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In den letzten Monaten ist das Thema innere Sicherheit immer mehr in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Ein Gefühl der allgemeinen Verunsicherung hat sich in den Menschen breit gemacht.

Wenn ich an die Ausschreitungen beim letzten Weltwirtschaftsforum 2001 in Davos und beim G8-Gipfel in Genua denke, an die Terrorattacken auf die USA, den Amoklauf in Zug, und dann noch an das Time-out des Weltwirtschaftsforums 2002, das auch aus Sicherheitsgründen nicht in der Schweiz stattfinden kann, dann ist es absolut verständlich, wenn sich die Leute fragen:

Ist die Schweiz noch sicher? Haben wir das Richtige vorgekehrt in den letzten Jahren, um heute noch sagen zu können: Wir sind bereit?

Die Ereignisse des letzten Jahres haben bestätigt: Die innere Sicherheit unseres Landes ist ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft. Was würde passieren, wenn wir diese Sicherheit nicht mehr gewährleisten können?

Die Wahrung der Inneren Sicherheit ist ein dynamischer, mehrschichtiger und komplexer Prozess. Sie erfordert eine mehrdimensionale Strategie. Und ich will Ihnen in diesem Referat zeigen, wie wir dieser Herausforderung begegnen wollen.

1. Lageanalyse

1.1 Internationale Ebene

Die bereits erwähnten Beispiele zeigen uns doch mit aller Deutlichkeit, dass die heutigen Bedrohungen für die innere Sicherheit nicht mehr ausschliesslich mit innerstaatlichen Massnahmen zu bewältigen sind.

Der internationale Terrorismus hat eine neue Dimension erreicht.
Instabilität und Konflikte auch in weit entfernten Gebieten können sich auf die innere Sicherheit der Schweiz auswirken.
Solche Spannungen können sich auf Angehörige der Konfliktparteien, die in der Schweiz leben, übertragen.
Migrationsbewegungen werden oft von Schlepperorganisationen und Kriminellen ausgenützt.
Die Mobilität führte in den letzte Jahren ganz allgemein zu einer spürbaren Zunahme des Kriminaltourismus.
Und: Das Ausmass der grenzüberschreitenden, internationalen Kriminalität ist horrend. Aktuelle Schätzungen internationaler Organisationen verdeutlichen dies:

Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass jährlich weltweit zwischen 1'200 Milliarden und 3'000 Milliarden Franken Geldwäschereiprozesse durchlaufen. Das sind 2 bis 5 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts! Und gemäss der UNO beträgt das Marktvolumen des Drogenhandels jährlich etwa 600 Milliarden Franken! Zum Vergleich: das gesamte Budget des Bundes sieht in diesem Jahr Ausgaben von 50 Mrd. vor.

All das sprengt die Grenzen des Handlungsspielraumes nationaler Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden. Zu meinen, wir wären sicherer, wenn wir uns möglichst abschotten, ist fahrlässig! Eine solche Politik ist angesichts der internationalen Verflechtungen unseres Landes illusorisch. Wir können nur an Sicherheit für unsere Bevölkerung gewinnen, wenn wir mit befreundeten Staaten vernünftig und zielgerichtet zusammenarbeiten.

1.2. Nationale Ebene

Die internationale Ebene ist die eine Seite der Medaille. Die nationale ist die andere:

Die kantonalen und städtischen Polizeikorps stossen an ihre Grenzen. Die kantonalen Polizeikommandanten schätzen, dass in der Schweiz rund 800-1000 zivile Polizeikräfte fehlen. Und zwar für kantonale und Bundesaufgaben.
Die Polizeihoheit liegt bei den einzelnen Kantonen.
Diese föderalistische Struktur erschwert ein koordiniertes Vorgehen auf nationaler Ebene.

Das schränkt unseren Handlungsspielraum beträchtlich ein. Diese föderalistische Struktur hat aber auch Vorteile - die Nähe der Polizei zur Bevölkerung, die regionale Vertrautheit zum Beispiel. Wir wollen deshalb - basierend auf dieser Struktur, die Verbesserungen anpacken.

In den letzten Jahren musste wegen der angespannten Personalsituation bei den Polizeikorps zunehmend auf die Unterstützung der Armee zurückgegriffen werden.

Das Festungswachtkorps unterstützt nach wie vor mit 150 Leuten das Grenzwachtkorps.
Im Moment unterstützen zudem 70 Festungswächter in Genf die Kantonspolizei.
Seit dem 17. Dezember sind rund 150 Armeeangehörige - und zwar Durchdiener - in Bern für den Botschaftsschutz engagiert.
Für den Schutz im Bundeshaus sind 10 Festungswächter im Einsatz.
Für die Begleitung von Flügen der schweizerischen Fluggesellschaften stellen die Kantone nicht mehr genügend Schutzpersonal zur Verfügung. Wir sind im Moment daran, alles vorzukehren, damit vorübergehend auch für diese Aufgaben Festungswächter eingesetzt werden können.

Aber das ist kein Zustand auf Dauer. Diese Situation wollen wir ändern. Wir wollen ein Dispositiv aufbauen, das uns erlaubt, in normalen Lagen wieder mit den ordentlichen zivilen Mitteln auszukommen. Ein Dispositiv, das es uns auch ermöglicht, in besonderen Lagen rasch und ohne komplizierte Entscheidungsmechanismen zu reagieren.

2. Gesamtstrategie

Die Lageanalyse führt zur folgenden einfachen Erkenntnis: Genau so, wie sich die Bedrohung zeigt, genau so müssen wir auf sie auch reagieren: vernetzt, global und flexibel.
Ich verfolge deshalb mit meiner Politik der Inneren Sicherheit eine mehrdimensionale Strategie, die auf zwei Säulen ruht: der nationalen und der internationalen Sicherheitskooperation.

National haben wir uns zum Ziel gesetzt:

gesamtschweizerisch unser Polizeiwesen zu reformieren und die Grenzkontrollmechanismen zu verbessern,
die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu stärken,
und die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und die Strafverfolgung effizienter zu gestalten.
Hinzu kommen notwendige Gesetzesanpassungen wie etwa im Waffenrecht.

International wollen wir

die Zusammenarbeit mit den ausländischen Kontaktstellen intensivieren,
die enge Zusammenarbeit mit dem europäischen Sicherheitsraum suchen,·
und weltweit einheitliche Standards bei der Verbrechensbekämpfung erwirken.

Unser Ziel ist es, die Schwachstellen unseres Systems auszumerzen und den bestehenden Handlungsspielraum auszunützen. Wir wollen dabei auch die Grenzen dieses Spielraums klar und verbindlich abstecken, wie sie etwa durch den Datenschutz oder das Bankgeheimnis vorgegeben werden. Denn wir sind kein Polizeistaat, sondern ein demokratischer Rechtsstaat. Und das wollen wir auch bleiben.

3. Kernprojekte

Die Umsetzung unserer Strategie umfasst mehrere Projekte. Ich möchte nicht zu allen Ausführungen machen. Sondern ich konzentriere mich darauf, Ihnen die wichtigsten drei Projekte zu skizzieren. Auf der innenpolitischen Seite ist dies die überprüfung des System der inneren Sicherheit (USIS), auf der aussenpolitischen Seite sind es Schengen/Dublin und der UNO-Beitritt.

3.1 USIS

Dreh- und Angelpunkt bei allen unseren Projekten ist die überprüfung des Systems der Inneren Sicherheit der Schweiz, kurz USIS. Das ist ein gemeinsames Projekt des Bundes und der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz, mit dem Ziel, Lösungen zur Verbesserung des Polizeiwesens vorzuschlagen.

Wir haben 26 verschiedene Kantonalpolizeien mit unterschiedlichen Ausbildungs- und Einsatzdoktrinen - dazu kommen noch etliche Stadtpolizeikorps -, 26 kantonale und drei Bundes-Strafverfolgungssysteme, 15 Grenzkantone und drei Bundesdepartemente, nämlich EJPD, VBS und EFD unter einen Hut zu bringen. Sie können damit etwa die Dimension dieses Projektes erahnen.

Dabei stellen sich vor allem zwei Herausforderungen:

der Mangel an zivilen sicherheitspolizeilichen Einsatzkräften,
und die künftige Zuteilung grenzpolizeilicher Aufgaben.

Die Lösungsvarianten, die von der Projektorganisation USIS ausgearbeitet wurden, beruhen auf elf Grundthesen.
Ich nenne hier die drei für mich wichtigsten:

die Aufrechterhaltung der föderalistischen Grundstruktur
die zwingende Koordination auf nationaler Ebene bei der Grenzkontrolle
das Subsidiaritätsprinzip beim Einsatz der Armee

Zum Föderalismus:

Grundsätzlich gilt: Das neue System ist so zentral wie nötig und so dezentral wie möglich zu gestalten. Wir streben ein polizeiliches System an, das die Vorteile der kantonalen und städtischen Polizeikorps - nämlich Bürgernähe, Ortskenntnis und die Akzeptanz in der Bevölkerung - belässt, das aber auch die Nachteile der strukturellen Unheinheitlichkeit ausgleicht.
Wir wollen ein System, das letztlich auch politisch breit genug akzeptiert wird. Eine umfassende Verschiebung der heutigen kantonalen Polizeihoheit zum Bund ist daher für mich, für den Bundesrat und die Kantone kein gangbarer Weg. Denn eine "Superlösung" auf dem Papier, die nicht den Weg in die Köpfe und Herzen der Bevölkerung findet, die wir ja schliesslich schützen wollen, bringt uns gar nichts.

Wir verfolgen zwei andere Varianten:

Der eine Lösungsansatz geht davon aus, dass alle sicherheitspolizeilichen Aufgaben auch in Zukunft durch kantonale und städtische Polizeikorps wahrgenommen werden. Dafür sollen diese Korps aufgestockt und zum Teil vom Bund finanziert werden. Der Bund würde zur Wahrnehmung seiner eigenen Aufgaben weiterhin die Kräfte der Kantone anfordern.
Der andere Ansatz verfolgt die Ansicht, dass kantonale Aufgaben mit kantonalen Mitteln und Bundesaufgaben mit Bundesmitteln erfüllt werden sollen. Also eine logische Trennung der Aufgaben nach dem Ansatz, der auch für den Neuen Finanzausgleich gilt: Jeder macht das selber, wofür er zuständig ist und hat dafür auch genügend eigene Kräfte und Mittel.

Das würde die Schaffung eines eigenen Sicherheitsdetachements des Bundes bedeuten. Dieses Korps würde die zahlreichen heute schon bestehenden sicherheitspolizeilichen Aufgaben des Bundes selber wahrnehmen. Wie zum Beispiel:

der Personenschutz von Mitgliedern des Bundesrates, aber auch des Parlaments,
der Personenschutz von ausländischen, völkerrechtlich geschützten Personen in unserem Land,
die Sicherheitsmassnahmen an Bord schweizerischer Luftfahrzeuge,
der Schutz von den Gebäuden des Bundes,
oder die Bewachung von Botschaften und internationalen Organisationen in der Schweiz.

Das sind keine neuen Aufgaben des Bundes. Wir planen keinen Ausbau der Bundeskompetenzen und auch keinen Abbau der kantonalen Polizeihoheit. Sondern es sind die heute bestehenden Aufgaben, die bereits in der Kompetenz des Bundes liegen. Es geht um die Frage, wer die heute bestehenden Aufgaben des Bundes erfüllt: der Bund mit eigenem Personal oder die Kantone, die dem Bund gegen Bezahlung Personal zur Verfügung stellen.

Das ist die zentrale politische Frage. Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) hat sich für die Weiterverfolgung der kantonalen Lösung ausgesprochen, der Bundesrat will beide Varianten überprüfen lassen. An der KKJPD-Tagung vom 8. November 2001 haben wir vereinbart, dass beide Varianten weiterverfolgt werden.

Weil diese Aufgaben des Bundes heute von den Polizeikorps der Kantone und Städte ausgeführt werden, würden die Kantone durch ein solches neues Sicherheitsdetachement des Bundes entlastet. Die Kantone kommen allerdings auch hier nicht darum herum, weitere eigene Kräfte aufzubauen. Denn schon heute arbeiten einige Polizeikorps mit Unterbestand.

Bei der Bildung eines Sicherheitsdetachementes des Bundes würde sich die weitere Frage stellen, in welches Departement dieses eingegliedert würde. Ich persönlich bin offen für verschiedene Lösungen, wobei natürlich die Eingliederung ins EJPD oder ins VBS im Vordergrund steht. Damit meine ich den zivilen Teil des VBS, nicht die Armee. Ich bin mir bewusst, dass hier unterschiedliche Sensibilitäten in der Bundesverwaltung bestehen. Mit dieser Frage werden sich - falls das Sicherheitsdetachement des Bundes Wirklichkeit werden sollte - die zuständigen Departementsvorsteher und der Bundesrat sicher intensiv auseinandersetzen. Aber in dieser Diskussion müssen sachliche Inhalte entscheidend sein und nicht Prestigedenken.

Zur nationalen Koordination:

Eine weitere zentrale These im Projekt USIS ist, dass für die Aufgabenerfüllung an der Grenze eine nationale Koordination notwendig ist. Dies vor allem im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der EU, die ihre Grenzkontrollen für den gesamten Schengenraum vereinheitlicht hat. Eine Zusammenarbeit mit 15 verschiedenen Behörden der Grenzkantone wäre da wohl nicht nur unverständlich, sondern auch nicht sinnvoll. Diese Aussage gilt grundsätzlich, unabhängig davon, ob die Schweiz bei Schengen mitmacht oder nicht.

Heute teilen sich Bund und Kantone die Grenzkontrolle:

Das Grenzwachtkorps führt die Personenkontrolle an den Grenztoren und an der grünen Grenze durch.
Die Kantone sind verantwortlich für die Personenkontrolle in den internationalen Zügen und in den Flughäfen. Für die Warenkontrolle dagegen ist überall das GWK zuständig. Wenn Sie also über den Flughafen Zürich einreisen oder mit einem Zug die Grenze überschreiten, dann treffen sie jeweils auf zwei Schweizer Uniformierte: Den Zöllner für die Koffer und den Kantonspolizisten für die Pässe. Und das, obwohl GWK und Polizeikorps unter Personalknappheit leiden.

Der Vorschlag der Projektorganisation USIS sieht zur Verbesserung ein zweiphasiges Vorgehen vor:

Die grenzpolizeilichen Aufgaben werden vorerst weiterhin zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt. Bei den Kantonen verbleibt dabei die Personenkontrolle in den Flughäfen. Der Unterbestand im Grenzwachtkorps wird ausgeglichen.
Mittelfristig sollen dann sämtliche Personen- und Warenkontrollen durch den Bund vollzogen werden.

Als Alternative wollen Bundesrat und KKJPD aber auch vertiefen lassen, wie es aussieht, wenn die Zuständigkeit der Personenkontrolle ganz an die Kantone überginge. Das hätte zur Folge, dass ein Teil des Grenzwachtkorps auf die Grenzkantone aufgeteilt und der Bund nur mehr für die Warenkontrolle zuständig sein würde.

Diese Variante wäre allerdings nur im Falle eines Beitritts zu Schengen sinnvoll, wenn die systematische Personenkontrolle unmittelbar an der Grenze entfällt. Mit einem verbesserten Kontrollmechanismus im Landesinnern wollen wir jedoch verhindern, dass dadurch für unser Land ein Sicherheitsvakuum entsteht. Dass dies möglich ist, zeigen die Erfahrungen der Schengen-Staaten.

Zur Subsidiarität:

Ich komme zur dritten grundlegenden These für die interne Polizeireform, zur Subsidiarität. Das bedeutet:

Die Innere Sicherheit ist eine zivile Aufgabe.

Ich möchte das unterstreichen, gerade in Ihren Kreisen. Denn gerade im Nachgang zum 11. September entstand in unserem Land der Eindruck, die Bekämpfung des Terrorismus sei primär eine Aufgabe der Armee. Dazu beigetragen hat sicher auch, dass Bundesrat Schmid im letzten Jahr den Vorsitz des Sicherheitsausschusses des Bundesrates innehatte und in dieser Funktion auch vor den Medien auftrat. Tatsächlich ist der Kampf gegen den Terrorismus primär eine zivile Angelegenheit. Der Einsatz militärischer Mittel geschieht auch hier erst subsidiär. Die Schweiz leistet ihren Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus auf verschiedene Weise:

Als Teil des internationalen Nachrichtenverbundes, zur Aufdeckung der terroristischen Netzwerke
In der internationalen Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bzw. der Geldwäscherei. Damit den Terroristen die finanzielle Basis entzogen wird, die sie für die Durchführung solcher Aktionen wie in den USA benötigen
In der Unterstützung von internationalen Ermittlungen und Strafverfolgung
Und natürlich, in dem terroristische Tätigkeit von unserem Territorium aus verhindert werden und die Schweiz als Basis für die Mittelbeschaffung nicht in Frage kommt.

Und die Idee, dass die Armee polizeiliche Aufgaben in Normalfall wahren könnte - also sozusagen die Polizei ersetzen würde - hat der Bundesrat im Rahmen der USIS-Diskussion im letzten Oktober abgelehnt. Das würde auch klar dem Grundsatz der Subsidiarität widersprechen. Dieser Grundsatz steht in der Bundesverfassung (Art. 58 Abs. 2 BV). Daran wird sowohl im Projekt USIS wie auch im Armeeleitbild ausdrücklich festgehalten.

Subsidiäre Einsätze - und ich zitiere das Armeeleitbild XXI - "sind dadurch gekennzeichnet, dass die Einsatzverantwortung bei den zivilen Behörden liegt. Einsätze unter militärischer Einsatzverantwortung sind nicht subsidiär" (Armeeleitbild XXI, S.18).

Armee und Polizei haben verschiedene Kernkompetenzen und sind primär auf verschiedene Bedrohungslagen ausgerichtet. Die Miliz-Armee ist auch nicht dafür geschaffen, die Polizei zu ersetzen. Der Bundesrat ist im letzten Oktober der Projektleitung USIS darin gefolgt, dass die Militärische Sicherheit primär nur dem Eigenbedarf der Armee zu dienen hat (Bericht USIS II, S.14).

Bundesrat und kantonale Polizeidirektoren stimmten der Grundthese zu, dass die innere Sicherheit den zivilen Behörden obliegt. Diese müssen über die Mittel verfügen, um sie im Normalfall ohne Hilfe der Armee zu garantieren. Die Armee soll zur Wahrung der inneren Sicherheit nur zum Einsatz kommen, wenn die zivilen Mittel ausgeschöpft sind (Bericht USIS II, S.26).

Die Armee muss mithelfen, Belastungsspitzen zu brechen, wie wir das auch im Armeeleitbild festgehalten haben. Von eigenen zivilen polizeilichen Grundaufgaben ist nirgends die Rede (Armeeleitbild XXI, S.18).

Die Armee ist kein Polizeiersatz!

Einer solchen Lösung würde ich nicht zustimmen. Zudem hat auch die Diskussion mit den Kantonen gezeigt, dass gegen eine Armeelösung allergrösste Bedenken bestehen. Alle Beteiligten aber haben auch zu berücksichtigen, dass sich die Armee XXI bei den subsidiären Sicherungseinsätzen vorerst auf den Ist-Zustand bei Polizei ausrichten muss. So lange, bis andere Massnahmen greifen. USIS wird dann eine neue Lagebeurteilung für den Bedarf an subsidiären Sicherungeinsätzen bringen. Die Polizeikommandanten schätzen die Lücke bei den Polizeikräften auf 800 bis 1000 Personen. Solange diese Lücke nicht gefüllt ist, wird natürlich rascher einen subsidiärer Armeeeinsatz gefordert.

Ich möchte in diesem Zusammenhang zu noch zu bedenken geben: Was vor einigen Jahren vielleicht noch als besondere Lage galt - zum Beispiel die Bewachung von gewissen Botschaften - kann heute aufgrund einer veränderten Sicherheitslage eine normale Lage sein!

Das erfordert die nötige Flexibilität bei den Armeeplanern, um dannzumal Anpassungen vorzunehmen. Deshalb ist das VBS in der Projektorganisation auch breit vertreten.

Diese Forderung stellen ich und der Bundesrat an die Armeeplaner:

Keine Präjudizierung der Reformen im Bereich der Inneren Sicherheit.

In diesem Zusammenhang möchte ich Folgendes anfügen: Die Mittel sollen vom Bereich der äusseren Sicherheit in den Bereich der inneren Sicherheit verschoben werden können. Die Prüfung einer solche Umverteilung ist bereits im Sicherheitspolitischen Bericht 2000 vorgesehen (Sicherheitspolitischer Bericht 2000, Ziff. 6.6.1). Die Mittel sind dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden.

3.2 Schengen

Damit komme ich zum wichtigsten Projekt auf der internationalen Ebene, zu Schengen / Dublin. Das ist wohl eines der spannendsten Projekte überhaupt, das wir haben. Denn wir befinden uns mitten in Europa, umgeben von EU-Staaten, in denen ein dynamischer Prozess im Gange ist in Richtung eines vereinheitlichten Sicherheitsraumes.

Mit "Schengen" hat die EU - als Kompensation zur Abschaffung der Binnengrenzen - ein wirksames Netz im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit errichtet. Ein Netz, das sie ständig ausbaut.

Schengen dient also der Absicherung des europäischen Binnenmarktes. Auch wir haben mit den Bilateralen sektoriellen Verträgen Ja gesagt zu diesem europäischen Binnenmarkt. Es liegt deshalb in unserem eigenen Interesse, auch Ja zu sagen zur europäischen Sicherheitszusammenarbeit. Schengen ist der Kern dieses Sicherheitsraumes, und wir sind mitten drin. Damit ist Schengen auch Kern unserer Strategie der europäischen Zusammenarbeit.

Wir haben zwar bilaterale Polizeizusammenarbeitsverträge und Rückübernahmeabkommen mit unseren Nachbarstaaten. Aber diese Zusammenarbeit hat dort ihre Grenzen, wo die Kompetenzen für Freiheit, Sicherheit und Recht an die EU übergegangen sind und nicht mehr den einzelnen Staaten obliegen.

Zudem weisen die Abkommen zum Teil grosse Unterschiede auf. Sie sind kein Ersatz für die Binnenmarkt-weite Kooperation. Je länger desto mehr werden zum Beispiel Fahndungsersuchen nur noch Schengenweit ausgeschrieben. Die Schweiz hat davon keine Kenntnis und wird dadurch zunehmend zum Fahndungsloch. Auch eine effiziente eigenständige schweizerische Datenbank wie unser RIPOL kann das Informationsdefizit nicht wettmachen.

Deshalb sind die bilateralen Abkommen mit Deutschland und österreich, so gut sie auch sind, und so viel sie auch gerade dieser Region, der Ostschweiz, bringen, keine vollwertige Alternative zu Schengen.
Auch INTERPOL stellt keine Alternative zu Schengen dar. Innerhalb Europas hat das weltweite INTERPOLsystem wegen des Schengener Informationssystems an Bedeutung erheblich eingebüsst.

Im Sog dieser dynamischen Entwicklung haben selbst traditionellen Foren wie der Europarat beträchtlich an Einfluss verloren. Die massgeblichen Entwicklungen finden heute innerhalb der EU statt. Und die effizientesten Mittel werden innerhalb der EU geschaffen. Und das ist in erster Linie der Schengener Acquis:

Schengen erlaubt eine Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit. Das Schengener Informationssystem gilt als Herzstück einer effizienten Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung.
Schengen führt zu einer stärkeren Zusammenarbeit im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.

Ein Beitritt zu Schengen gewährleistet zudem, dass unser Land umfassend an einem modernen, vernetzten System der Verbrechensbekämpfung und dessen künftigen Entwicklung beteiligt wäre.
Ein Fernbleiben dagegen würde der Schweiz die Möglichkeit nehmen, bei der Entwicklung des sie unmittelbar umgebenden Sicherheitsraumes mitzuwirken.

Ich denke, wir würden unserer Verantwortung für die Sicherheitsinteressen unseres Landes nicht gerecht, wenn wir die Chance nicht genutzt hätten, hier in die Verhandlungen mit der EU einzusteigen. Wenn die Verhandlungsergebnisse dann einmal vorliegen, werden wir wieder eine Gesamtbeurteilung vornehmen.

Gesamthaft betrachtet, liegt eine Teilnahme an "Schengen" ohne Zweifel im Sicherheitsinteresse der Schweiz. Zudem ist zu erwarten, dass die übernahme des Schengen-Visums erhebliche Erleichterungen im Geschäftsreisendenverkehr und im Tourismus bringt.

Aus der Sicht des Bundesrates zeichnen sich auch keine anderen erfolgversprechenden Lösungen ab, wenn man ernsthaft die internationale Zusammenarbeit stärken will:

Für eine bilaterale Annäherung "à la carte" - beispielsweise nur Schengener Informationssystem oder nur Dublin - bietet die EU nicht Hand. Die Möglichkeiten der nachbarschaftlichen Verträge haben wir ausgereizt.
Der autonome Nachvollzug weist den gewaltigen Nachteil auf, dass sich der europäische Sicherheitsraum ganz ohne unseren Einfluss fortentwickelt. Und dass sich die Zusammenarbeit mit den ausländischen Behörden so nicht verbessern lässt.
Bliebe als weitere Option nur noch der EU-Beitritt. Aber am 4. März 2001 hat das Volk bei der Abstimmung über die Europainitiative deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es einen baldigen EU-Beitritt nicht will. Das wollen wir respektieren!

Ich finde es staatspolitisch und auch aus der Sicht der schweizerischen Sicherheitsinteressen deshalb falsch, Schengen abzulehnen, weil ein EU-Beitritt mehr bringen würde. Das hiesse, das zur Zeit Unmögliche zu fordern, um das heute Mögliche zu verhindern.

Wir können die heutigen Herausforderungen an die Innere Sicherheit nicht ignorieren. Die Lösungssuche kann nicht beliebig lange hinausgeschoben werden.

Ich möchte hier kurz einen Punkt aufgreifen, der wohl gerade in Grenzregionen Fragen aufwirft: Ich habe bereits erwähnt, dass im Falle eines Schengenbeitritts die Personenkontrollen an der Grenze aufgehoben würden. Damit sind àngste verbunden, dass das zu weniger Sicherheit führt. Tatsächlich aber haben wir heute täglich rund 700'000 Grenzübertritte pro Tag zu verzeichnen, von denen tatsächlich etwa 2 bis 3 Prozent kontrolliert werden können. Was bedeutet der Abbau der Personenkontrolle an der Grenze also wirklich?

Heute schon werden alternative Kontrollmethoden angewendet, gerade auch an der schweizerisch-österreichischen Grenze. Auch ohne Schengen suchen wir bereits nach Lösungen, weil wir feststellen, dass starre Kontrollen auf der Grenzlinie nicht genügen.

Zurück zu Schengen:

Natürlich hat auch Schengen seinen Preis. Die Schweiz hätte zum Beispiel aus heutiger Sicht kein formelles Mitentscheidungsrecht über die Weiterentwicklung von Schengen. Wohl aber ein umfassendes Mitwirkungsrecht bei der Vorbereitung dieser Entscheide. Da die Beschlüsse meistens im Konsenverfahren gefällt werden, muss die tatsächliche Bedeutung des Stimmrechts ohnehin relativiert werden.

Wie hoch dieser Preis für die Mitwirkung bei Schengen tatsächlich sein wird, wissen wir erst, wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind. Dann können wir auch erst entscheiden, ob wir bereit sind, den Preis zu bezahlen. Ich habe deshalb auch kein Verständnis für jene, die von Beginn weg eine Mitwirkung an Schengen ablehnen, mit der Begründung, es gäbe zu viele offene Fragen.

Wenn man nicht bereit ist, die Beantwortung dieser offenen Fragen abzuwarten, dann nimmt man die Verantwortung nicht wahr!

Die Projekte USIS und Schengen/Dublin sind zwei Vorhaben, die viel Ausdauer und noch viel politischen Willen erfordern. Von allen beteiligten. Und letztlich auch vom Volk. In diesem Zusammenhang drängt es sich auf, Ihnen darzulegen, warum gerade auch aus der Perspektive der Inneren Sicherheit ein Beitritt zur UNO notwendig und überfällig ist.

3.3 UNO

Man hört ja vieles an Argumenten, von beiden Seiten: Sachliches und weniger Sachliches. Tatsache ist: Die UNO schafft Stabilität und Frieden.

Wo wären wir heute ohne die UNO? Sie hat dazu beigetragen, dass wir in unserem unmittelbaren Umfeld die längste Friedensperiode überhaupt in unserer Geschichte erleben. Seit 1945 kennen wir keinen Krieg mehr in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Das haben die Nationalstaaten vor dem 2. Weltkrieg nicht geschafft.

Wir sind bereits Vollmitglied der OSZE und können uns dadurch ein Stück weit in die europäische Sicherheitspolitik einbringen, ohne dass wir je irgendwelchen Schaden genommen hätten. Im Gegenteil! Was aber für Europa funktioniert, sollte auch für die ganze Welt funktionieren. Denn die Gefahren, die heute unser Land bedrohen können, sind global geworden.

Wir brauchen daher eine intensive weltweite Zusammenarbeit.

Das geht nur über die UNO. Die UNO-Vollversammlung ist sozusagen der einzige globale "runde Tisch", den es dazu braucht.

Die UNO hat als einzige weltumspannende Organisation längst eine zentrale Rolle in der globalen Verbrechensbekämpfung eingenommen. Sie ist damit auch für die innere Sicherheit unseres Landes ein wichtiger Eckstein. Der Beitritt als vollwertiger Partner zu den Vereinten Nationen stellt neben der nationalen und neben der europäischen Säule sozusagen die dritte - globale - Komponente unserer Strategie der Inneren Sicherheit dar.

Wir wollen erstens, dass weltweit einheitliche Standards für die Verbrechensbekämpfung durchgesetzt werden.
Unter der Schirmherrschaft der UNO werden Konventionen beschlossen, welche die Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung auf globaler Ebene verbessern.
So haben die Vereinten Nationen schon vor dem 11. September 2001 eine ganze Reihe von übereinkommen zur Eindämmung der verschiedenen Erscheinungsformen des Terrorismus geschaffen: zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, gegen transnationale organisierte Kriminalität, zur Bestrafung von Taten des organisierten Verbrechens und der Geldwäscherei. Ich brauche wohl nicht speziell zu betonen, wie zentral diese Abkommen für unseren international führenden Bankenplatz sind! Ein ähnliches übereinkommen will die UNO auch bei der Bekämpfung der Bestechung
ausarbeiten.
Wir wollen zweitens, dass wir die weltweite Migrationsproblematik weltweit gemeinsam anpacken können.
Unsere Flüchtlingspolitik beruht z.B. neben der Aufnahme in unserem Land auch auf der Hilfe vor Ort. Unser wichtigster Partner ist das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge. Die wichtigste Basis zur Zusammenarbeit ist die UNO-Flüchtlingspolitik. Ohne diese Basis könnten wir den Flüchtlingen, die wir in ihre Heimat zurückführen, nicht vor Ort bei ihrem Neustart in ein menschenwürdiges Leben helfen. Ich nenne hier das Beispiel Kosovo.
Wir wollen drittens, dass die Ursachen von Fluchtbewegungen und von internationalen Verbrechen an den Wurzeln angepackt werden.
Die UNO spielt weltweit eine führende Rolle bei der Ursachenbekämpfung von internationaler Kriminalität und Migration. Ich nenne einige Stichworte: Sicherheit, Frieden, Menschenrechte, Förderung der Demokratie, Abbau sozialer Gegensätze und humanitäre Hilfe, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen.

Hier sollen alle Nationen zusammensitzen. Wir auch! Und wir wollen alle Bereiche miteinander koordinieren können. Das können wir nicht, wenn wir nur in den einzelnen Untergruppen der UNO sitzen. Die UNO-Vollversammlung ist sozusagen der einzige globale "runde Tisch", an dem alle gleichzeitig Platz nehmen. Wir wollen ja nicht bloss mithören, sondern wir wollen, dass unsere Stimme tatsächlich zählt.

Die Gegner argumentieren mit der Neutralität.

Meine Damen und Herren: Terrorismus kennt keine Neutralität! Ebensowenig wie das Organisierte Verbrechen! Und auch nicht die weltweiten Migrationsströme!
Unsere Neutralität ist in der Frage der Inneren Sicherheit kein Argument!

Dieser Herausforderung können wir nicht mit Zurückhaltung begegnen, sondern nur mit gezielter und tatkräftiger Bündelung aller Kräfte.

Die Neutralität ist aber da ein Argument, wo sie dazu führt, dass unsere Vermittlerrolle - unsere Guten Dienste - gesucht sind. Und das ist innerhalb der Weltgemeinschaft!

Dort müssen wir unsere Guten Dienste anbieten. Und zwar aktiv! Die Zukunft der Neutralität ist die aktive Neutralität, innerhalb der Weltgemeinschaft. Ausserhalb dieser Welt braucht uns keiner, denn da sind wir allein. Es braucht die Neutralen in der UNO. Denn in der UNO werden die Konflikte in ihren gesamten Dimensionen behandelt. Dort müssen wir den Vorteil unserer Neutralität einbringen.

Ich bin deshalb felsenfest davon überzeugt, dass wir in die UNO gehören, und ich hoffe, dass auch Sie mit mir am 3. März ja zum Beitritt stimmen werden!

Meine Damen und Herren

Sie sehen, die Innere Sicherheit lässt sich nicht mit einseitigen Massnahmen garantieren. Es braucht dazu sowohl die notwendigen Reformen im Inland wie auch die Optimierung der internationalen Zusammenarbeit.

Ein Land wie das unsrige, wirtschaftlich weltweit vernetzt, sehr effizient, aber auch sehr verletzlich, im Inneren geprägt durch heterogene, föderalistische Strukturen, die unsere Stabilität garantieren, die aber auch notwendige rasche Entscheide hemmen können, muss den Blick auf unsere Innere Sicherheit logischerweise über den Tellerrand der Kantons- und Landesgrenzen erheben. Und zwar weit darüber!

Wir stehen in der Pflicht, das Bestmögliche für die Sicherheit unserer Einwohnerinnen und Einwohner zu tun. Wohlwissend, dass es nie eine absolute Sicherheitsgarantie geben kann.

Fest steht, dass wir im Bereich der inneren Sicherheit die Hände nicht in den Schoss legen können. Denn Innere Sicherheit ist kein Zustand, den wir einfach aus dem Stand heraus erzeugen können. Vielmehr braucht es eine langfristige Strategie, eine andauernde, flexible Aufmerksamkeit und eine weitsichtige Planung.

Wir können nicht Lücken in der Sicherheit einfach so von heute auf morgen stopfen. Nur schon die seriöse Ausbildung einer einzelnen Polizistin oder eines Polizisten braucht rund fünf Jahre. Für mich steht fest, dass heute alle Beteiligten ihr Engagement in der inneren Sicherheit wesentlich verstärken müssen! Und das ist nicht kostenlos!

Ich bin aber überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und hoffe, dass auch Sie überzeugt sind. Als Offiziere unserer Armee tragen Sie nicht nur in der militärischen Sicherheit Verantwortung. Sie sind als Bürger und Bürgerinnen unseres Staates ebenso in der Inneren Sicherheit gefordert. Indem sie unsere Strategie nach Kräften mittragen.

Denn ohne Sicherheit gibt es auch keine Freiheit!

Für Ihr Engagement danke ich Ihnen.

Global, vernetzt, flexibel. Eine wirkungsvolle Gesamtstrategie für die Innere Sicherheit der Schweiz