Auch der Biolandbau braucht gezielte Massnahmen für die Biodiversität

Zürich, 24.06.2014 - Um die Artenvielfalt im Landwirtschaftsgebiet zu erhalten, ist die Anzahl an unterschiedlichen Lebensräumen entscheidend. Bio-Betriebe ohne gezielte Fördermassnahmen wie die Schaffung zusätzlicher artenreicher Lebensräume haben nur eine leicht grössere Artenvielfalt als die übrigen Betriebe. Das zeigt eine Studie in zehn europäischen und zwei afrikanischen Regionen. Die Programme von BioSuisse und IP Suisse zur Förderung der Lebensraum-Vielfalt können auf europäischer Ebene als Vorbild dienen.

„Vom Biolandbau profitiert die Artenvielfalt von Pflanzen und Wildbienen besonders. Die beobachteten Vorteile konzentrieren sich jedoch vor allem auf Ackerflächen“, fasst Felix Herzog, Leiter der Forschungsgruppe Agrarlandschaft und Biodiversität des Agroscope Instituts für Nachhaltigkeitswissenschaften INH und des EU-Forschungsprojektes BioBio, die von der Fachzeitschrift Nature Communications publizierten Resultate zusammen. Ein internationales Team untersuchte von 2010 bis 2013 die Fragestellung, was der biologische Landbau für die Biodiversität leistet. Dabei interessierte die Forschenden insbesondere die Betriebsebene, also die Frage, ob auf biologischen Betrieben mehr Arten vorkommen als auf nicht-biologischen Nachbarbetrieben. „Auch wenn Landwirte auf einzelnen Parzellen arbeiten, haben sie bei Entscheidungen grundsätzlich ihren Betrieb im Blick. Letztlich ist entscheidend, was sie auf dem gesamten Betrieb erarbeiten und bewirken“, betont Herzog.  Die Studie untersuchte Betriebe in zwölf Regionen mit unterschiedlichen Produktionsschwerpunkten. In der Schweiz waren es Futterbaubetriebe im Kanton Obwalden. Ackerbauregionen lagen in Österreich und Süd-Frankreich, gemischte Betriebe in Süd-Bayern. In jeder Region wurden jeweils zwölf bis zwanzig Betriebe zufällig ausgewählt, wovon die Hälfte seit mindestens fünf Jahren zertifiziert biologisch bewirtschaftet wurde. Für die anderen Betriebe gab es keine Einschränkung, in der Schweiz handelte es sich dabei um ÖLN-Betriebe. 

Mehr Arten dank Hecken und Feldrändern

Während auf Bio-Äckern deutlich mehr Arten gefunden wurden als auf Nicht-Bio-Äckern, war dieser Unterschied in Wiesen oder in Rebkulturen nicht vorhanden. Die vier Artengruppen Pflanzen, Regenwürmer, Spinnen und Bienen, die stellvertretend für die riesige Vielfalt an Lebewesen untersucht wurden, profitierten in unterschiedlichem Mass vom Biolandbau. Auf Bio-Flächen wurden mehr verschiedene Pflanzen- und Bienenarten gefunden als auf nicht-Bio-Flächen, jedoch nicht mehr Spinnen- und Regenwurmarten. Wurden die Arten aus Randflächen wie Hecken oder Feldrändern in den Vergleich zwischen Bio- und Nicht-Bio-Betrieben einbezogen, so verringerten sich die Unterschiede. Auf Bio-Betrieben wurden nur wenig mehr Arten gefunden als auf den übrigen Betrieben. „Offenbar kommen die Arten aus den Bio-Äckern in den übrigen Betrieben einfach in den Randbereichen vor, und die gesamte Artenzahl verändert sich deshalb kaum“, erklärt Manuel Schneider, der die Daten aus über 1400 Flächen der 205 untersuchten Betriebe ausgewertet hat. Auch das Vorkommen seltener oder gefährdeter Arten war nicht von der biologischen Bewirtschaftung abhängig, sondern vom Vorkommen von geeigneten Lebensräumen auf den Betrieben. 

Gezielte Fördermassnahmen

Zur Erhaltung der stark gefährdeten Artenvielfalt im Landwirtschaftsgebiet braucht es also mehr als Biolandbau: Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen den Praktikern eine Erhöhung der Anzahl an wertvollen Lebensräumen auf den Betrieben. „Erstaunlicherweise fanden wir auf den Bio-Betrieben nicht mehr Lebensräume als auf den übrigen Betrieben. Es zeigte sich aber sehr deutlich, dass die Vielfalt an Lebensräumen entscheidend für die Artenvielfalt ist“, bilanzieren Herzog und Schneider und folgern: „Wenn sich diese zusätzlichen Lebensräume vom Rest der Betriebsfläche unterscheiden, zum Beispiel Hecken in Graslandbetrieben oder Krautstreifen in Ackerbaubetrieben, erhöhen sie die gesamte Artenzahl des Betriebes stark.“ BioSuisse und IP Suisse haben in den vergangenen Jahren Programme zur Förderung der Biodiversität gestartet, in welchen die Anzahl Lebensräume ein zentrales Element sind. Diese Fördermassnamen zielen gemäss den beiden Agroscope-Forschern genau in die richtige Richtung und können ein Vorbild sein für die Anpassung der Vorschriften auf europäischer Ebene.

Das Projekt BioBio

Ziel des Forschungsprojekts BioBio im 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union bestand darin, eine Methode zu entwickeln, mit der die Biodiversität auf Landwirtschaftsbetrieben bestimmt werden kann. Das international zusammengesetzte Forschungsteam unter der Leitung von Agroscope erarbeitete dazu Biodiversitätsindikatoren, die wissenschaftlich fundiert, auf europäischer Ebene anwendbar sowie für die Anwender relevant und nützlich sind. Die Indikatoren beziehen die Ebenen Genetik, Arten, Lebensräume und Bewirtschaftung mit ein. Dazu wurden nach einem standardisierten Verfahren alle Lebensräume auf dem Betrieb erfasst. In jedem Lebensraum wurden auf einer zufällig gewählten Fläche pro Betrieb die Artenvielfalt von Pflanzen, Regenwürmern, Spinnen und Bienen (Honig- und Wildbienen) sowie die Bewirtschaftung erfasst. Diese vier Artengruppen haben unterschiedliche Lebensraumansprüche und stehen stellvertretend für die Vielfalt der Lebewesen im Landwirtschaftsland. Das BioBio-Indikatoren-Set erlaubt es, mit vertretbarem Aufwand den Stand der Biodiversität auf einem Betrieb zu erheben.

 


Adresse für Rückfragen

Felix Herzog, Leiter Forschungsgruppe Agrarlandschaft und Biodiversität
Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH
Reckenholzstrasse 191, CH-8046 Zürich, Schweiz
felix.herzog@agroscope.admin.ch
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Manuel Schneider, Forschungsgruppe Futterbau und Graslandsysteme
Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH
Reckenholzstrasse 191, CH-8046 Zürich, Schweiz
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