den Finanzmärkten also nicht vorwerfen, dass sie Druck ausüben. Vielmehr muss man ihnen vorwerfen, dass sie dies nicht schon viel früher taten und die schwache Bonität einzelner Länder mit entsprechenden Risikoprämien bestraften. Denn das Ausbleiben dieses disziplinierenden Mechanismus‘ in den ersten Jahren des Euros hat die Verschuldung dieser Länder begünstigt. Bleibt die Frage, warum die Märkte hier versagt haben. Dies mag zum einen an einer anfänglichen Fehlbeurteilung der Risiken gelegen haben: Eine Währungsunion eliminiert zwar das Wechselkurs-, nicht aber das Staatsbankrottrisiko. Gravierender war aber zum anderen, dass die Finanzmärkte darauf vertrauten, dass die andern Eurostaaten einem säumigen Schuldner in der Not zu Hilfe eilen würden. Mit anderen Worten: Die Kreditgeber haben die Nicht-Beistandsklausel – die No bail out Regel – in den Maastrichter Verträgen nicht ernst genommen. Offensichtlich zu recht, wie wir heute wissen. Dieses Beistandsverbot war von Anfang an unglaubwürdig. Sie können dies mit der Situation der Rettungsflugwacht Rega vergleichen: Auch diese kann leichtsinnigen Bergsteigern nicht glaubhaft androhen, sie im Notfall in der Eigernordwand hängen zu lassen. Jeder kann antizipieren, dass die Rega diese Drohung nicht umsetzen würde. Und deshalb werden Jahr für Jahr unerfahrene oder leichtsinnige Bergsteiger aus der Eigernordwand geholt. Denn diese Bergsteiger spekulierten, genau wie die Kreditgeber an die peripheren EU-Länder, auf ihre Rettung. Ich komme nun zu meiner 

Dritten These: Rettungsschirme allein genügen kaum.

Die bis dato geschnürten Rettungspakete erlaubten eine willkommene Verschnaufpause und verhinderten eine weitere Eskalation. Die Schulden wurden dadurch aber noch nicht eliminiert. Letztlich kann man den Pelz nicht waschen, ohne dass er nass wird. Dies verdeutlicht etwa das Beispiel Griechenlands: Allein um die hohe Schuldenquote zu stabilisieren, bräuchten die Griechen massive Haushaltsüberschüsse: Gemäss Berechnungen der OECD müssten in den kommenden Jahren jeweils Überschusse vor Zinsen in der Höhe von 3.5% des BIP erzielt werden; wobei in dieser Berechnung der steigende Finanzbedarf für die alternde Bevölkerung noch nicht berücksichtigt ist. Im aktuellen Umfeld erscheinen solche Zahlen wenig realistisch. Ohne einschneidende Änderungen wird die Schuldenkrise deshalb wohl kaum zu lösen sein.

So braucht es einerseits die kurzfristig schmerzhaften Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU zur unmittelbaren Gesundung der Staatsfinanzen. Andererseits sind auch langfristige Massnahmen zur Verbesserung der Haushaltspolitik unerlässlich. Eine Verschärfung und konsequentere Durchsetzung der Maastricht Kriterien ist ein Beispiel hierfür. Dies wird auch Thema sein am EU Gipfel vom kommenden Donnerstag und Freitag. Darüber hinaus gilt es aber auch, ein geordnetes Insolvenz- und Umschuldungsverfahren für bankrotte Länder zu entwickeln.

Was bedeuten diese Ausführungen für die Schweiz? Die Lösung der Schuldenkrise im Euroraum ist für unsere international und insbesondere mit Europa eng vernetzte Volkswirtschaft von zentralem Interesse. Denn bei einer weiteren Eskalation der Krise wäre unsere Exportwirtschaft durch eine weitere Aufwertung des Frankens und eine schwache Auslandsnachfrage bedroht. Und die Instabilität an den internationalen Finanzmärkten würde zur grossen Belastung für den international ausgerichteten Finanz- und Unternehmensstandort Schweiz. Der politische Wunsch, etwas gegen die Krise zu tun, ist also gross.

Gleichzeitig müssen wir aber eingestehen: Unsere direkten Einflussmöglichkeiten auf die Schuldenkrise im Euroraum sind begrenzt. Die Schweiz hat diese Krise nicht verursacht und kann sie als Nicht-Mitglied des Eurosystems auch nicht lösen. Die Politik kann höchstens die Folgen für die bei uns betroffenen Wirtschaftszweige punktuell etwas abfedern. Und wir können im Rahmen des IWF einen Beitrag zur Stabilisierung des Finanzsystems leisten. Darauf werde ich später zurückkommen. 

2 – Herausforderungen für die Schweiz

Damit komme ich zum zweiten Teil meiner Ausführungen. Welche Herausforderungen stellen sich für die Schweiz angesichts der eben geschilderten Ausgangslage?

Wenn wir nur auf uns selber schauen würden, auf unseren Bauchnabel, dann könnten wir feststellen, dass es uns im internationalen Vergleich relativ gut geht. Die Schweiz konnte ihre Staatsschulden in der Krise sogar reduzieren. Die Wirtschaft hat sich weitgehend erholt, die Arbeitslosigkeit ist im internationalen Vergleich tief und in internationalen Umfragen über die wettbewerbsfähigsten Länder schneiden wir immer noch sehr gut ab.Aufgabe der Politik ist es bekanntlich aber, über die eigenen Mauern hinaus zu schauen. Und dabei müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass starke internationale Begehrlichkeiten in Richtung Schweiz zielen. Solche gab es zwar schon früher. Aber die weltweite Krise hat bestehende Begehrlichkeiten und Entwicklungen verstärkt.

Drei Herausforderungen, auf die ich heute eingehen möchte, lassen sich für die Schweiz daraus ableiten:

Erstens: Der massive Druck auf das Bankgeheimnis und auf das Schweizer Steuersystem belastet die Zukunft des Finanz- und Unternehmensstandorts. Dies erfordert eine klare Strategie.

Zweitens: Als vergleichsweise kleines Land mit grossen und weltweit führenden Finanzinstituten sind Systemrisiken besonders ausgeprägt. Diese sind zu minimieren, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen.

Die dritte Herausforderung besteht in den Reformen des internationalen Finanzsystems zur Erhöhung der Finanzstabilität. Für die Schweiz gilt es, diese Reformprozesse aktiv und konstruktiv mitzugestalten. 

3 – Was die Politik tun kann

Wie reagiert die Politik auf diese Herausforderungen? Dies möchte ich im dritten Teil meiner Ausführungen erläutern.

Der letztes Jahr verstorbene Schweizer Uhrenunternehmer Nicolas Hayek hat einmal gesagt: „Meistens ist es gut, genau das Gegenteil dessen zu tun, was Finanzanalysten raten.“ Nun, das mag für unternehmerische Entscheide ein hilfreicher Ratschlag sein, schliesslich war Hayek ein erfolgreicher Unternehmer. In der Politik halten wir uns eher an eine Devise des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton, der gesagt hat: „Wir können nicht alles tun, aber wir müssen tun, was wir können.“ Und natürlich soll das, was wir tun, dauerhaft wirken, oder wie es der Schriftsteller Robert Musil einst formulierte: „Nie ist das, was man tut, entscheidend, sondern immer erst das, was man danach tut.“

  3.1. Abgeltungssteuer

Ich komme zur ersten erwähnten Herausforderung, den Steuern. Durch die eingangs erwähnte Schuldenkrise haben sich die Begehrlichkeiten an die Schweiz erhöht. Mit seiner Weissgeldstrategie hat der Bundesrat im Februar 2010 klar gemacht, dass die Schweizer Finanzplatzpolitik konsequent auf die Verwaltung versteuerter Vermögen setzt.Auf der einen Seite haben die Staaten ein legitimes Interesse an Steuereinkommen, auch aus den Erträgen jenes Kapitals ihrer Bürger, das auf Schweizer Bankkonten liegt. Auf der anderen Seite haben die Bankkunden ein genauso legitimes Interesse am Schutz ihrer Privatsphäre. Zusätzlich haben die Banken ein Interesse daran, wettbewerbsfähig zu sein. Lange Zeit wurde die Verwaltung unversteuerter Gelder als ein solcher Wettbewerbsvorteil angesehen. Dies hat sich geändert. Die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, dass unversteuerte Gelder längerfristig weder im Interesse der Schweiz noch in jenem der Banken sind.

Wie bringen wir die Interessendivergenz zwischen dem Steueranspruch des anderen Staates und dem Recht auf Schutz der Privatsphäre des Kunden unter einen Hut? Wir sind überzeugt, dass dies mit der Kombination der beiden Instrumente „verbesserte Amtshilfe“ und „Quellenbesteuerung“ gelingt. Mit beiden durften wir gute Erfahrungen machen:

a)    Das Instrument der verbesserten Amtshilfe setzen wir im Rahmen der neuen beziehungsweise angepassten Doppelbesteuerungsabkommen gemäss OECD-Standard um. Über 30 solcher revidierter DBA wurden bereits abgeschlossen. Für uns nicht in Frage kommt hingegen ein automatischer Informationsaustausch. Denn erstens verletzt er die Privatsphäre unnötig und zweitens ist er nicht effizient – er produziert primär Daten und kein Geld.

b)    Das zweite Instrument, die Quellenbesteuerung, kennen wir auf nationaler Ebene mit der Verrechnungssteuer seit 1944. Sie ist übrigens mit 35 Prozent eine der höchsten in ganz Europa. Auf internationaler Ebene kennen wir sie mit der EU-Zinsbesteuerung seit 2005. Dieses bewährte System möchten wir ausbauen. Mit Deutschland und Grossbritannien verhandeln wir zurzeit über die Regularisierung unversteuerter Altgelder und über eine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge ihrer Bürger in der Schweiz.

Ich kann Ihnen hier nicht Details aus den laufenden Verhandlungen darlegen, auch wenn Sie das vielleicht gerne hören würden. Es gilt der Grundsatz: „Silence: on négocie.“ Aber ich kann Ihnen sagen, die Verhandlungen laufen auf Hochtouren, mit Treffen in hoher zeitlicher Kadenz in Bern, Berlin und London. Im Laufe des Frühlings sollen Ergebnisse vorliegen.

Wir sind zuversichtlich, dass es damit gelingen könnte, dauerhaft Rechtssicherheit zu schaffen. Gerade in der Vermögensverwaltung ist Rechtssicherheit im wahrsten Sinne Gold wert. Wenn es ums Geld geht, erst recht ums eigene, wollen die Kunden klare und auf Dauer verlässliche Regelungen.

Rechtssicherheit steht übrigens auch im Vordergrund, wenn wir mit den USA über die Umsetzung der neuen US-amerikanischen Regulierungen namens FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act) sprechen. Es braucht klare und möglichst einfache Lösungen, damit nicht unabsehbare Rechtsrisiken entstehen. Sonst steht jeder, der mit den USA geschäftet, ohne es zu wissen mit einem Bein im Gefängnis. 

3.2. Too big to fail

Damit komme ich zur zweiten Herausforderung. Die Schweiz hat mit den Grossbanken zwei Institute, bei denen sich gewisse Funktionen im Krisenfall nicht einfach kurzfristig durch andere Marktteilnehmer übernehmen liessen und deren Konkurs weite Teile der Wirtschaft gefährden könnte. Sie bergen Systemrisiken, wie die Krise im Fall UBS gezeigt hat.

Der Bundesrat hat deshalb am 22. Dezember des letzten Jahres ein Massnahmenpaket für den Umgang mit Systemrisiken von Grossbanken vorgeschlagen. Systemrelevante Banken sollen gemäss Entwurf höhere Eigenmittel halten, strengere Liquiditätsvorschriften erfüllen und ihre Risiken besser verteilen. Sie sollen so organisiert sein, dass auch bei drohender Insolvenz systemwichtige Funktionen für die Volkswirtschaft gewährleistet sind. Um die Ausgabe von neuem Vorrats- und Wandlungskapital in der Schweiz zu fördern, schlägt der Bundesrat zudem steuerliche Massnahmen vor.Das Massnahmenpaket soll verhindern, dass durch die Schieflage einer Grossbank die ganze Volkswirtschaft in Bedrängnis gerät, und dass der Staat solche Banken deshalb mit Steuergeldern retten muss. Es soll keine Banken mehr geben, die zu gross sind, um vom Staat fallengelassen zu werden („Too big to fail“).

Übermorgen läuft die Vernehmlassungsfrist für diese Too big to fail-Vorlage des Bundesrates ab. Die Vernehmlassung wurde rege benützt. Wir werden die Stellungnahmen in den kommenden Wochen auswerten und allenfalls noch Anpassungen vornehmen. Für eine abschliessende Beurteilung ist es deshalb noch zu früh. Noch vor Ostern will der Bundesrat die Gesetzesvorlage dem Parlament unterbreiten.

Interessanterweise haben sich in der Öffentlichkeit zwei Bankenchefs aus genau gegenteiligen Gründen kritisch zu den Plänen des Bundesrates geäussert. Der eine, ein Deutscher an der Spitze einer Schweizer Grossbank, befürchtet durch die Massnahmen einen Wettbewerbsnachteil für die Schweiz, weil die hiesigen Grossbanken strengere Auflagen erfüllen müssten. Der andere, ein Schweizer an der Spitze einer deutschen Grossbank, befürchtet umgekehrt einen Wettbewerbsvorteil für die Schweiz, weil der Markt seine Bank zwingen werde, die Schweizer Vorschriften nachzuvollziehen.

Man kann aus diesen zwei kritischen Äusserungen durchaus den Schluss ziehen, dass die Vorschläge des Bundesrates ausgewogen sind. Langfristig betrachtet wird die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes durch die vorgeschlagenen Massnahmen nach unserer Einschätzung nicht beeinträchtigt – im Gegenteil. Es gibt zwar eine Tendenz, dass Finanzgeschäfte einer strengen Regulierung ausweichen. Doch eine Regulierung, welche die Stabilität erhöht, ist zweifellos auch ein Wettbewerbsvorteil. Denn der volkswirtschaftliche Nutzen stabiler Banken ist unbestritten. Wir wollen also einen sicheren Finanzstandort ohne gravierende Systemrisiken, aber gleichzeitig auch einen wettbewerbsfähigen Finanzstandort ermöglichen, der international erfolgreich ist und Wohlstand und Arbeitsplätze in der Schweiz schafft.  

3.3. Reform der internationalen Finanzarchitektur

Ich komme zur dritten Herausforderung. Die Schweiz als bedeutender Finanzplatz mit einer eigenen Währung kann in der Debatte zur Reform der internationalen Finanzarchitektur einen wichtigen Beitrag leisten. Sie tut dies vor allem im Rahmen internationaler Organisationen wie dem IWF oder auch dem Financial Stability Board (FSB), die bei diesen Reformen und der Krisenbewältigung eine zentrale Rolle spielen.

So ist der IWF seit Jahren daran, seine Instrumente zu modernisieren und auch seine Mittelausstattung zu erhöhen. Erfreulicherweise hat das eidgenössische Parlament in der eben beendeten Frühlingssession beschlossen, dazu einen markanten Beitrag zu leisten und im Rahmen der sogenannten „Neuen Kreditvereinbarungen“ die Kreditzusagen der Schweiz an den IWF zu erhöhen. Unser Engagement verpflichtet uns natürlich, den Einsatz der Mittel weiterhin kritisch zu begleiten. Selbstverständlich kann man gegen die Hilfen des IWF einwenden, dass öffentliche Mittel zur Korrektur von finanz- und wirtschaftspolitischen Fehlern verwendet würden. Und auch der Einwand, diese Unterstützung würde den säumigen Schuldnern falsche Anreize setzen, ist rasch gemacht. Nicht zuletzt wird auch das Verlustrisiko gegen ein IWF-Engagement angeführt. Glauben Sie mir, solche Überlegungen machen wir uns auch. Aber die Kritiker übersehen auch einiges:

·       Erstens: was wäre denn die Alternative? Es ist schwierig abzuschätzen, was geschehen wäre, wenn man die peripheren Euroländer ihrem Schicksal überlassen hätte. Die Gefahr eines ungeordneten Staatsbankrotts ist nicht von der Hand zu weisen. Diese hätte zu extremer Verunsicherung an den Märkten sowie zu einer Ansteckung von Drittländern führen können. Die Schweiz – und hier beileibe nicht nur der Finanzplatz, sondern auch die Exportindustrie oder Pensionskassen – hätte an einer solchen Entwicklung sicherlich kein Interesse.

·       Zweitens gilt es zu beachten, dass der IWF seine Kredite nur unter strengen Auflagen vergibt. Mit der Durchführung entsprechender Massnahmenpakete wird eine Fortsetzung eines undisziplinierten Haushaltsgebarens gerade vermieden. Hier kann die Schweiz erneut aktiv und kritisch mitwirken. Denn dank unserer Vertretung in entsprechenden Gremien können wir bei der Gestaltung solcher Massnahmenpakete unser Know-how einbringen.

·       Schliesslich gilt es auch zu beachten, dass die Schweiz im Rahmen des IWF keine a-fonds-perdu Beiträge in Milliardenhöhe gewährt. Vielmehr handelt es sich hier um rückzahlbare und relativ gut verzinste Kredite der Nationalbank. Zudem weisen diese Kredite ein relativ geringes Risiko auf, denn in der Vergangenheit ist der IWF seinen Verpflichtungen immer nachgekommen.

Das erhöhte Engagement der Schweiz ist angesichts der Grösse unseres Land eine beachtliche Leistung. Gerade als Land mit einer offenen Volkswirtschaft und eigener Währung tun wir gut daran, diese Reformen aktiv zu unterstützen. Dasselbe gilt für die Reformen der internationalen Finanzmarktregulierung. Das FSB ist dabei die federführende Organisation. Mit ihrer Einsitznahme im FSB wirkt die Schweiz bei der Neugestaltung der Spielregeln auf den internationalen Finanzmärkten aktiv mit. Unser Ziel ist dabei einerseits, die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen künftiger Finanzkrisen zu reduzieren. Andererseits geht es aber auch darum, im internationalen Wettbewerb der Finanzmarktakteure für ein Level Playing Field, d.h. für gleich lange Spiesse zu sorgen.Es ist richtig und wichtig, dass sich die Schweiz international für Finanzstabilität einsetzt. Damit dies gelingen kann, muss die Schweiz weiterhin eine starke Stellung in diesen Organisationen haben. 

4 – Fazit

Ich komme zum Schluss: Die Schweiz steht vergleichsweise gut da – wird aber international argwöhnisch beobachtet.

Wenn wir weiterhin und dauerhaft ein attraktiver, wettbewerbsfähiger Finanz- und Unternehmensstandort sein wollen, braucht es eine gewisse internationale Akzeptanz. Die müssen wir uns erarbeiten. Es ist nötig, dass wir proaktiv auftreten und nicht immer aus der Defensive reagieren.

·         Mit einer Weissgeldstrategie, die konsequent auf die Verwaltung steuerkonformer Vermögen setzt.

·         Mit einer ambitiösen und trotzdem massvollen Finanzmarktregulierung, die hohe Standards nicht nur von anderen verlangt, sondern auch selber anwendet.

·         Mit einer internationalen Vernetzung in wichtigen Finanzgremien, die umso wichtiger sind für unser Land, das institutionell nicht eingebunden ist in der EU, der G20 oder der Nato.

Die Finanzmarktstrategie des Bundesrates ist ein vielversprechender Weg, um langfristig internationale Anerkennung und Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Doch dieser Weg ist nicht einfach. In Anlehnung an das sogenannte Gelassenheitsgebet des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr erfordert eine gute Finanzmarktpolitik Mut, Gelassenheit und Weisheit:„Mut, das zu beeinflussen, was sich ändern lässt. Aber auch Gelassenheit, das hinzunehmen, was sich nicht ändern lässt.“ Und schliesslich: „Weisheit, um das eine vom andern zu unterscheiden.“Letzteres ist die eigentliche Knacknuss. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Fähigkeit zur differenzierten Handlungsweise eine der Stärken der Schweiz ist.

Sfide politiche per il mercato finanziario svizzero (solo in tedesco)