Flüchtlinge als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft: Im Idealfall eine Win-Win-Situation für alle

(Letzte Änderung 27.05.2015)

Bern-Wabern, 20.05.2015 - Es gibt sie bereits: Beispiele, bei denen vorläufig aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge erfolgreich auf Schweizer Landwirtschaftsbetrieben arbeiten. Auf dem Gemüsebaubetrieb von Margret und Andreas Eschbach in Füllinsdorf sind beispielsweise seit Jahren Flüchtlinge tätig. Die Erfahrung zeigt aber, dass es nicht ganz einfach ist. Mit einem dreijährigen Pilotprojekt will der Schweizer Bauernverband mit Unterstützung des Staatssekretariats für Migration die geeigneten Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren bei den Beteiligten herausschälen und so im Idealfall eine Win-Win-Situation für alle schaffen: Arbeit und Integration für die Flüchtlinge, Arbeitskräfte für die Landwirtschaft, finanzielle Entlastung für die öffentliche Hand.

Die Umsetzung der im letzten Jahr angenommen Masseneinwanderungsinitiative erfordert, das Potenzial an inländischen Arbeitskräften besser zu nutzen. Ein solches besteht in den vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen. Doch nur rund ein Drittel von ihnen schafft in den ersten Aufenthaltsjahren den Einstieg in die Arbeitswelt. Die Gründe sind vielfältig: Mangelnde Sprachkenntnisse, keine Ausbildung oder keine Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsbildung, administrative Hürden, migrationsbezogene Schwierigkeiten und  Vorurteile auf Seiten der Arbeitgeber. Die Landwirtschaft auf der anderen Seite beschäftigt jedes Jahr 25‘000 bis 35‘000 ausländische Arbeitskräfte, weil sich für ihre Arbeiten kaum Schweizer finden lassen. Besonders arbeitsintensive Branchen wie Gemüse, Obst oder Wein beschäftigen während der Vegetationszeit und Arbeitsspitzen wie der Erntezeit zahlreiche, meist befristet angestellte Arbeitskräfte. Aktuell sind Polen und Portugiesen im Einsatz.

Landwirtschaftsbetriebe ansprechen
Bund, Kantone und Gemeinden haben ihre Bemühungen intensiviert, um Flüchtlinge rasch und nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu bringen. Dafür sind sie auf die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebenden in verschiedenen Wirtschaftssektoren angewiesen. In diesem Sinne haben der Schweizer Bauernverband und das Staatssekretariat für Migration ein dreijähriges Pilotprojekt zur Integration von Flüchtlingen in die Arbeitswelt der Landwirtschaft entwickelt. Aktuell machen 10 Betriebe in der ganzen Schweiz mit, bei denen Flüchtlinge in den letzten Wochen die Arbeit aufgenommen haben oder im Verlauf des Jahres noch aufnehmen werden. Das Projekt wird laufend weiterentwickelt und soll während drei Jahren die nötigen Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren bei allen Beteiligten (Betrieb, Flüchtlingen, kantonalen Behörden) klären. Der Bruttolohn für den ersten Monat beträgt 2300 Schweizer Franken. Ab dem zweiten Arbeitsmonat bezahlen die Arbeitgeber den Flüchtlingen den Mindestlohn gemäss Normalarbeitsvertrag, der in den meisten Kantonen 3200 Franken beträgt. Die Pilotbetriebe erhalten für ihren zusätzlichen administrativen Aufwand im Zusammenhang mit der Evaluation des Projekts 200 Franken pro Monat. Weitere 200 Franken werden ihnen als pauschale Entschädigung ausbezahlt, sofern die Arbeitskräfte auch auf dem Betrieb wohnen und von der Familie verpflegt werden.

Die Erfahrung zeigt, dass die Arbeitsintegration von Flüchtlingen in der Landwirtschaft durchaus funktionieren kann. Margret und Andreas Eschbach beschäftigen auf ihrem Gemüsebaubetrieb in Füllinsdorf - neben anderen Ausländern - bereits seit 20 Jahren Flüchtlinge. Sie möchten diesen die Möglichkeit geben, sich selber ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie haben in all den Jahren bereits über 2.5 Mio. Franken Löhne an Flüchtlinge ausbezahlt und damit die öffentliche Hand entlastet. Doch die Landwirte kämpfen wie die Flüchtlinge auch mit Herausforderungen: "Bei einem Arbeitsantritt fällt in gewissen Kantonen sofort alle Unterstützung vom Staat weg: Schlafgelegenheit im Asylzentrum, Krankenkasse, Essen, alles muss sofort durch den erhaltenen Lohn bestritten werden." Ihre Erfahrung: Es ist wichtig, dass alle Stellen zusammenarbeiten.

Flüchtlinge können am Arbeitsmarkt teilhaben
Mit dem Pilotprojekt wollen der Schweizer Bauernverband und das Staatssekretariat für Migration verschiedene Ziele erreichen: Für die Flüchtlinge und vorläufig aufgenommenen Menschen sollen sich Möglichkeiten erschliessen, am Arbeitsmarkt der Landwirtschaft teilzuhaben, praktisches Wissen zu erwerben oder auszubauen und ihre Sprachkenntnisse zu festigen. Die Landwirtschaftsbetriebe sollen Arbeitskräfte aus der Umgebung rekrutieren können, im Idealfall auch für wiederholte Einsätze über mehrere Jahre. Eine gelungene Arbeitsintegration bedeutet zudem eine finanzielle Entlastung der öffentlichen Hand. Das Pilotprojekt soll zeigen, welches die idealen Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren für eine gelungene Integration der Flüchtlinge in die Arbeitswelt der Landwirtschaft sind und so im Idealfall eine Win-Win-Situation für alle schaffen.

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Wichtiger Hinweis (27. Mai 2015)

In den letzten Tagen wurde in ausländischen Nachrichtenportalen und in den Sozialen Medien die Nachricht verbreitet, wonach die Schweiz im Ausland aktiv Arbeitskräfte für die schweizerische Landwirtschaft rekrutiert. Diese Information ist falsch. Richtig ist, dass der Schweizer Bauernverband und das Staatssekretariat für Migration in einem eng begrenzten Pilotprojekt testen, inwiefern ausschliesslich bereits aufgenommene Flüchtlinge in der Landwirtschaft eingesetzt werden können.


Adresse für Rückfragen

Jacques Bourgeois, Direktor Schweizer Bauernverband, T +41 79 219 32 33
Andreas Eschbach, Betriebsleiter Gemüsebaubetrieb Eschbach, T +41 79 334 20 17
Nur für Medienanfragen: Gaby Szöllösy, Kommunikationschefin Staatssekretariat für Migration, T +41 58 465 78 44



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Staatssekretariat für Migration
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