«Die Erinnerung – der leise Schrei, den wir den künftigen Generationen schulden»

Bern, 27.01.2014 - Bern, 27.01.2014 - Grussbotschaft des Bundespräsidenten Didier Burkhalter zum internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am Montag, 27. Januar 2014

«Kurz nach unserer Ankunft [in Auschwitz-Birkenau] erhielten wir eine Postkarte, um nach Hause schreiben zu können. Wir durften nur auf Deutsch schreiben, und sowieso nur ein paar beruhigende Worte. Meine Mutter und ich schrieben meiner Tante in Budapest. Als Absender stand Waldsee.»

Gábor Hirsch entdeckte eine der Postkarten wieder, die er als 15-Jähriger verschickt hatte. Er, der seit mehr als einem halben Jahrhundert in der Schweiz lebt, gründete Mitte der Neunziger Jahre den Verein Kontaktstelle für Überlebende  des Holocaust in der Schweiz. Das Zitat und die Postkarte finden sich in einer Publikationsreihe mit Erinnerungen, die die Kontaktstelle veröffentlicht hat.  Für den Bund ist es selbstverständlich, die Publikation solcher Zeugnisse, die eine bleibende Bedeutung haben, zu unterstützen. Insbesondere, damit die Schweizer Jugend davon erfährt und sich daran erinnert. Denn die Erinnerung ist ein leiser Schrei, den wir den künftigen Generationen schulden.

Die Deportation von Hunderttausenden von Juden und Jüdinnen aus Ungarn nach Auschwitz-Birkenau vor bald 70 Jahren geschah vor den Augen und im Wissen der ganzen Welt. Trotzdem verfolgten die Nazis und ihre Mittäter und Mittäterinnen ihre Politik weiter, darauf bedacht, ihre Verbrechen zu verstecken und die Spuren zu verwischen. Wer die harmlose Postkarte aus «Waldsee» fände, könnte behaupten, Gábor Hirsch sei niemals nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden, ja, die Vernichtungslager habe es gar nie gegeben.

Noch heute werden hie und da das Ausmass oder sogar die Existenz des Holocaust, der anderen Verbrechen der Nazis und weiterer Genozide geleugnet. Wir alle müssen eine solche Haltung entschieden ablehnen und ihr entgegentreten, indem wir an die Fakten erinnern, an die historische Wirklichkeit und an die Gräuel des Holocaust. Und dies nicht nur an diesem internationalen Holocaust-Gedenktag, sondern immer, wenn es nötig ist. Die Schweiz hält es, wie andere auch, für unerlässlich, nicht nur leere Worte zu machen, sondern konkrete Taten folgen zu lassen.

Die Jugend steht mitten in einem sie prägenden Prozess: im Prozess des Lernens, des Entdeckens der Welt, der Aufklärung. In der Schweiz setzen sich, insbesondere in diesen Tagen, viele Schulen und  eine grosse Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern dafür ein, den Jugendlichen die Geschichte des Holocaust nahezubringen und ihnen bewusst zu machen, wie gefährlich Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind und – noch weiter gehend – wie wichtig die Wahrung der Menschenrechte ist. Ich möchte sie alle ermuntern und darin bestärken, nicht aufzuhören mit diesen so wichtigen Bemühungen.

Eine andere Aufgabe ist der dauerhafte Schutz der historischen Orte und der Erinnerung: der Zeugnisse der Überlebenden, aber auch der Stätten, an denen diese unvorstellbaren Verbrechen begangen wurden. Deshalb werde ich mich morgen, am 28. Januar 2014, ins ehemalige Lager Auschwitz-Birkenau begeben, um dort  im Namen der Schweiz der Gedächtnispflicht nachzukommen. Eine junge Schweizerin, die Enkelin eines Auschwitz-Überlebenden, wird mich begleiten. Sie begleitet mich als Vertreterin der Schweizer Jugendlichen. Damit soll betont werden, wie wichtig es ist, die Erinnerung zu wahren, heute und in Zukunft.

Das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau muss in Stand gehalten werden. Dies ist eine grosse Herausforderung. Die Schweiz hat sich den internationalen Bemühungen angeschlossen und unterstützte letztes Jahr die Konservierungsarbeiten mit mehr als 1,2 Millionen Franken (1 Million Euros), damit diese Stätte für zukünftige Generationen erhalten bleibt.

Dies ist unentbehrlich. Denn, um ein Wort von Elie Wiesel, einem anderen Überlebenden, aufzunehmen: «Wo können wir der ganzen Welt sagen: Haltet euch die ethische Grundlage der condition humaine vor Augen, wo, wenn nicht hier? […] Aus Liebe zu unsern Kindern müssen wir uns an Birkenau erinnern, damit Birkenau nicht die Zukunft unserer Kinder wird.»

Didier Burkhalter


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