Grosse Defizite beim biologischen Zustand der Schweizer Fliessgewässer

Bern, 14.07.2016 - Die erstmaligen Resultate der nationalen Beobachtung der Oberflächengewässer ergeben ein unterschiedliches Bild des Zustands der Fliessgewässer: Die Belastung mit Phosphor und Nitrat hat abgenommen, diejenige durch Mikroverunreinigungen jedoch wächst, und der biologische Zustand weist teilweise erhebliche Defizite auf. Laut Marc Chardonnens, Direktor des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), bestätigen diese Befunde, dass im Hinblick auf die Wiederherstellung und Erhaltung der Gewässerqualität grosser Handlungsbedarf besteht.

Am 14. Juli 2016 hat das BAFU im Rahmen einer Medienkonferenz die Ergebnisse der Nationalen Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA) für die Jahre 2011 bis 2014 vorgestellt. NAWA ist das Monitoringprogramm zur gesamtheitlichen Untersuchung des Gewässerzustands, das Bund und Kantone gemeinsam durchführen. Diese biologischen und chemisch-physikalischen Untersuchungen vermitteln erstmals einen Gesamtüberblick (siehe Kasten).

Weniger Phosphor und Nitrat gelangen in die Gewässer

Dank des Baus von Abwasserreinigungsanlagen hat sich die Wasserqualität seit den 1980er Jahren erheblich verbessert. Es gelangen wesentlich weniger Nitrat und insbesondere Phosphor in die Gewässer. Die Belastung in kleinen und mittelgrossen Fliessgewässern, in die grosse Mengen gereinigtes Abwasser eingeleitet werden oder zahlreiche Nährstoffe aus der Landwirtschaft gelangen, sind noch immer zu hoch. Zu hohe Nährstoffkonzentrationen können dazu führen, dass Flüsse und Seen ersticken.

Mehr als 230 Mikroverunreinigungen in den Gewässern nachgewiesen

Die Mikroverunreinigungen stellen ein Problem für die Wasserqualität dar. 2012 wurden in einer systematischen Untersuchung an fünf für das Mittelland repräsentativen mittelgrossen Fliessgewässern über 230 verschiedene Mikroverunreinigungen nachgewiesen. Die teilweise hohen gemessenen Konzentrationen sind für den Menschen ungefährlich. Sie deuten aber auf eine Mitverantwortung für die Defizite in der Artenvielfalt hin, die in den Gewässern festgestellt wurden.

Defizite beim biologischen Zustand an 30 Prozent der Messstellen

Um die Qualität von Gewässern als Lebensräume zu messen, wurden vier Kategorien von Lebewesen untersucht. Aufgrund der Zusammensetzung und Dichte an Wirbellosen und Wasserpflanzen wurde der biologische Zustand an zwei Dritteln der Messstandorte als gut bis sehr gut bewertet. Die Qualität des Gewässer-Ökosystems ist also an mindestens 30 Prozent der betrachteten Messstandorte erheblich beeinträchtigt. Bei den Fischen indessen- sie haben höhere Ansprüche an die Qualität des Lebensraums - sind die Befunde noch schlechter:  Nur an einem Drittel der Messstellen war die Qualität des Gewässers gut bis sehr gut, ganze zwei Drittel waren beeinträchtigt.

Diese Resultate bestätigen, dass Handlungsbedarf besteht, um sowohl den Zustand der Fliessgewässer als auch ihre Widerstandskraft - namentlich mit Blick auf den Klimawandel und seine negativen Folgen für die aquatischen Ökosysteme - zu verbessern. Dies erklärte Marc Chardonnens, Direktor des Bundesamts für Umwelt, an der Medienkonferenz vom 14. Juli 2016.

Umfangreiche Arbeiten in den kommenden Jahrzehnten

Nur in einem guten Zustand könnten die Gewässer alle ihre Funktionen erfüllen, sei es als Trinkwasserlieferanten, als Naherholungsgebiete für die Bevölkerung oder als Lebensräume für Pflanzen und Tiere, führte Chardonnens weiter aus. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei den kleinen Fliessgewässern gewidmet werden. Sie machen 75% des Gewässernetzes aus und sind wichtig für die Biodiversität.

Umfangreiche Arbeiten zur Verringerung der Mikroverunreinigungen und zur Renaturierung der Gewässer wurden bereits in Angriff genommen. Zur Minderung der Mikroverunreinigungen hat das Parlament grünes Licht gegeben für die Aufrüstung gezielt ausgewählter Abwasserreinigungsanlagen. Sie sollen eine zusätzliche Reinigungsstufe für die Elimination von Spurenstoffen im Abwasser erhalten. Um Mikroverunreinigungen aus der Landwirtschaft zu verhindern, müssen Massnahmen an der Quelle getroffen werden. Unter der Federführung des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) wird gegenwärtig ein Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ausgearbeitet. Er wurde am 5. Juli 2016 in die Anhörung geschickt.

Parallel zur Verringerung der Schadstoffeinträge müssen die Gewässer zudem naturnäher werden. Gemäss Gewässerschutzgesetz müssen die Kantone mit Unterstützung des Bundes bis Ende dieses Jahrhunderts 4000 der insgesamt 15 000 Kilometer Fliessgewässer, die einen schlechten Zustand aufweisen, revitalisiert werden. Zudem müssen bis 2030 die negativen Folgen der Wasserkraftnutzung (z. B. Fischwanderhindernisse oder künstliche Abflussschwankungen) beseitigt werden. Weitere Massnahmen wie etwa die Ausscheidung von Gewässerräumen laufen bereits.

KASTEN
Das Programm NAWA

Die Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA) wird vom BAFU und den Kantonen seit 2011 gemeinsam betrieben. Sie stützt sich auf Erhebungen, die an 111 Messstellen an mittelgrossen (z.B. Birs) und grossen (z.B. Rhone) Fliessgewässern in der ganzen Schweiz durchgeführt werden. Es werden sowohl Nährstoffe als auch biologische Parameter (Fische, Wirbellose, Wasserpflanzen und Kieselalgen) untersucht. Zudem wurden in einer Spezialkampagne (NAWA SPEZ) Mikroverunreinigungen an fünf mittelgrossen Bächen gemessen. Eine Übersicht zum Zustand der Seen, basierend auf kantonalen Untersuchungen, wird auf der BAFU-Website publiziert.


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