Bundesrat: Gegenüberstellung umfassendes Freihandelsabkommen zu Bilateralen mit der EU

Bern, 05.06.2015 - In Erfüllung eines Postulats von Ständerätin Karin Keller-Sutter hat der Bundesrat einen Bericht verabschiedet, der zum Schluss kommt, dass ein umfassendes Freihandelsabkommen, das definitionsgemäss auf den Marktzugang beschränkt ist, einen klaren Rückschritt zu den bilateralen Abkommen mit der EU bedeuten würde. Die bilateralen Abkommen sind ein Element des Erfolgs der Schweizer Wirtschaft. Eine Abkehr davon wäre auch mit Unsicherheit verbunden, da eine Neuverhandlung eines umfassenden Freihandelsabkommens im Interessen beider Seiten liegen müsste und nicht zwingend die gleiche Rechtssicherheit bringen würde, wie die bilateralen Abkommen.

Die bilateralen  Abkommen haben in verschiedenen Bereichen für Schweizer Anbieter binnenmarktähnliche Verhältnisse mit entsprechender Rechtssicherheit geschaffen und die Zusammenarbeit darüber hinaus auf wichtige politische Bereiche erweitert, was mit einem Freihandelsabkommen nicht erreicht werden könnte. Der Bericht stellt die Idee eines umfassenden Freihandelsabkommens den heutigen bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU gegenüber und erfüllt so ein Postulat von Ständerätin Karin Keller-Sutter.

Das untersuchte Szenario eines „umfassenden Freihandelsabkommens“ geht von Marktzugangserleichterungen aus, die ohne Rechtsharmonisierung  - d.h. ohne Übernahme von EU-Recht und ohne vertraglich vereinbarte und überwachte Äquivalenz von Vorschriften – realisierbar sind. Darunter fällt bspw. der Zollabbau an der Grenze. Dies entspricht dem Ansatz bestehender Freihandelsabkommen neuern Datums. Der Bericht zeigt auf, dass dies einen klaren Rückschritt im Vergleich zu den heutigen bilateralen Abkommen bedeuten würde, die der Schweiz einen vertraglich geregelten Zugang zum europäischen Binnenmarkt ermöglichen.

So würde ein Freihandelsabkommen ohne Rechtsharmonisierung gewisse Marktzugangsbereiche ausklammern (z.B. technische Handelshemmnisse für Industriegüter oder im Landwirtschaftsbereich, Zollsicherheit, Personenfreizügigkeit, gegenseitiger erleichterter Marktzugang in bestimmten Dienstleistungssektoren wie Landverkehr und Luftverkehr).

Und für jene Teile der bilateralen Abkommen, die theoretisch in den Geltungsbereich eines umfassenden Freihandelsabkommens fallen könnten, hängt die Aufnahme von Neuverhandlungen von der Bereitschaft der Parteien ab und müsste den Interessen beider Seiten – d.h. auch der EU – entsprechen. 

Schliesslich wäre das Ziel einer grösseren regulatorischen Eigenständigkeit im Rahmen eines umfassenden Freihandelsabkommens höchstens formell gewährleistet. Aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung mit den Nachbarstaaten hat die Schweiz in jedem Fall ein Interesse daran, eine gewisse Rechtsharmonisierung mit dem europäischen Umfeld sicherzustellen. Das Vermeiden unnötiger Abweichungen ist für eine kleine exportabhängige Volkswirtschaft wie die Schweiz zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit unumgänglich. Ohne bilaterale Abkommen wären die Nachteile aufgrund der fehlenden vertraglichen Anerkennung dieser Rechtsharmonisierung aber bedeutend.

Die bilateralen Abkommen decken die Interessen der Schweiz daher weit besser ab, als dies mit einem umfassenden Freihandelsabkommen je erreicht werden könnte. Sie bilden einen massgeschneiderten rechtlichen Rahmen, welcher den engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sowie der geografischen Lage der Schweiz im Zentrum Europas Rechnung trägt. Sie sind das Ergebnis einer fortlaufenden Interessenabwägung. Die Interessenlage und das Ergebnis der Interessenabwägung haben sich aus Sicht des Bundesrates seit Beginn des bilateralen Wegs nicht geändert.

Der Bundesrat beantwortet mit diesem Bericht das Postulat Keller-Sutter 13.4022 „Freihandelsabkommen mit der EU statt bilaterale Abkommen“. Dieses hatte den Bundesrat beauftragt, die Vor- und Nachteile eines umfassenden Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und der EU vertieft zu analysieren und den heutigen bilateralen Abkommen gegenüberzustellen. Da die Fragestellung von breitem öffentlichem Interesse ist, wurde eine möglichst breite Abstützung des Berichts angestrebt. Neben mehreren Stellen der Bundesverwaltung wurden als externe Experten auch Prof. Dr. Astrid Epiney (Universität Freiburg) und Prof. Dr. Reto Föllmi (Universität St. Gallen) in die Erarbeitung des Berichts eingebunden.


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